Ikone in Nöten: Wegen Umbau gestörter Verkauf
Wenn Warren Buffett die Geduld verliert, sollten die Alarmglocken schrillen. Der US-Starinvestor hat sonst einen sehr langen Atem bei seinen Aktien. Vor Kurzem hat’s ihm aber gereicht: Er hat seinen 2011 um 13 Milliarden Dollar gekauften IBM-Besitz um gut ein Drittel reduziert. "Ich bewerte IBM heute anders als vor sechs Jahren", erklärte Buffett seinen viel beachteten Schritt.
Und das Orakel von Omaha scheint recht zu behalten. Am Mittwoch legte der US-Computerriese IBM seine Zahlen fürs zweite Quartal vor – und die fallen deprimierend aus. Seit 21 Quartalen in Folge sind die Verkäufe im Jahresabstand nur gefallen. Von April bis Juni standen 19,3 Mrd. Dollar Umsatz zu Buche (–5 Prozent). Der Überschuss ist ebenfalls gesunken, auf 2,3 Mrd. Dollar (–7 Prozent).
Muss man sich Sorgen machen um die Industrieikone? Ähnlich wie Kodak für Fotografie oder Xerox für Kopierer war IBM ab den 1950ern und 1960ern praktisch ein Synonym für das aufkeimende Computerzeitalter.
Services statt Hardware
Das Schrumpfen von "Big Blue" (IBM-Spitzname) hat einen Grund. Als Virginia "Ginni" Rometty 2012 in den Chefsessel kletterte, hatte sich das Unternehmen längst von jenem Geschäftsfeld verabschiedet, mit dem es groß geworden war. Die PC-Sparte wurde 2005 an die chinesischen Computerbauer Lenovo verkauft.
Datenwolke
Ein Anwender muss heute keinen Computer mit aufwändiger Software vor sich stehen haben – er bezieht die Programme oder Rechenkapazität, die er gerade benötigt, über sein Smartphone oder Tablet aus der "Cloud", einem zentralen Rechenzentrum. IBM habe soeben Geschäftskunden wie die Großbank Lloyd oder American Airlines für seine Cloud-Lösung gewonnen, sagte IBM-Finanzchef Martin Schroeter.
Das Problem: Die Konkurrenz schläft nicht – Amazon, Microsoft oder Salesforce, Google und Alibaba sowie Anbieter wie SAP und Oracle drängen alle in dieses Geschäft.
Blockchain
Das Wort taucht am häufigsten bei virtuellen Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum auf. Deren Kurse sind in den vergangenen Tagen wieder einmal gecrasht, die Blockchain-Technologie kann aber mehr. Am einfachsten lässt sie sich als dezentrales Register beschreiben – quasi ein Notizbuch, das keinem alleine gehört, das nie etwas vergisst, an dem aber alle User mitschreiben.
Die Finanzbranche verspricht sich davon neue Geschäftsmodelle. IBM setzt damit für sieben europäische Großbanken in Europa KMU-Finanzierungsmodelle und für australische Versicherer Leasing-Konzepte um.
Schlauer Dr. Watson
Die Künstliche Intelligenz ist bei IBM nach dem legendären Firmenchef Thomas J. Watson benannt. Zum Einsatz kommt Watson zur Analyse von Krebsfällen in Lateinamerika und China, sagte Schroeter.
Womit sich der Kreis schließt: IBM-Urahn Herman Hollerith (1860–1929) hatte seine Lochkartenmaschine entwickelt, um Krankheitsfälle statistisch zu erfassen. Woraus über Umwege 1924 die International Business Machines Corp. (IBM) wurde.
Heute zählen Firmen wie Honda oder Vodafone zu den Watson-Kunden. Analysten bezweifeln, dass sich damit rasche Gewinne einstellen.
Datenanalysen
Auch Privatkunden können von der Expertise im Auswerten großer Datenmengen profitieren: IBM-Tochter Weather Company liefert künftig Wetterdaten für Samsung-Handys.
Sicherheitstechnologie
Steigende Umsätze verspricht sich der Computerriese im zweiten Halbjahr von den soeben vorgestellten neuen IBM Z-Großrechnern. Die sollen große Datenmengen erstmals jederzeit, komplett und ohne Zeitverlust verschlüsseln können.
Anleger verlieren Geduld
Fazit: Sorgen sind zwar nicht angebracht, die Anleger verlieren aber ihre Geduld. Während das alte Hardware- und Software-Business weiter schrumpft, sind nämlich die doppelstelligen Wachstumsraten im neuen Kerngeschäft auch dahin.
Die IBM-Aktie lag am Mittwoch gut vier Prozent im Minus. Am Ausblick fürs Gesamtjahr hält IBM dennoch vorerst noch fest.