Wirtschaft

Weitere Euros nach Athen

Die EU-Wahlen sind geschlagen, unpopuläre Themen dürfen wieder angesprochen werden. Etwa neuerliche Finanzhilfen für Griechenland: Im November 2012 hatten die Euro-Partnerländer dem Krisenland versprochen, es könne einen Nachlass bei den Hilfskrediten erwarten – vorausgesetzt, die Regierung erzielt einen Budgetüberschuss (ohne Schuldentilgung und Zinszahlungen, Story unten). Das hat Athen 2013 geschafft, wie die EU-Statistikbehörde Eurostat Ende April bestätigt hat.Um das Entgegenkommen der Kreditgeber ist es dennoch still geworden. Dafür, dass das Versprechen nicht in Vergessenheit gerät, sorgt allerdings der Internationale Währungsfonds (IWF): Er pocht – zuletzt vor drei Tagen – auf eine Zinssenkung oder einen Schuldenschnitt bei den staatlichen Hilfskrediten der Euroländer. Schon jetzt ist nämlich absehbar, dass es sonst eng wird auf dem Schuldenpfad: Bis 2022 muss die griechische Verschuldung deutlich unter 110 Prozent des BIP liegen. Das hat der IWF seinen eigenen Geldgebern zugesichert. Ende 2013 betrugen die Staatsschulden 175 Prozent.

Immerhin, einige Hoffnungsschimmer gibt es: Der Tourismus läuft gut, der Ägäisstaat darf erstmals seit 2007 ein kleines Wirtschaftswachstum erwarten. Im April konnten die Griechen den Kreditmarkt anzapfen und sich so drei Milliarden Euro besorgen. Das hatte allerdings eher Symbolcharakter. Ob sich der Staat auf Dauer selbstständig über den Markt finanzieren könnte, ist fraglich. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble schließt nicht aus, dass es noch ein drittes Hilfspaket braucht. Dabei gehe es aber um eine deutlich niedrigere Summe als bei den ersten beiden Programmen – "eher um einen einstelligen Milliardenbetrag", sagte er soeben im Interview mit dem Magazin Focus.

Bisher hat Athen zwei Rettungspakete im Wert von 237 Milliarden Euro und einen Schuldennachlass von Banken, Fonds und Versicherern erhalten. Dass die Eurostaaten einen Teil ihrer Kredite nachlassen, ist unwahrscheinlich: Dann müssten sie selbst die Ausfälle verbuchen. Wahrscheinlich werden die Laufzeiten erneut verlängert und die Zinsen nahe null gesenkt. Das Problem dabei: So würde nur der laufende Haushalt der Griechen entlastet, der Schuldenberg bliebe gleich hoch wie vorher.

Strittige Steuerpläne

Anders als der IWF haben die Euroländer keine Eile. Womöglich wird sogar der EZB-Bankenstresstest abgewartet, dessen Ergebnis im Oktober vorliegt. Bis dahin ist Streit programmiert. Der konservative Premier Antonis Samaras ist durch den EU-Wahlsieg der Linkspartei Syriza unter Druck. Berichten zufolge will er die 2011 eingeführte Solidaritätsabgabe kippen und die Mehrwertsteuer senken. Die Kreditgeber werden das nicht goutieren. Athen müsse seine Steuern effizienter eintreiben, hat IWF-Vize Naoyuki Shinohara erst am Freitag verlangt.

Es klingt wie eine Horrormeldung: 2013 betrug Griechenlands Budgetdefizit 12,7 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP). Da spart das Land jahrelang – und am Ende ist das Minus im Staatshaushalt größer denn je? Die Erklärung für den Wirrwarr: EU und IWF schauen auf den Primärüberschuss, der die Zinsen für den Schuldenberg und Einmalkosten für die Bankenrettung (10,8 Prozent des BIP allein im Jahr 2013!) ausklammert. So kommt ein Plus von 1,5 Milliarden Euro oder 0,8 Prozent des BIP zustande – was weit über den Zielvorgaben der Troika liegt. Die EU sieht folglich „beachtliche Fortschritte bei der Sanierung seit 2010“. Kritiker wie Wirtschaftsforscher Hans-Werner Sinn sprechen von „Schönfärberei“.