Wirtschaft

Jeden Tag halbe Stunde länger arbeiten: IV präsentiert Reformideen

Einen Tag nach der OECD hat auch die Industriellenvereinigung (IV) Reformvorschläge zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit  und zur Sicherung des Wohlstands in Österreich vorgelegt. Umsetzen müsse das 8-Punkte-Programm der IV die nächste Bundesregierung, die aus Sicht der Industrie einzig und allein daran gemessen werde, ob sie die Wirtschaft und den Standort wieder ins Zentrum ihrer Bemühungen rücke.

Überschrieben war die IV-Pressekonferenz am Dienstag mit „SOS Wohlstand“. Passend dazu wurde ein Rettungsring präsentiert, den man – bildlich gesprochen – dem vom Untergang bedrohten Standort zuwerfen will. Der kürzlich für vier Jahre wiedergewählte IV-Präsident Georg Knill hat sich dazu starke Unterstützung in Form seiner drei Stellvertreter bzw. Stellvertreterinnen gesichert. Die da sind: Infineon-Chefin Sabine Herlitschka, Siemens-Chefin Patricia Neumann sowie Miba-Boss Peter Mitterbauer.

Neben Evergreens wie der Forderung nach Steuer- und Lohnnebenkostensenkungen präsentierte den vermutlich umstrittensten Punkt  allerdings IV-Generalsekretär Christoph Neumayer: Es sei jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin zumutbar, so Neumayer, täglich  eine halbe Stunde länger zu arbeiten. Je eine Viertelstunde am Vormittag und am Nachmittag – samt  entsprechendem Lohnausgleich. So könne nicht nur das Wirtschaftswachstum gesteigert werden, sondern vor allem auch dem massiven Teilzeittrend entgegen gewirkt werden.

Zusätzlich brauche es aber weitere Anreize, um wieder mehr Menschen in Vollzeitjobs zu bringen. Denn  der Wohlstand sei nur zu sichern, ist die IV überzeugt, wenn in Österreich nicht weniger, sondern wieder mehr gearbeitet werde.

Mangel trotz Rezession

Ein Argument dafür ist nicht nur der Teilzeittrend, sondern auch der Arbeits- und Fachkräftemangel. Eine neue IV-Umfrage unter den Mitgliedsbetrieben zeige, dass ein Drittel der Firmen derzeit zehn oder mehr Stellen nicht besetzen können – und das im zweiten Jahr einer Industrierezession. De facto herrsche in Österreich eine 34-Stunden-Woche, so Neumayer, in den vergangenen 20 Jahren seien auch bei Vollbeschäftigung vier Stunden verloren worden. Obwohl die Bevölkerung wachse, steige die Gesamtarbeitszeit nicht.

Andere Punkte des Programms  sprechen den aus ihrer Sicht nötigen Bürokratieabbau an. Der regelrechte „Bürokratie-Tsunami“ und das beliebte „Golden Plating“, also das Übererfüllen von EU-Vorgaben, müssten endlich beendet werden. 

Die IV fordert aber auch eine praxistauglichere Umsetzung des „Green Deals“ der EU, also einen wirtschaftsfreundlicheren Umbau der verschiedenen Branchen in Richtung Klimaneutralität. Konkret müsse aus dem Green Deal ein „Real Deal“ werden, der die Dekarbonisierung sicherstelle – gleichzeitig aber eine Deindustrialisierung verhindere, sagte Herlitschka. Genehmigungen müssten auch im Sinne der Erreichung der Klimaziele endlich viel schneller erledigt werden. 

Außerdem müsse der Staat wieder mehr Eigenverantwortung fördern und fordern. Schluss mit dem Vollkasko-Staat, Schluss mit der Vollkasko-Mentalität der Bürger aus der Corona-Zeit, fordert die IV. 
Ebenso unausweichlich sei angesichts der alternden Gesellschaft eine Pensionsreform, sagen Knill & Co. Das faktische Pensionsantrittsalter liege mit ca. 61 Jahren immer noch deutlich unter dem gesetzlichen Antrittsalter von 65 (bei Männern).

Im Sinne der Exportnation Österreich müssten letztlich auch die diversen Freihandelsabkommen vorangetrieben werden – hierbei gehe es nicht nur um Mercosur, sondern unter anderen auch um ein Abkommen mit Indien oder um die Wiederbelebung der Verhandlungen zwischen EU und USA. 

Gewerkschaft protestiert

Scharfe Kritik an den IV-Ideen kommt postwendend von der Gewerkschaft. „Moderne Standortpolitik braucht mehr als Arbeitszeitverlängerungen, Angriffe auf den Sozialstaat und Eingriffe ins Pensionssystem“, sagt PRO-GE-Chef Reinhold Binder. Der IV-Wunschkatalog gehöre „entsorgt“.