Wirtschaft/Karriere

Auch Flops müssen erlaubt sein

Jeder kennt das kleine verbogene drahtige Arbeitsutensil Büroklammer. Sie hat einen Zweck: Zettel daran zu hindern, Chaos anzurichten. Doch eine Büroklammer hat noch ganz andere Einsatzmöglichkeiten - wie schon MacGyver demonstrierte - und zwar: Man kann mit ihr ein Bild aufhängen oder sie als Schraubenzieher, Angelhaken oder Stromleiter verwenden. Und noch vieles mehr.

Doch viele Erwachsene haben verlernt kreativ zu denken. Verlernt, weil die Multiple-Choice-Gesellschaft nur eine richtige Antwort zulässt, weil Navigationssysteme den Entdeckergeist ins Jenseits befördert haben und ein Fehler mit Versagen verwechselt wird.

Die gute Nachricht: kreativ ist jeder. Man muss nur der Alltagsdenke Lebewohl sagen. Doch: "Kreativität hat nichts mit lernen zu tun, es heißt, aus dem Erlernten auszubrechen", sagt Jiri Scherer. Der gebürtige Schweizer ist Gründer von Denkmotor, einem Unternehmen für Kreativitätstrainings. In den Seminaren schulen Scherer und seine Kollegen die verschiedenen Kreativitätsmethoden - jenseits der klassischen Mindmaps.

Methode

Das Ziel ist laut Scherer immer, mehr als nur eine Lösung zu finden. "Ein Marathonläufer kann für die 42 Kilometer entweder monatelang trainieren oder er zieht sich Rollschuhe an und fährt grazil ins Ziel", verdeutlicht er.

Kreativität ist eben manchmal ganz einfach und nahezu banal - wie auch das folgende Beispiel zeigt. Scherer: "Nehmen wir an, Sie bekommen vom Chef den Auftrag, eine kreative Weihnachtskarte zu gestalten." Um sich von grünen Tannen mit roten Weihnachtskugeln oder Rentierschlitten zu befreien, empfiehlt er, ein Wort aus dem Wörterbuch oder einer Zeitschrift blind auszuwählen. "Nehmen wir das Wort ,Brot'. Jetzt beschreiben: Es ist braun, essbar und leicht verderblich", so Scherer. Der nächste Schritt der sogenannten Reizwort-Analyse ist, das Adjektiv mit dem Thema in Verbindung zu bringen. "Braun und Weihnachten: Vielleicht Lebkuchen?", sagt Scherer.

Fehlerkultur

Alle Inhalte anzeigen

Kreativität braucht auch Mut und eine Unternehmenskultur, die Fehler gestattet, denn Fehler sind ein Teil von Innovation. "Jeder, der etwas Innovatives tut, fällt manchmal auf die Nase. Doch wir haben keine Kultur, die Fehler zulässt", sagt Scherer. Was bei den heimischen Unternehmen meist nicht geduldet wird, wird vom indischen Autobauer Tata hingegen sogar mit einem Preis gewürdigt.

"Die haben einen Innovationspreis für den größten Flop, den ,Dare to try'", erzählt Scherer. Mit dem Preis sollen Mitarbeiter dazu ermutigt werden, Ideen abseits des Mainstreams vorzutragen.

Nicht zuletzt braucht Kreativität Zeit. "Bei 3M haben die Mitarbeiter zehn Prozent ihrer Arbeitszeit zur freien Verfügung. Viele Ideen entstehen eben in der Freizeit", sagt Scherer. Also: Einfach mal ausprobieren.

Der Kreativling: Jiri Scherer
Jiri Scherer studierte Betriebswirtschaft in Luzern und absolvierte einen Master in Innovation Engineering an der ETH in Zürich.
Der Schweizer hat zehn Jahre Erfahrung mit Innovationsworkshops und Kreativitätsseminaren. Er ist Gastdozent an Hochschulen und Trainer am BWI der ETH Zürich.

Austrian Innovation Forum: Seminar, Keynote, Diskussion
Am 13.Oktober findet am Campus des Institute of Science and Technology (IST Austria) in Klosterneuburg das Austrian Innovation Forum statt. Zahlreiche internationale Speaker wie etwa Carlo Ratti vom MIT (Massachusettes Institute of Technologie) und Peter A. Gloore von der Sloan School of Management (MIT) konnten gewonnen werden. Neben den Keynotes und Podiumsdiskussionen werden auch Praxisseminare angeboten: Am 12. Oktober ist Jiri Scherer bei seinem Seminar "Creative Thinking" im Hotel Triest in Wien live zu erleben.