Wirtschaft

Ifo-Chef rechnet mit langfristig sinkenden Energiepreisen

Das deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo rechnet langfristig mit sinkenden Energiepreisen. Künftig werde Russland sein Gas und Öl an andere verkaufen, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest dem "Tagesspiegel" (Montag). Diese Staaten kauften wiederum weniger Gas aus anderen Quellen. "Das fließt dann nach Europa." Der Ukraine-Krieg habe die Energieversorgung weltweit gesehen wenig verändert. Allerdings sei der Umbau der Infrastruktur teuer.

Der Ökonom sprach sich auch dafür aus, der Wirtschaft wegen der Energiekrise zu helfen. "Zumindest bei Liquiditätshilfen und Bürgschaften muss das Angebot groß sein, aber das heißt nicht, dass es voll in Anspruch genommen wird."

Hilfe im Notfall in Anspruch nehmen

Der Sinn von Rettungsschirmen bestehe in erster Linie darin, Banken und Kapitalmärkte im Geschäft zu halten. Wenn sie wüssten, dass ihre Kunden nicht illiquide würden, würden sie selbst weiter Kredite vergeben. Die Hilfen sollten nur in Anspruch genommen werden, wenn es nicht mehr anders gehe. "Und ich denke, das wird seltener der Fall sein als bei Corona." Das Ifo-Institut stellt am Montag seine Konjunkturprognose vor. Fuest geht nach eigenen Worten davon aus, dass Deutschland im Winter in die Rezession rutscht.

4 Prozent Zinsen

Wegen der hohen Inflation rechnet das Institut mit weiteren Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie dürfte ihn von aktuell 1,25 auf 4,0 Prozent heraufsetzen, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser am Montag in Berlin bei der Vorstellung der neuen Wirtschaftsprognosen der Forscher. Angesichts einer erwarteten Teuerungsrate von 8 oder 9 Prozent bliebe dann aber immer noch ein negativer Realzins übrig, der die Konjunktur unterstütze.

"Es ist nach wie vor günstig, einen Kredit aufzunehmen", sagte Wollmershäuse. "Aber es ist nicht mehr ganz so günstig, wie das bisher war." Die EZB hatte am vergangenen Donnerstag die bisher größte Zinsanhebung seit Einführung des Euro-Bargelds im Jahr 2002 beschlossen. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde hoben den Leitzins außerordentlich kräftig um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent an. Zugleich stellten sie weitere Zinsanhebungen in Aussicht. "Ich gehe davon aus, dass weitere Zinsschritte kommen", sagte Wollmershäuser.

Angetrieben vom Energiepreisschub infolge des Ukraine-Kriegs war die Inflationsrate im Euroraum zuletzt auf ein Rekordniveau von 9,1 Prozent geklettert. Die EZB strebt eigentlich zwei Prozent an. Sie befürchtet, dass die langfristigen Inflationserwartungen allmählich aus dem Ruder laufen könnten. Denn sollte sich der Preisschub erst einmal in den Köpfen festsetzen, dürfte es für die EZB noch viel schwieriger werden, den Inflationsauftrieb einzudämmen.