Wirtschaft

Gemeinnütziger Wohnbau gerät durch Baukostenexplosion ins Stocken

Durch die seit vorigem Jahr exorbitant gestiegenen Baukosten gerät der gemeinnützige Wohnbau in Österreich ins Stocken. Laufende Projekte sind nicht betroffen, aber für neue tut man sich schwer, überhaupt Angebote aus der Bauindustrie zu erhalten, erklärte die Spitze des Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV) am Mittwoch. Schuld seien die starken Materialverteuerungen von über 22 Prozent binnen einem Jahr, wodurch die Baukosten insgesamt um 12 Prozent zugelegt hätten.

Von den Baukosten entfällt je die Hälfte auf Material und Löhne. Jahrzehntelang seien beide Komponenten sowie die Baukosten insgesamt - gemessen am Index für den Wohnhaus- und Siedlungsbau - um rund eineinhalb Prozent pro Jahr gestiegen. Seit 2021 sei es zu einer wahren Kostenexplosion "mit prekären Auswirkungen" gekommen, beklagte Verbands-Vizeobmann Herwig Pernsteiner. "In Oberösterreich erhalten wir keine Angebote, wenn wir ausschreiben - auch wenn wir die explodierenden Preise akzeptieren würden", berichtete Pernsteiner, der auch Chef der ISG in Ried im Innkreis ist. In mehreren Bundesländern gebe es Gespräche mit der Politik, um eine Anhebung der regional vorgegebenen Höchst-Errichtungskosten zu erreichen: "Wir haben derzeit keine laufende Ausschreibung, weil es nichts bringt. Wir sind um 25.000 Euro pro Wohnung zu teuer, was die Obergrenze in Oberösterreich betrifft."

Wie stark die angespannte Situation den Start neuer Vorhaben im heurigen Jahr auf Verbandsebene beeinträchtigen oder verzögern wird, wagt der Verbands-Vize im einzelnen nicht abzuschätzen. Er setzt momentan auf die Hoffnung: "Wir gehen davon aus, dass sich die Preise wieder etwas stabilisieren", sagte er. Verbandsobmann Bernd Riessland plädierte für eine enge Kooperation mit Bauindustrie und Baugewerbe im Sinne eines Kostendeckungsprinzips, das den Gemeinnützigen vorgegeben ist. Denn wenn die Mieten und auch die Eigentumswohnungspreise zu stark steigen würden, "werden wir keine Mieter mehr finden. Wir werden nicht auf Halde bauen." Derzeit sei man, Stichwort Spotmärkte für Energie und andere Rohstoffe, "in einer Marktsituation gefangen, die große Fiktionselemente hat".

Ein Projekt abbrechen werde keine Bauträger wegen der hohen Kosten, meinte Pernsteiner. Ähnlich sieht es Riessland: "Für 2022 würde ich von keinem dramatischen Rückgang ausgehen, weil viel in Bau ist." Pernsteiner: "Alles, was seit ein, einhalb Jahren läuft, geht weiter. Die Planung und Projektentwicklung und die Ausschreibung wird aber jetzt auf Null gestellt." "Irgendwann, wenn keiner mehr bestellt, wird auch wieder ein Bedürfnis nach Angeboten kommen", vermutet Riessland. Es würden also Bauindustrie und -gewerbe vorstellig werden, wenn es, wie zu erwarten, "eine gewisse Rückkehr des Preises" gebe. Wünsche aus der Branche nach einer Abkehr von Fixpreisen sieht man kritisch. Riessland meinte, die Fixierung der Preise sei ein wesentliches Element - hier sei eine Steuerung nötig, sodass beide Seiten, Auftraggeber und -nehmer, damit leben könnten.

16.500 neue EInheiten im Vorjahr

Voriges Jahr haben die 185 gemeinnützigen Bauvereinigung trotz Corona-Krise überdurchschnittlich viele Wohnungen errichtet. Die Zahl von 16.500 neuen Einheiten lag über dem 10-jährigen Schnitt, aber unter dem Spitzenjahr 2020, dem zweitbesten seit 1945. Auch bei den in Bau befindlichen GBV-Wohnungen bewegt man sich mit 32.000 über dem Schnitt, hieß es im Jahrespressegespräch. Bei den in Bau befindlichen Einheiten beträgt der zehnjährige Schnitt 31.000. Vor einem Jahr waren 33.000 Wohnungen in Bau, vor zwei Jahren 36.000 - der Höhepunkt ist auch hier überschritten.

2021 habe sich der GBV-Sektor trotz Pandemie weiter als konstanter Investitionsmotor erwiesen, so Rießland. Das Investitionsvolumen im Neubau habe 2021 rund 3,9 Mrd. Euro betragen, bei Sanierungen und Instandhaltungen (Miete und Eigentum) 990 Mio. Euro. 2021 seien rund 7.300 Wohnungen großinstandgesetzt worden, mehr als davor (6.800).

Die erweiterten Möglichkeiten für GBV-Bewohner, ihre Wohnung im Eigentum erwerben zu können, wird laut Riessland rege genutzt. "25 bis 30 Prozent nehmen die Option in Anspruch", abhängig vom Zinsniveau, dem Preis bzw. der Finanzierungsmöglichkeit und anderen privaten Lebensumständen. Vor Verländerung der Wohnbauförderung und vor Einführung der Kaufoption Anfang der 1990er Jahre sei der Mietwohnungsanteil an den Fertigstellungen bei 50 bis 60 Prozent gelegen, der Rest waren Direkt-Eigentumswohnungen. Seit den 2000er Jahren sank der Anteil der reinen Mietwohnungen ohne Kaufoption auf 35 Prozent der Fertigstellungen, jene der Direkt-Eigentumswohnungen auf unter 10 Prozent. Der Großteil wurde als Mietwohnungen mit dem Rechtsanspruch auf späteren Erwerb errichtet.

Insgesamt für einen Dämpfer im Immo-Segment werden nach Einschätzung von Pernsteiner die neuen, strengeren Kreditauflagen sorgen, die mindestens 20 Prozent Eigenkapital maximal 40 Prozent Anteil der Tilgungsraten bezogen auf das Haushaltseinkommen und maximal 35 Jahre Laufzeit der Kredite vorsehen. "Da fallen 50 Prozent aller Finanzierungen der letzte Jahre heraus - auch der private Konsument kommt da zum Handkuss", vermutet der GBV-Vizeobmann. Auch das werde Auswirkungen auf Baugewerbe und Bauindustrie haben. Riessland, der lange auch im Immo-Bereich der "Ersten" mit Finanzierungen befasst war, hält die strengeren Regeln für vernünftig. Es sei aber "erstaunlich", dass man "den gesunden Menschenverstand" von einer Notenbank vermittelt bekommen müsse.