Am falschen Platz verpufft viel Geld
Von Nicole Thurn
Thorsten Heins wollte Blackberry mit neuen Smartphone-Modellen retten – und den Konzern verkaufen. Doch die Kunden lehnten die neuen Smartphones ab und die Eigentümer wollten den Verkauf an einen finanzschwachen Finanzdienstleister nicht. Im November wurde Heins entlassen, nach nicht einmal zwei Jahren. Für die Eigentümer war er letztlich der falsche Mann gewesen.
Falsche Personen in den falschen Positionen: Fehlbesetzungen kosten die Wirtschaft Unsummen, sagt Alfred Harl, Chef der Unternehmensberater in der Wirtschaftskammer Österreich. Acht Monatsgehälter mindestens – „in den Top-Positionen kann es schon das 20- bis 30-Fache sein“, schätzt er.
Fehler mit Folgen
Ist der Falsche erst einmal installiert, passiert – nichts. Die Fehlbesetzung auf Topmanagement-Ebene bedeutet Schmach für das Unternehmen, sagt Managementtrainer und Wirtschaftspsychologe Leopold Hüffer (siehe Interview): „Der Eigentümer hat die Fehlbesetzung längst erkannt, will aber sein Gesicht nicht verlieren. Dann wird das Spiel zwei, drei Jahre durchgehalten.“ Man versuche, den CEO noch „hinzubekommen“, doch: „Coaching kann hier manches sogar verschlimmbessern.“
Zielführender sei es, Präventivmaßnahmen zu setzen, um es gar nicht erst zum Versagen im Chefsessel kommen zu lassen – mit ausführlichem Assessment der Kandidaten für die Position. Jede fünfte Führungsposition werde fehlbesetzt, sagt auch Peter Pendl, Geschäftsführer der Personalberatung Pendl & Piswanger. Nämlich vor allem dann, „wenn die Unternehmen selbst einen Kandidaten suchen.“ Ein Personalberater hinterfrage und konkretisiere mit dem Auftraggeber Job- und Anforderungsprofil besser. Sechs bis acht Wochen benötige ein Headhunter für die Suche nach den richtigen Kandidaten für die Führungsposition.
Klon gesucht
Drei Herausforderungen macht Pendl für die Personalberater aus, die die Suche nach der richtigen Führungskraft erschwerten. Erstens die Angst des Vorgesetzten vor dem guten Zweiten: „Chefs wollen gute Mitarbeiter, aber nicht zu gute, weil sie dann ihre Position gefährden.“ Hier müsse der Personalberater oft Überzeugungsarbeit leisten. Auch wenn eine bestehende Führungskraft einen Teil ihres Verantwortungsbereichs an einen Neuen abgeben muss, könne der Eindruck einer Fehlbesetzung entstehen, „wenn beide nicht gut zusammenarbeiten.“ Ein häufiges Erschwernis sei drittens: „Wir sollen den Klon eines guten Mitarbeiters suchen. Dann müssen wir Bewusstseinsarbeit leisten, dass jemand besser wäre, der anders ist und neue Impulse bringt.“
Um die richtige Führungskraft zu finden, prüfe man die fachliche Qualifikation beim Hearing mit Fallbeispielen aus der Unternehmenspraxis. Aber auch soziale und emotionale Kompetenzen seien wichtig, so Pendl. „Darauf wird bei den Stellenbesetzungen noch viel zu wenig Wert gelegt.“
41 Prozent sind falsch
Betrachtet man die Stellenbesetzungen über alle Hierarchiestufen hinweg, dürfte die Fehlerquote insgesamt noch höher als bei den Führungspositionen liegen: 41 Prozent der österreichischen Arbeitnehmer sind in ihrem Job entweder stark überfordert (17 Prozent) oder unterfordert (24 Prozent), zeigt die Studie „Into the Gap“ der Personalvermittlung Randstad. 26 Prozent würden aktuell in einem anderen Beruf als ihrem erlernten arbeiten. „Die Wirtschaftsdynamik wird immer geschwinder“, erklärt Michael Wottawa, Country Manager von Randstad Österreich. Die Personalsuche mutiere zum Wettlauf gegen die Zeit. Seit Beginn der Krise (2008) würden die Unternehmen für die Besetzung einer Stelle oft mehrere Personalberater ins Rennen schicken: „Wer als Erster einen Kandidaten bringt, erhält den Zuschlag und das Honorar. Dieser zunehmende Zeitdruck führt zum massiven Qualitätsverlust bei der Personalsuche.“
Um Fehlbesetzungen zu vermeiden, brauche es ein klares Anforderungs- und Jobprofil, sind sich die Experten einig. „Die Erwartungen an den Kandidaten, die Ziele, die künftigen Herausforderungen an ihn müssen vor der Rekrutierung klar herausgearbeitet werden“, sagt Pendl. Oft würde die Außendarstellung des Unternehmens Bewerber in die Irre führen, meint Unternehmensberater Harl: „Wenn ich eine bestimmte Unternehmenskultur vorgaukle, ziehe ich Fehlbesetzungen automatisch an.“ Die neuen Mitarbeiter würden das Unternehmen enttäuscht bald wieder verlassen.
Am Ende der Fehlbesetzung entstehen den Unternehmen nicht nur Kosten, sondern auch ein „extremer Produktivitätsverlust“, warnt Wottawa. Für die Volkswirtschaft bedeutet das: Das Wirtschaftswachstum wird gebremst.
Seit 20 Jahren prüft Wirtschaftspsychologe Leopold Hüffer Kandidaten für Management-Jobs auf ihre Fähigkeiten. Im Buch „Kalte Fische“ (FAZ, € 24,90) geht er den Fehlbesetzungen in den Führungsriegen auf den Grund.
KURIER: Warum werden Topjobs mit Topflops besetzt?
Leopold Hüffer: Die Personalabteilungen haben unvollständige Informationen über die Personen, die das Rennen machen. Man steht unter Zeitdruck bei der Personalsuche, hat eine beschränkte Sicht auf die Bewerber. Oft ist auch nicht klar: Wie viel Zeit, wie viele Headhunter benötigt man, um den Richtigen zu finden. Man weiß oft gar nicht, wonach man sucht. Dann ist keiner der Richtige.
Netzwerke sind bei der Suche nach Topleuten hilfreich, aber auch fatal, sagen Sie. Warum?
Das eigene Netzwerk ist bei der Personalsuche naheliegend, weil man Vertrauen zu den Menschen hat, die man kennt. Doch man neigt dazu, Positionen mit Menschen zu besetzen, die eine Taschenausgabe von einem selbst sind. Vielleicht bräuchte man aber jemanden, der einem die Stirn bietet. Wenn Schmidt Schmidtchen beruft, können ganze Weltunternehmen daran kaputtgehen. Wenn der Vorstandsvorsitzende es nicht hinbekommt, braucht er Gefolgsleute, die ihm beibringen, dass es so nicht weitergeht.
Inwiefern spielt Freunderlwirtschaft eine Rolle?
Ganz klar gibt es Fälle, wo man sich fragt, wie konnte dieser Mann in der Hierarchie ganz oben landen. Da sind oft Bündnisse im Hintergrund, die Jahrzehnte alt sind. Das gibt es in allen Gesellschaften. Aber es gibt auch moderne Unternehmen, die auch bewährte Kandidaten auf Herz und Nieren prüfen.
Was muss ein guter Topmanager können?
Drei Dinge: Er muss strategisches und operatives Management beherrschen, integer und glaubwürdig sein, Menschen begeistern können. Da braucht es Balance. Die meisten Kandidaten erfüllen nur eineinhalb der drei Kriterien.
Wie unterscheidet man bei der Bewerbung Blender von Könnern?
Indem man den Kandidaten im Assessment Aufgaben vorgibt, sie das Unternehmen analysieren, Maßnahmen vorschlagen müssen. Die Tendenz zum Blenden und Lügen hat zugenommen – mit gefälschten Lebensläufen, in denen der Managing Director zum CEO, der Bereichsvorstand zum Country Manager wird. Man muss die Quellen prüfen – über Google und frühere Arbeitgeber.
41 Prozent der Österreicher sind im Job entweder über- oder
unterfordert.
26 Prozent arbeiten in einem anderen als ihrem gelernten Beruf.
8 Monatsgehälter kostet dem Arbeitgeber die Fehlbesetzung eines durchschnittlichen Angestellten. In Top-Positionen können es schon 30 oder mehr Monatsgehälter sein.
1,3 Millionen Arbeitsverhältnisse werden jährlich in Österreich gekündigt.
70 Prozent davon werden noch im ersten Jahr aufgelöst.
50 Prozent der Fremdmanager in deutschen Familienunternehmen entpuppen sich als Fehlbesetzung.