Die Weinschmeckerin
Katharina Graner ist mitten im Gespräch über ihren Weinshop, als ein befreundeter Kunde reinkommt. Begrüßung: Bussi links, Bussi rechts. Er sieht sich um und sagt, er kommt etwas später wieder. "Passt, dann trinken wir einen", ruft sie ihm nach. "Das gehört dazu", grinst sie.
Die 27-jährige Weinschmeckerin eröffnete vor einer Woche ihren neuen Weinladen "Delicius" in der Brodtischgasse 28 in Wiener Neustadt. Im vorderen Bereich des 145 großen Geschäfts sitzt man gemütlich auf der breiten Fensterbank, verkostet edle Tropfen und genießt frisch aufgeschnittenen Prosciutto oder Schafskäse mit Mohn. Ein paar Schritte weiter stehen große Weinfässer, hier kann – in Ruhe und ohne Ablenkungen – weiter degustiert werden. Im dritten Raum findet der Weinliebhaber Accessoires, die den Genuss versüßen: schicke Öffner, Stöpsel, Pipetten, feine Wein-Täschen und kleine Geschenkartikel. Einen weiteren Raum gibt es noch, doch der steht leer. "Hier will ich meine Weinseminare machen." Die Möbel, die für diesen Raum entstehen, sollen die Kunden später auch kaufen können, so Graners Konzept. Draußen lädt ein kleiner Innenhof zum Genießen in der Sonne ein.
Insgesamt verkauft Graner hier 80 Wein-Marken aus Wien, Niederösterreich, Burgenland und der Steiermark. Mit dabei auch Trendiges, wie die Punk’s Finest Weine, aber auch Traditionelles wie den Follner. "Die meisten Winzer kenne ich persönlich." Das sei wichtig – es gäbe keine Geschäfte ohne Kontakte. Das ist auch der Grund, warum sie als Mentee beim KURIER-Mentoring mitgemacht hat. Im Rahmen der Aktion wollte sie Inputs von erfahrenen Frauen aus der Wirtschaft sammeln. "Mich stärkt so ein Austausch und gibt mir Sicherheit auf meinem Weg." Dieser soll sein: guten Wein verständlich an den Konsumenten bringen. "Letztens kam ein Nachbar rein und sagte ,Ich habe einen Karpfen mit Sojasoße im Wok – welcher Wein passt da?‘ Den richtigen Wein hatte ich dann sogar eingekühlt." Die Preise sind hier – obwohl es ein Spezialitäten-Geschäft ist – nicht hoch. Zehn bist 25 Euro stehen in goldener Schreibschrift am Etikett. "Guter Wein muss nicht teuer sein. Kein Winzer soll seinen Wein für drei Euro hergeben müssen, aber 300 Euro die Flasche kann ich nicht mehr nachvollziehen."
Graners Weg zum Wein
Die 27-Jährige macht vor, dass Bildung und ein starker Wille früh zum Erfolg führen können. Drei Studien (Bachelor in Umwelt- und Bioressourcenmanagement, Diplom in Agrar- und Ernährungswirtschaft und einen Master in internationalem Weinmarketing) hat sie schon intus. Bereits mit 24 Jahren wurde sie Geschäftsführerin einer regionalen Vinothek und Greisslerei in Bad Sauerbrunn. Nach einem einjährigen Ausflug als Werbetexterin in der Zeitungs- und Fernsehwelt kehrte sie vergangenes Jahr zum Wein zurück.
"Ich wollte dann endlich mein eigenes Ding durchziehen." Also schrieb sie einen Businessplan für einen Weinshop. Und hatte Glück. Denn die Summe, die sie investieren wollte (50.000 Euro), bekam sie als Kredit von ihren Eltern. Danach ging es an die Immobilien-Suche. "Die hat sich gezogen wie Kaugummi." Nach Wien wollte sie nicht, zu groß sei dort die Concept-Store-Konkurrenz. In Wiener Neustadt hätte sie ein großes Netzwerk, man würde sie bereits kennen – hier wäre der ideale Standort für "Delicius".
Der Schritt zum Selbstständigwerden fiel ihr nicht schwer. "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich bin zudem kein Befehlsempfänger. Ich brauche meine Freiheit und verbiege mich nicht gern." Oft hätten Bekannte sie gefragt, ob sie denn nicht Angst vor diesem Schritt der Eigenverantwortung hätte. Katharina Graner: "Wenn man etwas ausprobiert und es nicht funktioniert, dann schmerzt das. Noch mehr schmerzt es aber, wenn man sein Leben lang einen Traum mitschleppt und ihn niemals verwirklicht."
1. Mir ist wichtig, dass ich nicht von anderen abhängig bin. Ich möchte keine mitbestimmenden Investoren über mir haben. Und auch bei Geschäftspartnern muss man aufpassen. Es ist verlockend, etwas mit der besten Freundin oder dem Partner zu machen. Nur: Business ist Business und privat ist privat. Man muss sich wirklich gut verstehen und auch dann ist nicht sicher, ob das lange gut geht.
2. Bleib dir treu. Man muss hinter dem, was man macht, zu 100 Prozent stehen. Ich würde nie ein Produkt verkaufen, das ich furchtbar finde – obwohl es vielleicht eine große Gewinnspanne hat.
3. Lebe deinen Traum. Natürlich ist es nicht einfach, Kapital aufzustellen. Aber wenn man wirklich an etwas glaubt, sollte man es machen und sich auch von keinem reinreden lassen. Ich habe schon oft gehört „Du bist mutig“. Wenn ich aber nicht daran glauben würde, würde ich es nicht machen.
4. Netzwerken ist das A und O jeder Branche. Man muss rausgehen und jedem erzählen: Das bin ich, das mache ich, könnt ihr mir weiterhelfen? Ich habe da schon viele gute Erfahrungen gemacht.
5. Man muss am Ball bleiben. Wir leben in einer so schnelllebigen Zeit, dass ein Shop-Aufsperren alleine nicht reicht. Die Leute kommen ab jetzt nicht einfach von allein, man muss sich immer neue Ideen überlegen, um mitzukommen. Mein USP, also mein Alleinstellungsmerkmal, sind die Weinseminare – so etwas gibt es in Wiener Neustadt noch nicht.