Exklusiv und begehrt: Wohnen an der Wiener Countryside
Von Vanessa Haidvogl
Tennis spielen im Sommer, Eislaufen im Winter: Das Leben im Wiener Cottage bot seinen wohlhabenden Bewohnern schon Ende des 19. Jahrhundert viel Abwechslung in elitärer Gesellschaft und naturnaher Umgebung. Kein Wunder, dass dieses Viertel rund um den Türkenschanzpark von Beginn an Anziehungspunkt für Schauspieler, Literaten, Gelehrte und Industrielle war. Wenige haben ihr ganzes Leben hier gewohnt, viele nur für kurze Zeit. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten zählen Arthur Schnitzler, Theodor Herzl, Emmerich Kálmán, Johannes Heesters, Felix Salten oder Arik Brauer.
Wohnen im Grünen
Da das Wohnen im Grünen schon im 19. Jahrhundert ein großer Wunsch der Wiener Bevölkerung war, rief 1872 eine Initiative um den Architekten Heinrich von Ferstel den „Wiener Cottage Verein“ ins Leben. Das Ziel der Gruppe war ebenso einfach wie ambitioniert: Um der steten Wiener Wohnungsnot entgegenzuwirken und ein Leben nach dem Vorbild der britischen Gartenstädte zu ermöglichen, sollten zwischen Gymnasiumstraße, Haizingergasse, Sternwartestraße und Cottagegasse zunächst 50 Zwei- und Einfamilienhäuser, sogenannte Cottages, entstehen.
Die ersten Villen wurden in einfacher, gotisierender Form unter der Leitung von Architekt Carl von Borkowski, von dem auch die Parzellierungspläne stammen, errichtet und verkauft. Mit dem Ansteigen der Grundstückspreise wurden die Bauten immer größer und eleganter. Der zu Beginn dominante englische Baustil wurde später immer öfter vom französischen und italienischen Baustil abgelöst.
Ziel war es, das Wiener Bürgertum an das Familienhaus zu gewöhnen und gleichzeitig für die in den inneren Bezirken verschwindenden Gartengründe an der Peripherie Ersatz zu schaffen. Das Cottageviertel wurde als Antwort auf die Errichtung teurer Zinspaläste konzipiert.
Das Wiener Cottage wurde ein Erfolg. Und auch Vorbild für andere neue Wohngebiete der Stadt. So entstanden etwa das Pratercottage, ein Hietzinger Cottageviertel oder das „Beamtencottage“ in Lainz. Hier siedelten sich zahlreiche höhere Beamte an. Die großzügig angelegten Häuser der Siedlung wurden vom „Ersten Wiener-Beamten-Bau-Verein“ 1904 errichtet. Sogar im angrenzenden Perchtoldsdorf entwickelte sich ein solches Viertel mit repräsentativen Villen.
Ruhe in der Vorstadt
Wie kann man sich das Leben auf der „Wiener Countryside“ vorstellen? Werner Rosenberger beschreibt es in seinem Buch „Cottage“ (Metroverlag) sehr treffend: „Das Schnellste im Cottage sind die Jogger. Der Rest ist Slow City und der Charme der Bourgeoisie diskret. Ein Spaziergang durch Währing und Döbling führt durch ein Dorf in der Stadt, wo heute noch Ruhe und Gemütlichkeit wohnen.“
In dieses „Dorf“ rüttelte ab 1889 die Pferdebahn und ab 1907 verband die Straßenbahnlinie 40 das Cottage mit der Börse am Ring. Abgesehen von der Nähe zum Wienerwald, wo ausgedehnte Spaziergänge unternommen werden konnten, war es auch möglich, bei der sportlichen Ertüchtigung im eigenen Klubhaus unter sich zu bleiben. Der Cottage-Eislaufverein an der Ecke Gymnasium- und Hasenauerstraße, wo man im Sommer „Lawn-Tennis“ spielte, existiert allerdings heute nicht mehr.