Ein Job fürs Ego: Ich arbeite, also bin ich
Von Ulla Grünbacher
Ist es das Geld, der soziale Status oder reines Vergnügen, warum die Österreicher Tag für Tag aufstehen und in die Arbeit gehen? Welche Motivation steckt dahinter? Anders formuliert: Müssen sie, dürfen sie – oder wollen sie arbeiten? Dieser Frage hat das Online-Netzwerk Xing eine aktuelle Umfrage gewidmet. Das Ergebnis: Meist hat es mehrere Gründe, aber der Lohn für getane Arbeit, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, spielt naturgemäß eine große Rolle. Doch man muss unterscheiden: Je nach Alter, Geschlecht, Bildungsgrad und Einkommenshöhe ist die jeweilige Motivation eine andere.
Für die 18- bis 24-Jährigen etwa ist Arbeit zum Statussymbol geworden. Die kollektive Fahrstuhlgesellschaft, in der es für alle, egal ob reich oder arm, im Sinne des sozialen Aufstiegs stetig nach oben ging, gibt es nicht mehr. „Junge Menschen haben das Gefühl, dass sie auf einer Rolltreppe stehen, die nach unten fährt und sie müssen laufen, um auf der Stelle zu bleiben“, veranschaulicht Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung und zitiert dabei den Soziologen Oliver Nachtwey. Das zeige, die junge Generation müsse sich sehr anstrengen, um den Lebensstandard, ihren sozialen Status, den sie von den Eltern mit bekommen haben, halten zu können. Ein Aufstieg ist nicht mehr möglich. Deshalb ist ein guter, sicherer Job für diese Generation zu einem Statussymbol geworden.
Kein Mitleid für Arbeitslose
Dabei geht es den Jungen nicht um viel Geld – sondern um die Finanzierung ihres Lebensunterhalts. „Für die meisten ist ein guter Job ein sicherer Job“, betont Ikrath. Eine Karriere im klassischen Sinn, beruflicher Erfolg, ist den meisten nicht wichtig. Es geht vielmehr um einen sichere Anstellung, stabile Arbeitszeiten, daraus beziehen sie Sicherheit. „Hinzu kommt, dass wir in einer arbeitszentrierten Gesellschaft leben“, betont Ikrath. Wir arbeiten, um Status ausstrahlen zu können. „Das zeigt sich auch daran, dass Arbeitslose nicht bemitleidet, sondern verachtet werden“, so Ikrath. Diesen Nicht-Status wollen die Jungen um jeden Preis vermeiden.
Ebenso wie die Jungen empfinden Frauen Arbeit eher als Statussymbol (28 Prozent) als Männer (23 Prozent), geht überraschenderweise aus der Xing-Studie hervor. „Das hat mit der Vereinbarkeit von Familien und Beruf zu tun“, vermutet Jutta Perfahl-Strilka, Director Sales New Business DACH bei Xing. Auch wenn sie Kinder haben, wollen sich Frauen heute beruflich verwirklichen, über die Mutterrolle hinaus gesehen werden. „Es ist wenig verwunderlich, dass sich Frauen stärker über ihren Beruf und nicht nur über ihre Rolle in der Familie definieren“, sagt die Xing-Expertin.
Für die meisten, 60 Prozent der Befragten und vor allem für die Gruppe der über-50-Jährigen, ist Arbeit hingegen ein menschliches Grundbedürfnis. „Sie wollen arbeiten, die Ärmel aufkrempeln, einen Beitrag leisten“, betont Perfahl-Strilka. Spannend: Mehr als acht Prozent der österreichischen Arbeitnehmer definieren sich voll über ihre Arbeit. Jeder Fünfte hingegen arbeitet nur, um Geld zu verdienen. Bei den Wenigverdienern (unter 1500 Euro brutto im Monat) arbeitet mehr als jeder Vierte (25,9 Prozent) ausschließlich, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. „Wer mehr als 3000 Euro brutto im Monat verdient, hat hingegen mehr im Sinn, als nur das Einkommen“, so die Xing-Expertin. Das gilt auch für Führungskräfte: Da sie Verantwortung übernehmen, definieren sie sich über die Arbeit und sehen diese als Teil ihrer Persönlichkeit.
Junge Menschen haben das Gefühl, dass sie auf einer Rolltreppe stehen, die nach unten fährt und sie müssen laufen, um auf der Stelle zu bleiben, um ihren Status zu halten.
Institut für Jugendkulturforschung
Besonders wichtig ist neun von zehn Arbeitnehmern, dass ihre Tätigkeit sinnvoll ist, einen Zweck erfüllt. Allerdings muss man hier unterscheiden: Erst wenn die finanzielle Basis wie Miete, Essen und andere laufende Kosten abgedeckt ist, spielt die Sinnhaftigkeit im Job eine bedeutende Rolle. „Wenn Unternehmen es dann schaffen, Mitarbeitern einen Sinn mitzugeben, ein großes Ganzes, dann ist das gut für sie, dadurch sind sie gesünder und erfolgreicher“, sagt Felix Altmann, Xing Deutschland. Freilich treibt dieses Bestreben manchmal auch seltsame Blüten. Etwas wenn ein Inkassobüro den Sinn in einer schuldenfreien Welt sucht.
„Viele Unternehmen erkennen, dass sie etwas tun müssen, damit sich Menschen bei ihnen bewerben – und stellen sich neu auf“, sagt Jutta Perfahl-Strilka. Sie machen sich mit CSR- oder Umweltthemen attraktiver. „Ich beobachte, dass Unternehmen aufwachen und beginnen, in Branding zu investieren“, betont Felix Altmann und nennt Xing als Beispiel: Denn die Firma hat sich das Motto „Für ein besseres Arbeitsleben“ auf die Fahnen geheftet.
Selbstkritik: „Eine Generation, die nicht muss“
In einem offenen Brief an die junge Generation hat Jakob Osman, selbst Jahrgang 1987, die Arbeitsmoral der Jungen stark kritisiert (erschienen im Manager Magazin). „Was ist los mit euch?“, fragt der Leiter einer deutschen Personalmarketing-Agentur. Ihr seid jung, bestens ausgebildet und meistens sehr überzeugt von euren Fähigkeiten. Zu überzeugt. Den Jungen attestiert er mangelndes Durchhaltevermögen und Engagement.
Herr Osman, Sie sagen: Die Generation Y ist verloren, sie ist überfordert, gierig und überschätzt sich selbst. Wie konnte es dazu kommen?
Jakob Osman: Die Jungen haben das Bedürfnis, alles ändern zu wollen. Aber sie möchten selbst nichts dazu tun. Es ist ein Aktionismus ohne Aktion. Dazu kommt ihre Erziehung: ihnen wurde gesagt, sie können alles, sie sind wunderbar. Eine Überhöhung, von den Eltern in die Kinder gelegt. Das ist natürlich Quatsch, denn nicht jeder kann alles werden und das ist auch nicht schlimm.
Die Millennials auf dem Arbeitsmarkt: Wie geht es ihnen und was wollen sie?
Denen geht's ziemlich gut. Nur leider haben sie das Beschwerde-Gen in sich und nörgeln die ganze Zeit nur herum.
Welche Arbeitsmoral haben die Jungen?
Früher hat man gearbeitet und in den Überstunden das Projekt fertiggemacht. Heute geht man pünktlich, um mit der Familie zu sein. Ein gutes Gehalt ist wichtig, aber gleich danach kommt die Work-Life-Balance. Die Jungen sind stark freizeitfokussiert, weil es keinen Druck mehr gibt. Wir haben eine Generation, die alles hat, die nicht muss. Natürlich gibt es aber auch die anderen, die weniger haben. Bei ihnen steigt der Frust enorm.
Für die Jungen wird Arbeit zum
Statussymbol. Wie erklären Sie sich das?
Das passt perfekt zur Instagram-Generation. Alles muss vorzeigbar und muss cool sein – auch der Job. Damit muss man auftrumpfen können.
Beschreiben Sie uns die junge Generation – was kann sie, was kann sie nicht?
Selbstvermarktung kann sie sehr gut. Die wissen, was sie können und was sie wert sind. Das mündet oft in Selbstüberschätzung. Sie denken, sie können alles. Ein Großteil der Arbeitswelt besteht aber aus Erfahrung und dass man ein Leben lang lernt.
Es fehlt die Ausdauer?
Ja. Das ist ein grundsätzliches gesellschaftliches Thema. Wir reden alle über Fehlerkultur, aber nur wenige können ein Scheitern annehmen und daraus eine Lehre ziehen. Rückschläge im Arbeitsleben muss man aber aushalten können. Nur so kann man sein Potenzial ausschöpfen.
Wieso kämpft diese Generation so wenig?
Kampf ist der falsche Begriff. Es fehlt ihnen an Leidenschaft. (s.b.)