Wirtschaft

Güterverkehr: Bahn hat verloren

Die Aufregung war groß: Die Ankündigung von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, dass die Gigaliner genannten Riesen-Lkw künftig auch grenzüberschreitend zwischen zwei EU-Staaten fahren dürfen, sorgte vor knapp zwei Wochen für heftige Diskussionen vor allem im Transitland Österreich.

Wegen der geografischen Lage steige dadurch – fürchtet Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) – der Druck auf Österreich, die bis zu 25 Meter langen und 60 Tonnen schweren Monster-Trucks ebenfalls zuzulassen. Das würde einerseits die Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene torpedieren. Und Güterbahnen in ganz Europa gefährden, weil der sogenannte Kombinierte Verkehr Straße/Schiene (Transport von Lkw und Containern auf langen Strecken auf Zügen) dadurch massiv an Bedeutung verliere.

Auf Österreich käme außerdem ein gewaltiger Kostenschub zu: Der Umbau von Brücken und Tunnels für den Einsatz der schweren Lkw-Riesen verschlingt laut Berechnungen des Autobahnbetreibers Asfinag rund 5,4 Milliarden Euro.

Die Gefahr, dass die Gigaliner schon bald quer durch Österreich von einem EU-Nachbarn zum nächsten rollen, ist derzeit freilich noch relativ gering. Zugelassen sind die Monstertrucks bisher nur in Schweden, Finnland und den Niederlanden. In Dänemark und in sieben deutschen Bundesländern laufen Versuche. Und grenzüberschreitende Fahrten sind an die Zustimmung beider Länder gebunden.

Bilder: Neun Thesen von Verkehrsguru Hermann Knoflacher

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Überholspur Straße

Die Bahn scheint freilich den Wettlauf im Güterverkehr gegen die Straße auch ohne den Einsatz der Gigaliner längst verloren zu haben. 2010 etwa sank der Anteil der Schiene in den 27 EU-Ländern auf nur noch magere 16 Prozent. Auf der Straße wurden bereits 73 Prozent aller Güter befördert. Und der Bahnanteil schrumpft stetig: Im Jahr 2000 hatte er noch 18 Prozent ausgemacht, 1995 waren es gar noch 20 Prozent gewesen. Praktisch gleich geblieben ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Bedeutung der Binnen-Schifffahrt für den Güterverkehr mit etwa 6 Prozent.

Österreich ist innerhalb der EU ein Musterland. Zwar dürfte der Anteil der Schiene – unter anderem wegen des Konjunktureinbruchs und wegen des geringeren Angebots der ÖBB im Zuge der Einsparungen – im Vorjahr leicht gesunken sein. Dennoch rangiert Österreich mit rund einem Drittel Schiene am gesamten Güterverkehr hinter dem Baltenstaat Lettland auf Platz zwei. Zum Vergleich: Der große Nachbar Deutschland bringt es mittlerweile nicht einmal auf 20 Prozent Bahnanteil.

Wegekosten

Die Gründe für den Rückgang des Schienenanteils sind vielfältig. Die Bahn-Fans führen sie zu einem Gutteil darauf zurück, dass der Straßenverkehr zu billig käme. Selbst die in nicht allen EU-Staaten geltende Lkw-Maut decke nicht die Kosten der von den Brummern verursachten Schäden. Außerdem gelte sie meist nicht flächendeckend, sondern nur im hochrangigen Straßennetz.

Lkw-Fans geben vor allem der geringen Attraktivität der Bahn, vor allem was Flexibilität und Pünktlichkeit anlangt, die Schuld. Ein wesentlicher Grund für die schrumpfenden Bahntransporte sind – so die Meinung etlicher Experten – die Bahngesellschaften selbst. Denn die großen Bahnen in Europa seien an der Liberalisierung nur interessiert, weil sie dadurch auf einen leichteren Zugang zu Märkten in anderen Ländern hoffen. Ein echter Wettbewerb auf der Schiene würde durch einen zu großen Einfluss der Bahnen auf das Schienennetz behindert. Über Holding-Lösungen wie in Deutschland oder Österreich – an deren Abschaffung die EU bisher scheiterte – würden die Bahnen zu viel bei der Politik im Schienennetz mitbestimmen.

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Immer mehr heimische Frächter gehen fremd und melden ihre Lkw in einem osteuropäischen Land an. "Von 55.000 Lkw in Österreich sind bereits 11.000 ausgeflaggt unterwegs", berichtet Albert Moder, Obmann der Transporteure in der steirischen Wirtschaftskammer (WKO). Durch diese "Schwarzen Schafe" in der Branche entgingen dem Staat Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen von 380 bis 642 Millionen Euro jährlich.

Da diese Lkw mit ausländischen Fahrern unterwegs sind, sieht die Gewerkschaft Tausende heimische Arbeitsplätze in Gefahr und warnt vor "rollenden Bomben" wegen der teilweise mangelhaften Qualifikationen der Fahrer. Die wichtigsten Gründe für Unternehmen nach Ungarn, die Slowakei oder Rumänien auszuflaggen, sind Lohn- und Lohnnebenkosten und steuerliche Vorteile etwa beim Sprit.

Wirtschaftskammer und Gewerkschaft fordern Gesetzesänderungen, damit Arbeitsinspektorate und Finanzpolizei auch ausländische Fahrer überprüfen können. Auch eine "schwarze Liste" mit den Namen der Frächter können sich die Interessensvertreter vorstellen.