Bauträger Ulreich: „Bauordnungsnovelle verhindert Klimaschutz“
Von Nicole Zametter
KURIER: Herr Ulreich, warum ist es wichtig, den innerstädtischen Bestand zu erhalten?
Hans Jörg Ulreich: Der Neubau ist massiv eingebrochen. Jetzt wäre es an der Zeit für die Sanierung. Dadurch lässt sich Wohnraum schaffen, ohne weiter zu versiegeln. Eine Studie der Arbeiterkammer besagt, dass 130.000 Wohnungen auf bereits bestehenden Gemeindebauten möglich sind. Dazu kommen 65.000 bei den gemeinnützigen Wohnbauten und weitere 30.000 Gründerzeithäuser in Wien, wovon vielleicht erst 5.000 ausgebaut sind. Da ist unglaublich viel Potenzial für Wohnraum schon vorhanden. Dazu muss man keine Grünfläche bebauen.
Warum stagnieren die Altbausanierungen in Wien? Woran scheitert es konkret?
Durch die bevorstehende Bauordnungsnovelle werden Sanierungen quasi unmöglich gemacht. Jeder Altbau wird zur Schutzzone. In Wien steht das aktuelle Stadtbild über dem Zukünftigen. Man darf dann weder abreißen noch mehrstöckig aufbauen. Die Auflagen, die zu erfüllen sind – Fassaden, Dämmung, Heizungstausch, Begrünung – sind enorm kostspielig. Bisher gab es mit einem bis zu dreistöckigen Dachgeschoßausbau eine lukrative Finanzierungsmöglichkeit für Sanierungen. So ein Aufbau wird aber ab Dezember verboten, damit fällt ein grundlegender Anreiz weg, bei Bauträgern wie Privatpersonen.
Warum ist eine Sanierung von Altbaubestand nur mit einem Dachgeschoß-Ausbau finanzierbar?
Die Sanierung eines Altbaus kostet bis zum Doppelten eines Neubaus. Man weiß ja zudem vorher nicht, was alles auf einen zukommt. Wie gut der Zustand der Holzdecken ist oder dergleichen. Vieles muss ausgetauscht werden, die Häuser müssen barrierefrei werden. Aber die hohen Ausgaben lassen sich mit nur einem zusätzlichen Stockwerk, das ich marktüblichen vermieten kann, nicht wieder reinbringen.
Es gibt zahlreiche Förderungen von Bund und Ländern. Was wäre nötig, um die Sanierungsrate in Altbauten anzukurbeln und Sanierungen zu erleichtern?
Zum einen müssten diese Förderungen unbürokratischer werden. Die Auflagen sind so kompliziert und ständig kommen neue Fallen dazu. Ich mache das seit dreißig Jahren und bin überfordert. Wie soll da ein privater Hausbesitzer durchblicken, der einmal in seinem Leben saniert?
Zudem gibt es zwei mächtige Hebel, die man betätigen könnte: Einerseits ein neues Mietrecht, das eine kostendeckende Vermietung erlaubt – das ist ein Bundesthema. Also marktübliche Vermietung im Altbau ermöglichen, aber nur in topsanierten Niedrigenergie-Häusern bei Neuvermietung. Das wäre ein wichtiger Anreiz. Und andererseits muss es erlaubt bleiben, mehrstöckig aufzubauen. Denn nur damit können wir auch unsere Klimaziele erreichen.
Aber die Devise lautet doch jetzt: Unten ist das neue Oben. Wie können Dachgeschoß-Ausbauten zum Klimaschutz beitragen?
Durch Dachgeschoß-Ausbauten kann man die Nutzfläche verdoppeln und trotzdem CO2 reduzieren. Es gibt gewaltiges Potenzial, innerstädtisch zu bauen, ohne weiter versiegeln zu müssen. Das heißt, wir nutzen die Bauflächen, die schon da sind. Wo die U-Bahn nicht erst gebaut werden muss. Keine Schulen und andere Infrastruktur notwendig ist, weil alles da ist. Durch das Begrünen der Dächer und Fassaden schaffen wir zudem Flächen, die das Wasser zirkulieren lassen und zugleich die Häuser kühlen. Alte Aufbauten sind meist problematisch, aber Dachausbau ist heute eine Hightech-Wissenschaft. Dazu wird auch kontinuierlich geforscht.
Die teure Dachgeschoßwohnung kann sich schon jetzt kein Normalverdiener leisten. Diese Wohnungen sind dann nur für wenige.
Aber die Luxuswohnungen oben verbessern automatisch die Wohnungen darunter. Das ist das Schöne. Das ganze Haus und alle Bewohner profitieren davon. Anstelle von Gettoisierung schaffen wir außerdem eine soziale Durchmischung. Grätzel, in denen der Migrantenanteil enorm hoch ist, werden so durchmischt und die Stadt wird lebenswerter.
Wenn diese Sanierungen scheitern oder nicht durchgeführt werden: Was bedeutet das für die Zukunft infrastrukturell? Welche Auswirkungen wird das haben?
Dann werden die enormen Strafzahlungen, die wir an die EU wegen verfehlter Klimaziele zu leisten haben, nicht unser größtes Problem sein. Die Menschen werden im Winter von den Heizkosten erschlagen und im Sommer vor lauter Hitze nicht gut leben können. Gerade für alte Menschen ist der Park um die Ecke keine Lösung. So weit kommen die in der Hitze gar nicht. Es braucht dann begrünte und sanierte Häuser, damit die Lebensqualität für alle in der Stadt verbessert wird.