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Architektur: Die neue Lust auf Holz

Fast die Hälfte Österreichs (konkret 47,9 Prozent) ist Wald. Kein Wunder, dass der Baustoff hierzulande Tradition hat – und ein Revival erlebt. Einer der Gründe: „Die technische Kompetenz der holzverarbeitenden Betriebe in Österreich ist international führend“, sagt Architekt Michael Fuchs. Mittlerweile gibt es sogar Hochhäuser aus Holz, wie das HoHo Wien in der Seestadt Aspern, das 24 Stockwerke in den Himmel ragt. Noch höher wird in Japan gebaut: der holzverarbeitende Betrieb Sumitomo Forestry plant einen 350 Meter hohen Turm, der zu 90 Prozent aus Holz besteht.

Doch was macht den Baustoff aus?

Zunächst erfordert ein Holzbau ein Umdenken in der Planung: „Ein Massivbau verzeiht Planungsfehler viel leichter. Wenn etwas schief läuft, verputzt man es neu und der Fall ist erledigt“, sagt Architekt Juri Troy. „Ein Holzbau hingegen muss von vornherein komplett durchgedacht sein. Jede Steckdose muss geplant sein.“ Die Planung eines Holzbaus dauert daher meist länger als bei einem klassischen Betonbau. „Holz ist ein dauerhafter Baustoff, wenn die tragenden Teile möglichst frei liegen und von der Umgebungsluft umspült werden. Die im Moment aus optischen Gründen sehr oft ausgeführten Sandwich-Lösungen mit vielen Schichten und Folien können gefährlich sein, weil mögliche Probleme mit Feuchtigkeit erst auffallen, wenn es bereits zu spät ist“, sagt Michael Fuchs.

Feuchtigkeit ist die große Herausforderung beim Bauen mit Holz.

„Kleine Undichtigkeiten oder Probleme mit Kondenswasser können jedes Gebäude in die Knie zwingen“, so Fuchs. „Entscheidend ist, gut zu planen und die Arbeiten sorgfältig auszuführen. Der Zimmermann ist der entscheidende Faktor und der Planer ist gut beraten, wenn die ausführende Zimmerei möglichst früh in die technische Entscheidungsfindung miteinbezogen wird.“ Auch was den Brandschutz betrifft – das zweite wichtige Thema im Holzbau – hat sich einiges getan. Brandschutzbestimmungen wurden überarbeitet und es zeigt sich, dass sachgemäß verarbeitetes Holz nicht mehr oder weniger entflammbar ist als andere Baustoffe.

Generell hat Holz als Material optische, haptische, akustische und olfaktorische Vorteile. Fuchs: „Die Summe dieser Eigenschaften vermittelt Behaglichkeit“. Bei unbehandeltem Holz kommt die „Würde des Alterns“ hinzu: „Die Holzfarbe ist so spannend, weil sie einer Veränderung unterliegt“, sagt Architekt Peter Reitmayr. Außerdem ist die gute ökologische Bilanz von Holz mit keinem anderen Baustoff vergleichbar. „Ein Kubikmeter Holz speichert eine Tonne “, so Herbert Niederfriniger, Gründer von holzius.

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m3-ZT und holzius bauten Familienhaus am Wolfgangsee: Wenn die Häuslbauer drei Brüder sind, die die meiste Zeit ihrer Kindheit in der Natur und den angrenzenden Wäldern verbrachten, dann liegt es auf der Hand, welches Haus sie bauen: ein Holzhaus. Gemeinsam gehört Christoph, Matthias und Stefan Mösl das Unternehmen m3-ZT, das auf Architektur, Bauabwicklung und Statik spezialisiert ist. Für Stefan und seine Familie planten die drei in Abersee am Wolfgangsee ein Familienhaus aus Vollholz auf vier Ebenen. Für Bauherr Stefan Mösl lag der Fokus auf „dem Einsatz vorhandener Ressourcen und wiederverwertbarer Baumaterialien, der Minimierung des Energieverbrauchs und dem  Bewahren der Umwelt." Gebaut hat das Einfamilienhaus das Südtiroler Unternehmen holzius , das auf leim- und metallfreie Vollholzelemente spezialisiert ist. Seit 2005 realisierte  der Holzbauspezialist mehr als 60 Projekte – angefangen von Aufstockungen bis hin zu komplexen mehrgeschoßigen Vollholzhäusern. Derzeitiges Aushängeschild ist das in Bau befindliche „Max Acht“ in Stuttgart, ein mehrgeschoßiger Wohnbau aus Vollholz. holzius-Gründer Herbert Niederfriniger: „Max Acht ist -neutral erbaut. Eine derart gute Co2-Bilanz schafft man nur mit Holz.“ Das Holz für die holzius-Häuser stammt ausschließlich aus dem Alpenraum, vorwiegend wird Fichte verwendet. Es werden keine Folien oder Dampfsperren in den Wandelementen verbaut. Die Dämmung erfolgt mit ökologischen Materialien wie Zellulose, Hanfwolle oder Kork.  

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Architekt Helmut Dietrich (Dietrich Untertrifaller Architektur) ist einer der Pioniere im Holzbau.

KURIER: Herr Dietrich, in den vergangenen Jahren gab es unglaublich viele neue Projekte im Holzbau. Woran liegt das? Der Holzbau war über Jahrzehnte unterbewertet. Das ändert sich derzeit rasant. Die Technik  hat sich schnell entwickelt, schneller als bei anderen Baustoffen. Weltweit gibt es viele Forschungsprojekte darüber. Verleimte Platten aus Massivholz machen den Holzbau einfacher. Und die sogenannte Baubuche hat heute eine Festigkeit wie Stahl. Dazu kommen die enormen ökologischen Vorteile. Holz speichert Kohlendioxid, ist regional verfügbar und hat einen Vorteil in der Entsorgung, weil es ein Energieträger ist und einfach verbrannt werden kann.

Apropos Brennbarkeit: Ist Holz leichter entflammbar als andere Baumaterialien und deshalb gefährlicher für die Bewohner? Jahrhundertelang gab es diese Angst. Damals gab es allerdings auch keine Brandschutzmaßnahmen. In den vergangenen Jahren hat eine Neubewertung der Sicherheitsthemen im Holzbau stattgefunden. Man hat verstanden, dass die Gefahr  nicht nur von brennbaren Baustoffen herrührt. Außerdem waren all die großen Brandkatastrophen der letzten Jahre wie etwa das Wohnhochhaus Grenfell in London keine Holzbauten.

Sie lehren auch an der Universität: Braucht es vonseiten der Architekten spezielles Wissen, um ein Holzhaus zu kreieren?
Von der Planungsseite her braucht es etwas mehr Kompetenz als bei konventionellen Bauten. Im Holzbau ist die Kommunikation zwischen den verschiedenen Mitwirkenden wie den Architekten und ausführenden Unternehmen enorm wichtig. Viele scheuen sich davor. Lange waren gute Ausbildungsmöglichkeiten  ein Problem. Auch das hat sich geändert. Die Ausbildung ist heute sehr gut.
 
Ist ein Holzbau teurer als ein Massivbau? Hier werden leider oft Äpfel mit Birnen verglichen. Ein billiger  Massivbau mit Kunststofffenster, Styropor ohne Ende und Pestizide im Putz ist günstiger als ein Holzbau. Allerdings kommt mit dieser Bauweise, vor allem in der Entsorgung, Kosten auf uns zu. Die Kosten wären aber gleich, würde man einen ordentlichen Massivbau mit einem Holzbau vergleichen.

Ihr Architekturbüro Dietrich Untertrifaller plant auch viele internationale Projekte. Etwa den größten Holzbau Europas, ein riesiges Sportcenter im Olympiapark in München. Ist Österreich im Holzbau führend? Ja. Die Entwicklung begann in den 1970er Jahren in Vorarlberg. Heute sind Österreich, die Schweiz, Norditalien und Süddeutschland Vorreiter. In vielen Teilen Europas werden Holzbauten gewünscht. Allerdings fehlt oft das Know-how dafür. Das sehen wir etwa in Frankreich, wo wir in der Bretagne ein College für 820 Studenten planten.

Wird sich der Holzbau noch weiter durchsetzen?
Ja. Vor allem im städtischen Raum. Der Holzbau sollte in die Breite gehen, vor allem in vier- bis sechsgeschoßigen Wohnbau eingesetzt werden. Der Bau eines Holzhauses geht sehr schnell, da die wesentlichen Teile vorproduziert werden. Drei Geschoße sind in rund drei Wochen montiert. Im Gegensatz dazu bedeutet eine normale Baustelle im Massivbau monatelange Belastung mit Staub und Lärm für die Nachbarn.

Warum gibt es im Vergleich zum Gesamtvolumen dann noch so wenig Wohnhäuser aus Holz?
Das Know-how und die Mittel wären vorhanden. Leider ist es aufgrund der Strukturierung des Wohnbaus derzeit schwierig, Holzbauten umzusetzen. Viele Bauträger sagen, sie bauen so wie sie es immer getan haben.