Wirtschaft

Fünf Fragen und Antworten zur Milchkrise

Wenn es ums Demonstrieren geht, zeigen sich Europas Milchbauern einfallsreich - und wenig zimperlich: Bei früheren Protesten haben sie öffentliche Plätze im Brüsseler EU-Regierungsbezirk mit Milch überschwemmt oder mit Strohballen verbarrikadiert.

Auch an diesem Montag, dem 7. September, könnte es hoch hergehen: Ab 14.30 Uhr beraten die EU-Agrarminister bei einem Sondergipfel über Hilfsmaßnahmen. Hunderte Landwirte haben angekündigt, nach Brüssel zu kommen, um gegen den Verfall der Agrarpreise und die damit einhergehenden Einkommenseinbußen zu demonstrieren.

Warum protestieren die Milchbauern so lautstark?

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Die aktuelle Situation erinnert an 2008/2009: Damals fielen dieErzeugermilchpreise, also das Geld, das die Bauern für Rohmilch erhalten, nach einer Preisrally binnen weniger Monate ins Bodenlose(siehe Grafik). Jetzt nähert sich der Preis nach einer zwischenzeitigen Erholung wieder den damaligen Tiefständen. Die Bauern klagen, dass bei Preisen von 30 Cent pro Kilogramm und darunter die Produktionskosten nicht abgedeckt seien.

Was sind die Gründe für den Preisverfall?

Das ist Gegenstand intensiver Debatten. Fakt ist: Es sind die klassischen Marktfaktoren von (hohem) Angebot und (geringer) Nachfrage, die zum Einbruch der Preise geführt haben.

Im April 2015 sind in der EU die Milchquoten ausgelaufen, seither dürfen die EU-Produzenten unbegrenzt Milch erzeugen, ohne dass dafür Strafzahlungen fällig werden. Davon versprachen sich vor allem die Länder mit großen Milchproduzenten bessere Exportchancen. Tatsächlich liegt die in der EU produzierte Milchmenge seit April 2015 deutlich über jener der Vorjahre.

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Die Mehrproduktion kommt aber zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Die Einfuhrsperren für Milchprodukte durchRusslandhaben dazu geführt, dass es ein Überangebot an Milch in Europa gibt. Die Nachfrage ausChinafällt momentan ebenfalls geringer aus. Logische Folge: Es fällt der Preis.

Manche wie Bauernbund-Chef Jakob Auer halten daneben auch den Handel mit seinen „Schleuderpreisen für Lebensmittel“ für mitverantwortlich. Bei Deutschlands Diskontmärkten kostet ein Liter Vollmilch nur noch 55 Cent.

Wie ist die Lage in Österreich?

In Österreich liegt das ausbezahlte Bauernmilchgeld zwar geringfügig über dem EU-Durchschnitt. Bei etwa 30 Cent müssten die österreichischen Milchbauern aber ebenfalls mit Verlust produzieren, warnt Bauernbund-Chef Jakob Auer. Zumal auch der Preis für Schweinefleisch mit 1,30 Cent je Kilo auf einem Sieben-Jahres-Tief liege.

Deutsche Großkonzerne wie Müller Milch würden nur noch 25 Cent zahlen, kritisiert Auer. Solche Dumpingpreise würden auch österreichische Produzenten, die nicht so günstig erzeugen können und höhere Qualität - etwa gentechnikfreie Milch - liefern, unter Druck setzen. Die Bauernvertreter fordern deshalb eine unabhängige Aufsichtsbehörde („ Agrarmarkt-Control“), die den Markt überwachen soll – analog zur E-Control im Strommarkt.

Was kann die EU dagegen tun?

Beim aktuellen Agrargipfel an diesem Montag, den der luxemburgische Landwirtschaftsminister Fernand Etgen leitet, soll es um Akutmaßnahmen gehen. Sicher ist: Am 30. September 2015 würden die Stützungsmaßnahmen für den Milchsektor, die angesichts der Russland-Importsperre eingeführt wurden, auslaufen. Dabei geht es vor allem um die Förderung von Milcheinlagerung in Form von Butter und Magermilchpulver. Diese Maßnahmen werden bis Ende Februar 2016 verlängert werden.

Ungewiss sind allerdings Aktionen, die darüber hinaus gehen: Spekuliert wird darüber, dass direkte Einkommenshilfen der EU schon Mitte Oktober statt Anfang Dezember an die Landwirte ausgezahlt werden könnten.

Zudem soll es weitere Maßnahmen und Kampagnen geben, mit denen Brüssel den Handel und Export von Milch unterstützen will. Auch von möglichen Hilfskrediten ist die Rede.

Wird die Milchquote jetzt wieder eingeführt?

Das ist so gut wie ausgeschlossen. Der irische EU-Agrarkommissar Phil Hogan lehnt das dezidiert ab: Die neue EU-Agrarpolitik ziele darauf ab, mehr Marktorientierung umzusetzen, betont er. Obendrein sei auch die Quote in der Vergangenheit daran gescheitert, stabile Preise zu garantieren.

Eingriffe in den Milchmarkt sind zwischen den EU-Ländern generell umstritten: Während Frankreich diese befürwortet, ist etwa Deutschlands Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) strikt dagegen.