Wirtschaft/Immo

Abenteuer Bauen: Gebraucht werden Zeit, Geld und gute Nerven

Das vorgesehene Budget reicht nicht mehr, da die Preise fürs Baumaterial beinahe wöchentlich steigen. Von der Schraube über Glas bis zum Holz – fast alles wird teurer, fallweise gar um mehr als 100 Prozent im Vergleich zu 2020. Doch selbst wer zahlungswillig und -fähig ist, bekommt nicht immer, was für den Bau dringend gebraucht wird. Massive Lieferverzögerungen – ob noch pandemiebedingt oder infolge des Krieges in der Ukraine – bringen den Zeitplan völlig durcheinander. Verfügbare Handwerker sind derzeit ebenso „Mangelware“ wie mancher Rohstoff, etwa Holz, Dämmstoffe oder schlichte Abdichtungen fürs Dach. Hinzu kommen die bereits merklich steigenden Zinsen für Wohnbaudarlehen, die eine zuvor gut überlegte Finanzierung obsolet machen.

Während die Baubranche vor allem über erhebliche Beschaffungsprobleme und fehlende Fachkräfte klagt, sehen sich die Häuslbauer mit kaum noch leistbaren Projekten, extrem erschwerter Planbarkeit und unzuverlässigen Kalkulationen konfrontiert. Die Welt des Bauens steht Kopf.

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Einfamilienhaus in Kittsee

Katharina und Lukas Leban aus Kittsee lassen sich dennoch nicht entmutigen. Der Großteil des Altbestands auf dem knapp 370 m2 großen Grundstück, welches das junge Paar von den Eltern bekommen hat, ist abgerissen. Der Spatenstich für den Neubau soll gleich nach der Absicherung der Keller der nebenstehenden Gebäude (geschlossene Bauweise) erfolgen.

Der Einreichplan ist durch, das Darlehen gewährt, der Baumeister startklar. „Immerhin haben wir den Kredit mit 1,35 Prozent Verzinsung auf 36,5 Jahre (davon 20 Jahre fix verzinst) noch rechtzeitig vor den jetzigen Erhöhungen unterschrieben“, sagt die 28-jährige Katharina. „Und unser Baumeister, der den Rohbau macht, hilft uns auch, was die Beschaffung der Baumaterialien für einige andere Gewerke betrifft. Er hat uns zum Beispiel geraten, das Dach jetzt schon zu bestellen. Das taten wir – und prompt ist es kurz danach erneut teurer geworden.“

Keine fixen Preise

Da in der Baubranche seitens der Dienstleister derzeit keine Fixpreisgarantien mehr abgegeben werden, hat das junge Paar mit ihrem Baumeister einen maximalen Preisrahmen festgelegt, um hinsichtlich der Preissteigerungen halbwegs abgesichert zu sein.

Die Errichtung ihres Einfamilienhauses haben Katharina und Lukas über ein Jahr lang gewissenhaft geplant. „Und da mussten wir schon aufgrund der stetigen Preiserhöhungen öfter umplanen“, erzählt Lukas, 31. „Allein die Fenster hätten rund 50.000 Euro ausgemacht.“ Ein Betrag, dem die Bank in ihrer strikten Budget-Vorgabenliste nicht zustimmt, ganz abgesehen von dem kaum leistbaren Betrag für diesen einen Teil des Neubaus. „Also werden es Kunststofffenster werden.“ Hoffentlich erfolgt die Lieferung rechtzeitig. Spätestens in eineinhalb Jahren muss jedenfalls das neue Domizil stehen. So wollen es nicht nur die Darlehnsgeber, sondern auch die Bauleute.

Lieferengpässe

Ähnliche Erfahrungen wie das Ehepaar aus Kittsee machen österreichweit nahezu alle Häuslbauer. Zu den Energie- und Materialteuerungen sowie Lieferproblemen kommt die allgemeine Inflation, die zuletzt schon bei rund sieben Prozent lag. Ein Umstand, der die Bewältigung des Alltags ohnehin erschwert, denn in den meisten Fällen hinken adäquate Einkommenserhöhungen deutlich nach. So bleibt Familien wie den Lebans trotz gleichem Arbeitseinsatz merkbar weniger Geld übrig als noch vor einem Jahr.

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Eine weitere finanzielle „Baustelle“ sind für viele die hohen Kraftstoffpreise, die sich in einer transportintensiven Branche wie der Bauwirtschaft empfindlich zu Buche schlagen. Als Summe all dieser Entwicklungen haben Anfang April viele Baustoffhersteller ihre Preise neuerlich um 15 bis 20 Prozent angehoben. In Deutschland wurde bereits ein Auftragsannahmestopp bis in den Herbst 2022 in die Wege geleitet. „Wenn nicht rasch effektive Gegenmaßnahmen ergriffen werden, droht bei vielen Projekten die Einstellung der Bautätigkeit“, konstatierte kürzlich etwa Anton Rieder, Vizepräsident der Tiroler Wirtschaftskammer, Innungsmeister des Tiroler Baugewerbes und Geschäftsführer von Rieder Bau.

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Renovierung im Waldviertel

Improvisation, Kreativität und unzählige Stunden an Arbeit sind notgedrungen der Lösungsansatz von Susanne Leitner und ihrer Zwillingsschwester Gabriele Ettenberger (Foto ganz oben), die im Waldviertel ein altes Gebäude renovieren. „Wir haben das Haus mithilfe einer kleinen Erbschaft erworben“, erzählt Susanne. „Die Renovierung sollte unser Covid-Projekt sein, Ende 2020 haben wir gestartet.“

Zunächst lief auch – trotz Corona – alles nach Plan, „doch ab dem Zeitpunkt, wo die Containerschiffe im Suezkanal stecken geblieben sind, wurde es mit Materiallieferungen schwierig“, so die 55-Jährige. Auf die zunehmend spürbaren Engpässe etwa bei Baustoffen für den Innenausbau, bei Rigipswänden und Material für Fassade folgten massive Preissteigerungen. Also zögerte sich die Renovierung weiter hinaus.

Selbst ist die Frau

Die aktuelle Situation beschreiben die Schwestern so: „Unser Baumeister macht keine Angebote mehr, da die Kosten nicht mehr planbar sind. Also sind wir im Stand-by-Modus. Wir nennen den Kostenrahmen für einen Teil des Umbaus, er stellt fest, was sich dafür beschaffen lässt, und sobald das Material da ist, wird so lange gearbeitet, bis das Budget aufgebraucht ist. Dann wird wieder angespart und so geht’s Schritt für Schritt weiter“.

Darüber hinaus hat das Zwillingspaar aus der Not eine Tugend gemacht und sich etliche handwerkliche Fähigkeiten angeeignet. „Da seit Monaten kein Maurer mehr aufzutreiben ist, stemmen wir selbst, machen die Löcher wieder zu, malen aus, renovieren Böden und restaurieren die alten Möbel.“ Demnächst steht das Projekt Fenster an: „Neue sind für uns nicht mehr finanzierbar. Also nehmen wir uns einen Monat Urlaub und sanieren sie selbst.“

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Neubau in Bruck an der Leitha

Mit der Finanzierung ihres Wohntraums kämpfen auch Martin Wittner und seine Freundin Sophie, die auf ihrem Grundstück im Bezirk Bruck an der Leitha ihr neues Zuhause errichten wollen. Der Spatenstich sollte Anfang Juni erfolgen, jetzt stellen vor allem die steigende Zinsen fürs Wohnbaudarlehen eine ernsthafte Hürde dar – trotz einem Viertel Eigenmittel für das Bauprojekt. „Leider haben wir nicht rechtzeitig unterschrieben, bedauert der 42-Jährige Global 2000-Mitarbeiter. „Inzwischen müssten wir zwei Prozent Effektivzinsen zahlen statt 1,25 Prozent vor ein paar Monaten. Das bedeutet für uns 300 Euro mehr Fixkosten im Monat.“

Arbeitsplatz für Imker

Das Bauprojekt soll nicht nur eine Wohnmöglichkeit schaffen, sondern auch die Basis für die berufliche Existenz sein. Für den Imker und die auf der Wiener Universität für Bodenkultur tätige Wildbienenexpertin sind neben dem Haus auch landwirtschaftliche Gebäude vorgesehen, wie etwa ein Honiglager und ein Stadel als Verarbeitungsraum. Das umweltbewusste Paar gibt jedenfalls nicht auf und möchte den Bau so ökologisch wie möglich gestalten – in Holzriegelbauweise, mit Strohballendämmung und Lehmputz für Innen. Die beiden letzteren Materialien sind immerhin kaum teurer geworden. Dafür alles andere.

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