Wirtschaft

Wie man Biederes sexy macht

Drei Jungs, eine Idee": So beschreiben sich die Firmenbesitzer von "mymuesli". Auf der Website der drei Studienfreunde, die 2007 online ging, kann sich jeder sein Lieblingsmüsli aus 80 Bio-Zutaten zusammenstellen. Das ergibt 566 Billiarden Variationsmöglichkeiten.

Was ganz klein in der Studenten-Wohngemeinschaft begann, hat sich in acht Jahren zum bayerischen Vorzeigeunternehmen mit 400 Angestellten gemausert. Vergangene Woche traf sich Infrastrukturminister Alois Stöger mit seiner deutschen Amtskollegin, der für IT zuständigen Staatssekretärin Brigitte Zypries, im mehrfach ausgezeichneten Passauer Betrieb. Hier funktioniert alles digital: von der Bestellung bis zur Produktion – ein Vorbild für die "Industrie 4.0"-Offensive Stögers.

"Unsere Eltern haben uns anfangs für verrückt erklärt", erzählt Max Wittrock. Die Frage: "Aber wozu hast du dann Jura studiert?" war nicht so leicht zu beantworten. Und war der Müsli-Markt nicht eigentlich schon gesättigt? Doch die drei jungen Männer ließen sich nicht entmutigen und mixten ihre ersten per Internet bestellten Müslis per Hand in der WG. Für Kunden, die sich lieber ohne Rosinen, Zucker-reduziert, glutenfrei oder gehaltvoller ernähren wollten.

Getreidegassen-Shop

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Der Erfolg gibt ihnen recht: Mittlerweile kann man das Müsli in den stylishen Dosen nicht nur im Internet kaufen, sondern auch in 16 Läden in vielen deutschen Städten. In Wien gibt es einen Shop auf der Mariahilfer Straße 93. Demnächst wird ein weiterer auf teurem Boden eröffnet: in der Salzburger Getreidegasse. In den Läden gibt es fixe Mischungen zu kaufen. Man kann sich das bestellte aber auch dorthin schicken lassen. In ausgewählten Supermärkten stehen die Dosen ebenfalls im Regal.

Sie laufen in einer Fabrik mit ausgeklügelter Fertigungsanlage vom Band. Das Prinzip wirkt einfach: Die Dose wandert am Fließband an Schütten vorbei. Ein Laser tastet das aufgeklebte Etikett ab. Je nach Zutatenliste wird die Schütte geöffnet und gibt ihren Inhalt – von Buchweizenflocken über Hafer-Crunchy und Paranusskerne bis zu getrockneten Johannisbeeren – ab.

Erfolgreichste Mischung ist derzeit übrigens das "Paleo-Müsli". Wer auf Steinzeitdiät setzt, verzichtet auf raffinierte Produkte. Was sonst noch im Trend liegt? Fruchtiges, sagen die Jungs, die noch immer recht unkompliziert wirken. Auch der Fastentrend ging an ihnen nicht vorüber, Zielgruppe: Frauen, die Dose in Pink, und ein Drei-Phasen-Produkt. Kommt fast medizinisch daher. Am anderen Ende des Spektrums das Schokomüsli mit dem Werbespruch: "Schokoladiger geht’s nicht". 575 Gramm kosten 5,90 €.

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Das Sortiment von mymuesli hat sich erweitert: Die Firma bietet für das perfekte Frühstück auch Kaffee, Orangensaft, Trinkjoghurt an. Die Zutaten werden möglichst regional, möglichst bio gekauft. Künstliche Zusätze? Lieber nicht! Fremde Investoren? Lieber auch nicht! Bisher kam man ohne sie aus.

Mühen des Beginns

Obwohl es zu Beginn natürlich auch falsche Entscheidungen gab – etwa die Produktion in einer Fußgängerzone im ersten Stock anzusiedeln. "Wir haben alles zu Fuß hochgetragen. Das war bescheuert", grinst Wittrock im Gespräch mit dem KURIER. So gesprächig Wittrock sonst ist, bei genauen Umsatzzahlen ist er zugeknöpft. Die Angst vor mächtigen Konkurrenten, die die Jungspunde aus dem Markt drängen könnten, ist noch immer da.

„Industrie 4.0“: Das ist eines der wichtigsten Projekte des Infrastrukturministeriums. Alle Prozesse finden digital statt – laut Alois Stöger die „vierte industrielle Revolution“. Nach Mechanisierung, Elektrifizierung und Automatisierung kommt die Vernetzung. Sprich: eine Schraube „weiß“ bei der Autofertigung automatisch, an welchen Platz sie gehört.

Dafür eröffnet das auch für angewandte Forschung zuständige Ministerium heuer gemeinsam mit der Technischen Universität Wien eine Pilotfabrik: eine Laborsituation mit realen industriellen Maschinen und Logistiksystemen. Im Mai werden außerdem vier Stiftungsprofessuren ausgeschrieben und für fünf Jahre gefördert. Alle heimischen Unis sind eingeladen, müssen sich aber verpflichten, die Stellen danach weiterzufinanzieren. Österreich sei in etlichen Bereichen schon jetzt führend und soll vorne bleiben, sagt Stöger zum KURIER.

Aber viele Fragen seien noch offen: Vernichtet dieser Trend Arbeitsplätze oder schafft er neue? Wie schützt man die Daten? Wie „lernfähig“ sind Maschinen?