Wirtschaft

Billiger essen beim Haubenkoch

Ins Haubenlokal gehen mit Berufskollegen? Seit einigen Jahren total verpönt. "Die Geschäftsleute bleiben aus, Mittagessen von Leuten aus der Bank- oder Versicherungsbranche gibt es keine mehr", bestätigt Eva Mörwald. Sie ist in den Restaurantbetrieben ihres Mannes Toni für Verkauf und Veranstaltungen zuständig. Die Entwicklung sei eine Folge der Wirtschaftskrise, aber auch der strengeren Compliance-Regeln, also der Benimm-Regeln im Geschäftsleben. Darunter leiden auch Kulturbetriebe.

Wobei Eva Mörwald infrage stellt, ob denn eine 100-Euro-Essenseinladung tatsächlich ein wirksamer Bestechungsversuch sei. In Wahrheit gehe Gesprächskultur verloren.

Martina Hohenlohe, Chefredakteurin vom Restaurantführer GaultMillau, fürchtet, dass der Spitzengastronomie in vielen Firmen "schon fast etwas Obszönes" anhaftet. "Würde ich vor der Entscheidung zur Eröffnung eines Restaurants stehen, wäre mir eine kreative Küche viel zu riskant. In Österreich ist man stolz auf traditionelle Küche, aber kreative Köche haben keine Lobby", findet Hohenlohe.

Frühstück statt Dinner

Doch es gibt neue Trends, von denen auch die gehobene Küche profitiert: "Die Kochschule geht sehr gut", sagt Eva Mörwald. Privatleute versuchen, vom Know-how der Haubenköche zu profitieren. Oder "Private Dining": Mörwalds Ein-Raum-"Kochamt" im Wiener Palais Ferstel kann man sich für Veranstaltungen mieten.

Udo Kaubek, Geschäftsführer vom noblen Meinl am Graben, beobachtet, dass immer mehr Geschäftsleute zum Frühstücken kommen. Die teure Flasche Rotwein, die oft zum Abendessen serviert wird, wird damit schon einmal eingespart. Kaubek glaubt aber nicht, dass Geschäftstermine primär wegen Compliance-Vorschriften in die Morgenstunden verlegt werden. "Man muss die Kirche im Dorf lassen. Egal, mit wem man redet, es wird halt überall mehr gespart." Augenzwinkernder Nachsatz: "Jeder weiß, dass Frühstückstermine nach eineinhalb Stunden vorbei sind. Das geht sich am Abend nie aus ..."

Leo Doppler vom Restaurant Hansen in der Wiener Innenstadt hat kürzlich die Erfahrung gemacht, dass eine Haube auch geschäftsschädigend sein kann. Ein potenzieller Kunde hatte in seinen Compliance-Vorschriften festgehalten, dass keine Veranstaltungen in Haubenrestaurants gebucht werden dürfen. "Dass das ein Ausschlusskriterium sein kann, habe ich davor noch nie erlebt", sagt Doppler. Er wertet es aber als Einzelfall.

Für Thomas Dorfer, Küchenchef im Landhaus Bacher in Mautern, sind die Compliance-Vorschriften kein Thema. "Ich denke, das spüren eher die Restaurants in der Wiener Innenstadt bei den Mittagessen. Wir haben kaum Geschäftskunden", sagt der Schwiegersohn von Lisl Wagner-Bacher, der selbst schon mehrfach für seine Kochkünste ausgezeichnet wurde.

Unberührt von der Krise scheint das hochdekorierte Steirereck zu sein: Nicht-Promis müssen mit wochenlanger Wartezeit rechnen – selbst für einen Zweiertisch.

Martina Hohenlohe u. a. diskutieren am Dienstag um 18 Uhr im Raiffeisen-Forum: "Was darf ich essen? Genuss ohne Reue ist möglich", Raiffeisen-Platz 1, 1020 Wien, Eintritt frei.

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