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Zurück aufs Land: Wir gründen ein Dorf!

An der Dorfeinfahrt, wo stolz ein großes Schild mit der Aufschrift „Luftkurort“ prangt, hat das Handy plötzlich keinen Empfang mehr. Ein paar hundert Meter weiter am Piesting-Fluss entlang begrüßt der altehrwürdige „ “ die Ankommenden. Das Wirtshaus gegenüber dem Bahnhof wirkt verlassen, so als ob die Vergangenheit besser war als das, was die Zukunft verspricht. Doch ein Blick durch die Fenster offenbart eine ganz andere Welt: Junge Menschen in Jeans und Hoodies huschen durch die Stube oder sitzen vertieft über ihren MacBook-Computern.

Rund 25 Leute um die Start-up-Gründerin Theresa Steininger sind hier im niederösterreichischen Gutenstein gerade dabei, das Dorfleben neu zu erfinden: nachhaltig, lebendig und modern. Seit Mitte Oktober haben sie das Gasthaus gemietet. Die meisten von ihnen sind mit Sack und Pack von Wien – der Zug schafft es in einer Stunde und 30 Minuten – kurzerhand in das Alpen-Dörfchen übersiedelt. „Wir wollen in Gutenstein ein autarkes Vorzeige-Dorf zum Nachmachen schaffen“, so Theresa Steininger.

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Die 28-Jährige dachte bislang in kleineren Dimensionen: Vor fünf Jahren gründete sie mit Partnern das Start-up „Wohnwagon“, das mobile Häuser mit 15 bis 33 Quadratmetern fertigt. Die Wohnwägen sind komplett ökologisch, handgefertigt und hinsichtlich Wasser-, Strom- und Wärmeversorgung autark. „Im Zuge der Firmenentwicklung haben wir uns immer wieder die Frage gestellt, welche Lösungen es für zukunftsfähiges, nachhaltiges Leben braucht. Und wir sind auf ein Dorf gekommen“, erzählt Steininger, die selbst in einem 200-Seelen-Ort aufwuchs.

Doch was bedeutet ein nachhaltiges Landleben überhaupt? Theresa Steiniger macht vier Punkte fest: wenig Platz- und Bodenverbrauch; natürliche Baustoffe; Selbstversorgung und funktionierende Gemeinschaft.

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Und so gelang es: Im Frühjahr schrieb einer der Wohnwagon-Mitarbeiter 90 Gemeinden rund um Wien an, ob sie Raum für ein autarkes Dorfprojekt hätten. „Wir suchten einerseits eine Produktionshalle für die Fertigung der Wohnwagons, andererseits eine Spielwiese für die Entwicklung von autarken Wohn- und Lebensräumen“, so Steininger. Auf die schräge Anfrage meldeten sich 20 Gemeinden – zehn davon besuchte Steininger. „In Gutenstein war sofort spürbar, dass es passt.“

Die Gemeinde Gutenstein machte die junge Truppe aus Wien auf eine seit Jahren leer stehende Nagelfabrik direkt am romantischen Flusslauf der Piesting aufmerksam. Beim Rückweg der Besichtigung fiel den Besuchern der verwaiste Gutensteinerhof auf. „Da war uns klar: Wir brauchen ein Gasthaus mit Gästezimmer, um so ein Projekt zu machen,“ erzählt sie, „und weil jedes Dorf ein Zentrum braucht, ist der Gutensteinerhof ideal für uns.“

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Kurzerhand wurde der Gutensteinerhof sowie die Produktionshalle angemietet. Ein Großteil der 28 Wohnwagon-Mitarbeiter – die meisten davon unter 30 – zogen mit aufs Land. Der schwere Fettgeruch vom jahrzehntelangen Schnitzel-Brutzeln klebt zwar noch am Interieur der Wirtsstube, doch in der funktionstüchtigen Küche wird mittags wieder gekocht – biologisch und gemeinsam versteht sich.

Die Gaststube dient als Besprechungsraum und die Nebenzimmer wurden zu Büros für Wohnwagon umgemodelt. An manchen Stellen wurden Holzböden erneuert und Decken weiß gestrichen. In den zehn Gästezimmern im Obergeschoß wohnen die neuen Dorfbewohner vorübergehend.

Der Plan ist es, dem älteren Besitzerehepaar den Gutensteinerhof um rund 300.000 Euro abzukaufen und nochmals 700.000 Euro in einen ökologischen und autarken Ausbau zu investieren. Dafür haben Theresa Steininger und ihre Mitstreiter eine Genossenschaft namens „Dorfschmiede“ gegründet und einen so genannten Vermögenspool mit privaten Darlehen ins Leben gerufen.

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Wenn die Finanzierung klappt, dann soll im Gutensteinerhof tatsächlich so etwas wie ein Dorfzentrum entstehen: ein Gastro-Betrieb, ein Seminarzentrum, ein kleines Hotels, ein Co-Working-Space zum Mieten und ein Shop für regionale Produkte sollen Platz finden. Dazu ein Landwirtschaftsbetrieb für die Selbstversorgung. „Wer Verantwortung übernehmen und anpacken will, kann mitmachen“, sagt Theresa Steininger. Künftige Mitstreiter müssen aber nicht Wohnwagon-Mitarbeiter sein. „Für die Landwirtschaft und den Hotelbetrieb etwa suchen wir noch engagierte Leute.“

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Wohnen will die Gruppe aber langfristig nicht im Gasthaus, sondern in anderen Gebäuden: etwa einer leer stehenden Jahrhundertwende-Villa oder einem alten Bauernhaus. Bei vier Objekten ist die Wohnwagon-Truppe bereits in Verhandlung. Das ehemalige „Gesindehaus“ der Nagelproduktion wird schon zu einem Haus mit mehreren Wohnungen für die neu Zugezogenen umgebaut. „Ich bin sehr gerne hier. In zehn Minuten ist man in der Wildnis und wer will, holt sich die frische Milch beim Bauern am Berg“, schwärmt Steininger.

Im Dezember startet jedenfalls die Wohnwagon-Fertigung in der Produktionshalle. Pro Jahr stellen die Handwerker des Unternehmens rund 20 autarke Wohnwagen her. Das Praktische daran: Die jungen Dorfbewohner haben ihre Arbeitsplätze gleich mitgebracht.

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Und wie nehmen die Gutensteiner die Neuankömmlinge wahr? Gutenstein hat eine lange Tradition an „Sommerfrischler“. Schon um die Jahrhundertwende kamen die Wiener in Scharen, um die heißen Monate in den Bergen zu verbringen. Doch in den vergangenen Jahren ist Gutenstein eine klassische Abwanderungsgemeinde geworden. Derzeit hat der Ort nur mehr 1300 Einwohner.

Seit dem Antritt von Bürgermeister Michael Kreuzer, der 2015 die Wahlen mit einer Bürgerliste gewann, hat sich die triste Stimmung gedreht. Die traditionsreichen Raimund-Spiele wurden neu ausgerichtet, das Schwimmbad auf Trab gebracht und Ideen für ein Selbstversorger-Konzept mit Obst und Gemüse geschmiedet – alles mit Beteiligung der Bevölkerung. „Wir wollen die nachhaltigste Gemeinde Europas werden“, sagt Bürgermeister Kreuzer.

Bei diesem Ziel kommt die Truppe aus Wien mit ihren vielen Ideen gerade recht. „Bei der ersten Infoveranstaltung im Gutensteinerhof kamen mehr als 200 Einheimische“, sagt Kreuzer, „sie wurden sehr positiv aufgenommen. Es tut sich wieder was im Ort.“