Gläubigerschützer über Privatkonkurs: "Verkürzung auf drei Jahre ist Provokation"
Von Kid Möchel
Zuerst die gute Nachricht: Die Firmeninsolvenzen sind im ersten Halbjahr 2017 um rund vier Prozent gesunken. "Ich rechne damit, dass sich der Rückgang im zweiten Halbjahr egalisieren und sich auf dem Vorjahresniveau einpendeln wird", sagt Hans-Georg Kantner vom Gläubigerschutzverband KSV1870. Im Vorjahr gab es rund 5200 Firmenpleiten. Einziger Ausreißer ist derzeit Niederösterreich: Hier sind die Firmenpleiten um fast 20 Prozent gestiegen. Das ist schnell erklärt. "Vor einem Jahr waren in Niederösterreich die Insolvenzen noch im Sinkflug, während sie in den anderen Ländern bereits gestiegen sind", sagt Otto Zotter, Leiter der Bundesländer-Niederlassungen des KSV1870. Niederösterreich habe einfach einen Aufholbedarf.
Die schlechte Nachricht ist: Die Privatkonkurse sind um fast 31 Prozent zurückgegangen. "Die Schuldner halten ihre Anträge zurück, weil es künftig für sie leichter wird", sagt Kantner.
Leichtfertiger Konsum
Die neue Regelung hebele den Erziehungseffekt aus. "45 Prozent der Schuldner haben leichtfertig konsumiert", sagt Kantner. Der typische Schuldner sei Anfang 20, Städter und "lebe über seine Verhältnisse". Die restlichen 55 Prozent geraten durch Jobverlust, Krankheit oder Scheidung in die Misere.
Dazu muss man auch wissen, dass 75 Prozent der Privatkonkurse sogenannte Zahlungsplanverfahren sind. Das heißt: Der Schuldner schlägt seinen Gläubigern eine Quote vor, die er aufgrund seines Einkommens zahlen kann. Im Durchschnitt zahlen Private 12,5 bis 18 Prozent ihrer Schulden zurück.
Auch in Zukunft muss ein privater Schuldner seinen Gläubigern zuerst einen Zahlungsplan vorlegen. Platzt aber dieser, wird sein Gehalt drei Jahre lang bis auf das Existenzminimum abgeschöpft. "In Zukunft werden sich die Schuldner nicht mehr anstrengen, einen Zahlungsplan anzubieten", meint Zotter. Weil sie wissen, es geht ja auch billiger. Mitunter werden die Gläubiger überhaupt nichts mehr von ihrem Geld sehen. Der künftige Ausfall für die Gläubiger wird auf bis zu 80 Millionen Euro geschätzt.
Fünf Jahre akzeptabel
Glaubt man den Experten, so wird die Allgemeinheit die Folgen zu tragen haben. So werde es für Konsumenten schwieriger, etwas auf einer Ratenbasis zu kaufen.
"Aus meiner Sicht wird es einen Ratenkauf über 36 Monate nicht mehr geben", prophezeit Zotter. "Jedes Unternehmen muss damit rechnen, dass einzelne Kunden noch etwas kaufen und sich übernehmen." Nachsatz: "Durch die höheren Ausfälle, welche die Gläubiger erleiden, werden die Bonitätsanforderungen höher und die Kredite teurer." Er räumt aber ein, dass die Gläubigerschützer eine Verfahrensverkürzung von sieben auf fünf Jahre geschluckt hätten. Zotter: "Aber drei Jahre sind eine Provokation für die Wirtschaft."