Wirtschaft

Griechenland: Der Teufel steckt im Detail

Zur griechischen Schuldentragödie sind schon viele beschwichtigende, aufgeregte, zornige, beleidigte und beleidigende Worte gefallen. Widersprüchliche Meldungen kommen jeden Tag.

So hieß es am Dienstag in EU-Kreisen, Athen werde den Euro-Finanzministern am Donnerstag eine neue Reformliste vorlegen. Finanzminister Varoufakis will davon nichts wissen. Gut zwei Drittel der Griechen wollen den Euro behalten – und erwarten, dass Athen letztlich einlenkt. Eventuell bei einem für das Wochenende kolportierten Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs.

Zuvor ist am Mittwoch Kanzler Faymann in Athen am Zug. Woran hakt es? Der KURIER listet die Positionen auf – die Unterschiede scheinen überwindbar. Sind sie einen Grexit wert?

Schulden

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Griechenland hat 300 Milliarden Euro Schulden, das sind 180 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP). Finanzminister Yanis Varoufakis fordert, dass ein Teil der Schulden erlassen und die Rückzahlungsfristen noch weiter gestreckt werden. Das würde die europäischen Steuerzahler treffen, nachdem 2012 private Investoren bereits 107 Milliarden Euro nachgelassen hatten. Heikel ist besonders die Rückzahlung von Staatsanleihen an die Europäische ZentralbankVaroufakis will, dass diese der Eurorettungsschirm ESM übernimmt.
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Die Geldgeber sind in der Frage gespalten: Der Internationale Währungsfonds drängt darauf, dass die Europäer einen Schuldenschnitt akzeptieren. Das hieße, die 18 Länder, die den Griechen Geld geborgt haben, müssten einen Großteil davon sofort in den Wind schreiben. Das wäre politisch irrwitzig und ökonomisch sinnlos, heißt es in Brüssel: Die Hilfskredite seien ohnehin auf so lange Zeit erstreckt und so günstig, dass Griechenland derzeit effektiv sogar weniger Zinsen auf die Staatsschulden zahlt als Österreich.

Pensionen

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Pensionskürzungen seien „unverhandelbar“, heißt es in Athen. 45 Prozent der Pensionisten lägen unter der Armutsschwelle von 665 Euro. Allerdings gibt es auch sehr hohe Pensionen, womit der Durchschnitt auf deutschem Niveau liegt. Frühpensionen unter 62 Jahren soll es künftig nicht mehr geben. Das Antrittsalter der Beamten soll bis 2026 von 56,3 auf 65,7 Jahre und jenes der Privatangestellten von 60,6 auf 65,3 Jahre steigen. Kräftige Pensionskürzungen aus dem Jahr 2012 hat das Oberste Gericht soeben gekippt.
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Kürzungen der Renten würden überhaupt nicht verlangt, schon gar nicht bei Mindestpensionen, beteuert die Kommission. Athen müsse es aber schaffen, hier ein Prozent des BIP einzusparen– das könne auch durch ein späteres Antrittsalter oder Eindämmen von Frühpensionen sein. Das müsste aber 1,8 Mrd. Euro einbringen – derzeit lägen nur Vorschläge über 71 Millionen Euro auf dem Tisch, etwa 0,4 Prozent des BIP. Ohne Einschnitte sei das Pensionssystem auf Dauer nicht tragbar: Es gehöre zu den teuersten in Europa.

Budgetsanierung

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In Summe liegen die Positionen derzeit nur noch um zwei Milliarden Euro auseinander. Die Rechnung ist einfach: Je mehr jährlicher Überschuss (ohne Zinsen) den Griechen abverlangt wird, umso schärfer muss der Sparkurs ausfallen. Bisher wollte die Syriza-Regierung maximal 0,6 Prozent Überschuss für heuer und 1,5 Prozent für 2016 akzeptieren. Jetzt scheint eine Einigung in greifbarer Nähe. Angeblich hat die Regierung die Vorgabe der Geldgeber von einem Prozent Überschuss im laufenden Haushaltsjahr akzeptiert.
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Hier haben die Kreditgeber am stärksten eingelenkt: Laut früheren Vorgaben hätten die Einnahmen heuer ganze 3 Prozent und 2016 sogar um 4,5 Prozent über den Ausgaben liegen sollen. Jetzt gibt man sich mit 1 Prozent Überschuss und 3,5 Prozent im Jahr 2018 zufrieden. Viel Sparpotenzial gäbe es bei den Militärausgaben – gemessen am BIP die zweithöchsten in Europa nach den Briten. Das sei aber Sache der Regierung. Dass diese im März eine halbe Milliarde für die Reparatur von Kampffliegern abgesegnet hat, sorgte für Kopfschütteln.

Steuern

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Für Medikamente, Bücher, Theater soll der Mehrwertsteuersatz nur 6 Prozent betragen, 11 Prozent sollen für Energie, Hotels, Lebensmittel und Wasser anfallen. Kräftiger abkassieren will die Regierung dafür bei den Reichen – mit Steuern auf die Gewinne von Großkonzernen, einer Luxussteuer sowie Lizenzen für TV-Sender und einer Abgabe auf TV-Werbung. Eine Anhebung der günstigeren Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, Strom und Wasser würde die Ärmsten treffen und ist für die radikal linke Syriza-Partei ein rotes Tuch.
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Als Hauptproblem sehen die Geldgeber, dass die Mehrwertsteuer oft gar nicht gezahlt wird. Die Eintreibung müsse massiv verbessert werden. Helfen soll dabei ein vereinfachtes Mehrwertsteuersystem. Darin soll der niedrigste Satz von 6 Prozent zur Gänze fallen. Ein reduzierter Satz von 11 Prozent würde nur noch für Grundnahrungsmittel, Medikamente, Restaurants und Hotels gelten. Für alles andere (inklusive Strom) würden die vollen 23 Prozent fällig. Zu Anpassungen sei man bereit, solange die Endsumme stimmt.

Privatisierungen

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Mittlerweile hat die Regierung beim Verkauf von Staatsbesitz – außer bei der Stromgesellschaft – eingelenkt. Von einer totalen Rücknahme aller Privatisierungspläne der Vorgängerregierung ist keine Rede mehr. Aber Athen will das Familiensilber nicht verscherbeln, sondern denkt an Leasing. Jedenfalls wollen die Griechen einen „signifikanten Anteil“ behalten. Infrastruktur wie Flughäfen, Häfen, Eisenbahn soll nicht gänzlich aus der Hand gegeben werden – es geht um Jobs und ausländischen Einfluss, etwa Chinas.
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Die Geldgeber pochen auf die Umsetzung aller von der staatlichen Privatisierungsagentur Griechenlands begonnenen Vorhaben. Insgesamt soll die Regierung in Athen nach den Vorstellungen der internationalen Geldgeber durch Privatisierungen 22 Milliarden Euro bis zum Jahr 2022 hereinbekommen. Auf der Liste stehen Regionalflughäfen, die Häfen von Piräus und Thessaloniki, ein Teil der Stromkonzerne, die Bahn- und der Autobahn-Betreiber sowie das Gelände des ehemaligen Flughafens Hellinikon.

Löhne

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Ein zentrales Wahlversprechen der Syriza-Partei war die Anhebung des Mindestlohns, der seit 2010 im Zuge der Schuldenkrise mehrmals gesenkt worden war. Der Plan der Regierung – heuer Mindestlohn von 586 auf 654 erhöhen und bis Herbst 2016 weiter auf 751 Euro – wurde bis auf weiteres eingefroren. Die Regierung will die Gewerkschaften nicht völlig gegen sich aufbringen und daher – nach Beratung mit Experten – die Tarifautonomie wieder einführen. Sie war auf Druck der Geldgeber außer Kraft gesetzt worden.
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Sämtliche Geldgeber pochen darauf, dass der Mindestlohn nicht erhöht wird. Es gebe viele EU-Länder mit niedrigeren Sätzen. Athen dürfe auch das neue System nicht ändern, wonach betriebliche Lohnverhandlungen geführt werden. Damit wird den Gewerkschaften das Recht genommen, mit den Arbeitgebervertretern für die Branchen verbindliche Kollektivverträge auszuverhandeln. Die Geldgeber blockieren nicht generell Lohnerhöhungen, diese müssten jedoch an die Produktivität gekoppelt sein.

Vor dem Urlaub ist es noch einmal richtig stressig geworden: Im Jänner hat ein Österreicher eine Fähre der Minoan Lines von Triest nach Patras in Griechenland gebucht. Ende Mai sollte es losgehen. Doch als der Urlauber im März die Buchung prüfte, gab es diese Fährstrecke nicht mehr. "Minoan verständigt einen davon nicht", klagte er dem KURIER. Eine Sprecherin der Minoan Lines versicherte dem KURIER, dass alle Passagiere über die Änderungen der Fahrpläne informiert worden seien.

Die Autofähre Europalink, die auf der Strecke Triest-Patras eingesetzt werden sollte, sei von der Werft nicht rechtzeitig geliefert worden, wurde Reiseagenturen mitgeteilt. Alle betroffenen Passagiere wurden auf den 500 Kilometer südlich gelegenen Hafen Ancona umgebucht. Sollten die Kunden das ablehnen, wird der Ticketpreis zurückgezahlt.

Mehr Passagiere

Der Vorfall mit Minoan, die mehrheitlich der italienischen Grimaldi-Group gehört, dürfte tatsächlich ein Einzelfall sein. Mit weiteren Störungen bei griechischen Passagierfähren ist heuer nicht zu rechnen. "In diesem Sommer erwarten wir genau so viele Passagiere wie 2014", sagt Michalis Sakelis, Präsident der griechischen Passagierschiffs-Eigentümer, zum KURIER. Seit 2009 transportierten die griechischen Fähren 30 Prozent bzw. zwölf Millionen Passagiere weniger. 2014 war das erste Jahr, in dem ein Plus von fünf Prozent verbucht wurde.

Moderne High-Speed-Schiffe

Fakt ist: Die griechischen Reedereien haben seit Jahrzehnten einen schlechten Ruf. Doch „rostige Seelenverkäufer“ gehören aber in der Regel und auf den Hauptrouten der Vergangenheit an. Die griechischen Reedereien erneuern ihre Flotten. So auch das Seajets-Consortium. Es betreibt zehn High-Speed-Fähren in der Ägäis. Einzelne Schiffe können bis zu 2100 Passagiere und 600 Fahrzeuge transportieren. Diese Fähren in Katamaran-Bauweise flitzen mit rund 70 Kilometern pro Stunde über das Wasser. Der Nachteil: Eine Fahrt kostet so viel wie ein Inlandsflugticket. Einen guten Namen hat auch die Reederei Blue Star Ferries, die acht Schiffe auf nationalen und drei auf italienisch-griechischen Routen betreibt. Bei Blue Star wird nie gestreikt, sagt eine Tourismusexpertin, weil die Seeleute ihren Lohn pünktlich erhalten. Auch die Reederei Hellenic Seaways hat einen guten Ruf. Sie betreibt 22 Fähren, darunter vier High-Speed-Schiffe. Auch die Reederei Hellenic Seaways betreibt 22 Schiffe, darunter vier High-Speed-fähren.