Wirtschaft

Analyse: Was Lehrlinge wirklich wert sind

Wer fertig ausgebildete Lehrlinge abwirbt, soll – wie  berichtet – ähnlich wie im Fußball eine Ablösesumme an den Ausbildungsbetrieb zahlen müssen. Der vom deutschen Handwerk geforderte Kostenausgleich sorgt auch in Österreich für heftige Debatten. Der KURIER ging den wichtigsten Fragen nach.

Wie groß ist die Problematik der Abwerbungen?

In Österreich noch kleiner als in Deutschland, angesichts des Fachkräftemangels vor allem in technischen Berufen aber stark steigend. Vorarlberger Betriebe leiden jetzt schon darunter, dass ihnen deutsche und Schweizer Firmen massiv Jung-Fachkräfte abwerben. Auch Oberösterreich ist betroffen. Die „Verbleibequote“ im Betrieb liegt drei Jahre nach Lehrabschluss bei 35 Prozent (Industrie: 57 Prozent), in der Branche bleiben im Schnitt zwei Drittel. Die Arbeitnehmer können sich gehaltsmäßig verbessern, die Ausbildungsbetriebe bleiben aber auf den Ausbildungskosten sitzen.

Was kostet ein Lehrling den Betrieb und was bringt er als Arbeitskraft?

Die Kosten-Nutzen-Rechnung fällt höchst unterschiedlich aus. Branche, Dauer der Lehre (3 oder 4 Jahre) und Betriebsgröße spielen eine wichtige Rolle. So kostet eine vierjährige Ausbildung etwa bei Siemens rund 135.000 Euro. Darin enthalten sind Lehrlingsentschädigung und Kosten für Maschinen, Materialien und Ausbildner. Der Aufwand ist im Handel, Tourismus oder im Gewerbe (Friseur, etc.) viel geringer. Hier können die Lehrlinge rascher als Arbeitskraft eingesetzt werden und erbringen so Leistungen, die gegengerechnet werden müssen.

Laut einer Befragung des Forschungsinstituts öibf schwanken die durchschnittlichen Nettokosten je nach Lehrjahr. Über die gesamte vierjährige Lehrzeit betragen sie rund 14.300 Euro (siehe Grafik). Weiters entfallen für das Unternehmen die Rekrutierungskosten, wenn der Lehrling übernommen wird.

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Wie viel kostet den Staat die Lehrlingsausbildung?

Die öffentlichen Mittel für die duale Ausbildung, also Förderung inklusive Kosten für Berufsschule, belaufen sich auf 6.475 Euro pro Lehrling und Jahr (2016). Sie liegen damit deutlich unter den Kosten für einen AHS- oder BMS-Schüler mit 10.660 Euro. Am teuersten ist die überbetriebliche Berufsausbildung (ÜBA) im Auftrag des AMS mit 18.092 Euro. Ziel ist daher eine noch engere Vernetzung mit Betrieben.

Welche Vorschläge für einen fairen Kostenausgleich gibt es?

Wirtschaftsvertreter sind gegenüber „Lehrlings-Ablösen“ skeptisch. Sie fordern mehr Anreize durch staatliche Förderungen. Die Arbeiterkammer (AK) plädiert für einen Ausbildungsfonds, in den alle Betriebe einzahlen, die nicht ausbilden und von dem jene profitieren, die dies sehr wohl tun. Die Vorarlberger Elektro- und Metallindustrie hat einen solchen „Ausbildungsprämienfonds“ bereits vor Jahren eingerichtet. Lehrbetriebe werden damit finanziell unterstützt, wenn ihr Lehrling nach dem zweiten Ausbildungsjahr einen Leistungswettbewerb positiv abschließt. Das Prämiensystem soll also auch die Ausbildungsqualität fördern.