Diese jungen Design-Talente mischen die heimische Modeszene auf
Von Ornella Wächter
Wie in einem Salon solle man sich bei ihr im Atelier fühlen, so wie früher, sagt Viktoria Peschl. Und es gelingt. Der KURIER trifft die junge Designerin zwischen Nähmaschinen und Schaufensterpuppen sitzend, im Hintergrund spielt leise Musik, hin und wieder zischt ein Bügeleisen in der Ecke vor sich hin.
Peschls Atelier ist Werkstatt und Verkaufsraum zugleich. Während Kundinnen und Kunden in den Kollektionen stöbern können, arbeiten sie und bis zu sechs weitere Mitarbeitende an den neuen Entwürfen. Bereits mit 23 Jahren machte sich Peschl selbstständig, damals war ihre Werkstatt noch in ihrem Schlafzimmer, das Vorzimmer der Schauraum.
Mit ihrer zeitlosen Mode und der Entscheidung, alles per Hand zu nähen, traf sie einen Nerv. „Ich bin damals noch rechtzeitig auf den Nachhaltigkeitszug aufgesprungen, bevor er zu sehr abgenutzt war und habe mir meine Nische geschaffen“, sagt die heute 26-Jährige.
Mundpropaganda und Instagram
Viktoria Peschl gehört zu einer jungen Generation an Designerinnen und Designern, die in der Wiener Modewelt für frischen Wind sorgt, sich bewusst gegen eine Mitarbeit bei internationalen Designtempeln entschieden hat und und ihre Bekanntheit über Mundpropaganda und Instagram steigert.
Bei Daniel Pahr und Hunnar und Hardi Mohammad führte die pure Leidenschaft für Mode ihren Weg in die Fashion-Welt. 2018 gründeten sie ihr Label Deux Amis, damals 21, 28 und 29 Jahre alt. „Wir haben alle keine Ausbildung im Modebereich und haben uns alles selbst beigebracht“, sagt Pahr.
Den Startschuss gab ihr Auftritt auf der Vienna Design Week 2018 und ihrer Kollaboration mit Firmen wie dem Baukonzern Porr oder der Bäckerei Felber. „Wir haben aus ihrer Funktionskleidung Fashion gemacht und auf dem Laufsteg gezeigt.“
Seitdem hat sich Deux Amis zur Streetwear-Marke weiterentwickelt, das Team wurde größer. Mit an Bord ist der 18-jährige Mika Spandl, der derzeit noch die Modeschule Hetzendorf besucht, aber bereits Prominente wie Kanye West zu seinen Followern auf Instagram zählen kann.
"Kritische Fragen brauchen kritische Designs"
„Unsere Kleidung soll auch den Prozess vom Jugendlichen hin zum rebellischen Erwachsenen ausdrücken. Wir stellen kritische Fragen, dazu braucht man kritische Designs“,so Spandl, der nun mit Pahr zusammen Creative Director ist.
Der 25-jährige Aleksandar Pavlovic besitzt mit „Would die for art“ ebenfalls sein eigenes Label. „Seit ich 17 Jahre alt bin, habe ich darauf hingearbeitet. Mit meiner Mode möchte ich Kunst schaffen und in Kleidung umwandeln.“
Zurzeit arbeite er an einer Kollaboration mit der Albertina und dem Kunsthistorischen Museum in Wien, "um Gemälde und Relikte in qualitativ hochwertige Kleidung zu transformieren, damit daraus moderne Kunst entsteht."
Wie die Gründer von Deux Ami besitzt auch er keine Mode-Ausbildung. Sein Quereinstieg in die Branche war dennoch erfolgreich, sein Hoodie mit einem Print von Elon Musk werde auch von namhaften Künstlern, Youtubern und Unternehmern getragen wie Mozzik, Julia Lang, Yung Kafa & Kücük Efendi, oder Nazar, so Pavlovic.
„Die Schule, in der wir Jungen lernen, heißt Instagram. Der Zeitgeist ist dort. Man findet alles über Designer, ihre Arbeit und Herangehensweise.“
"Meine Mode steht für Genderfreiheit"
Adrian Chobels erste Kollektion bestand aus einem Shirt und einer Hose, genäht aus alter Bettwäsche. Mittlerweile betreibt der 19-Jährige sein eigenes Label Chobel, fünf Kollektionen hat er schon auf den Markt gebracht.
„Meine Mode steht für Genderfreiheit“, so Chobel. „Ob Mann im Rock oder Frau im Anzug, jeder soll alles tragen. Man muss nur noch die Größe wählen.“
Die Modewelt ist ein hartes Pflaster und steht mit seiner Schnelllebigkeit auch in Kritik. Der Nachwuchs in der Branche scheint neue Wege einzuschlagen, produziert oft nur mehr limitierte Stückzahlen, schafft sich eigene Nischen, setzt eigene Themen, hält den Rahmen teilweise bewusst klein. So würde Viktoria Peschl ihre Produktion auch nie auslagern. „Dann könnte ich auch nicht mehr hundertprozentig dahinter stehen.“
Bei Sassa Ann van Wyk im Atelier entstehen nur Einzelstücke, jeder ihrer Hüte ist ein Unikat. "Zu warten, bis ich eine ganze Kollektion zusammen hätte, könnte ich gar nicht, dafür bin ich zu ungeduldig.Sobald ein Hut fertig ist, muss ich ihn sofort herzeigen und lasse ihn fotografieren", so die Hut-Designerin.
In ihren Entwürfen verarbeitet die 24-jährige alles, was ihr in die Finger kommt. "Meine Materialien finde ich überall. Ich kaufe alte Tischtücher und Borten auf Flohmärkten, verarbeite Knöpfe oder spanne alte Hüte auf und verarbeite sie neu", so van Wyk.
In einer ihrer erfolgreichsten Kreationen steckt ein alter Sofabezug, abgeschnitten mit einem Küchenmesser. "Die Federn auf dem Hut hat mir eine alte Dame geschenkt, die ihr Atelier auflöste." Der Hut wurde bereits mehrfach für Mode-Shootings anderer Labels verwendet und in internationalen Modemagazinen abgedruckt.
Aufträge erhält van Wyk vor allem von Theatern und Opernhäusern. "Meine Hüte sind nicht geeignet für den Alltag, meine Kreationen sind zu auffällig, ziemlich verspielt und schon sehr kostümorientiert. Von Streetwear grenze ich mich bewusst ab."
Aktuell aber erhält van Wyk Corona-bedingt weniger Aufträge, die Kulturbranche leidet, Corona-bedingt blieben die Vorstellungen lange aus und damit auch die Aufträge. Um die Fixkosten zu decken, arbeitet sie daher geringfügig für einen Nebenjob. "Mein Ziel ist es aber, Hut-Design wieder zum Hauptberuf zu machen. So, wie vor Corona."
Viktoria Peschl: @viktoriaundviktor
Deux Amis: @deuxamisclo
Aleksandar Pavlovic:@woulddieforart
Adrian Chobel: @chobel.official
Sassa Ann van Wyk: @sassaanvanwyk