Frankreich: Neustart mit leeren Taschen
Von Danny Leder
Während sich SP-Premier Jean-Marc Ayrault am Dienstag vor der französischen Nationalversammlung anschickte, in seiner Eröffnungsrede die Vorgangsweise der neuen sozialistischen Staatsführung für die kommenden fünf Jahre zu erläutern, nagte die Öffentlichkeit an der niederschmetternden Bilanz des Rechnungshofs.
Dessen Vorsitzender Didier Migaud – ein Sozialist, aber von der bitterernsten Sorte – hatte am Tag zuvor seinen Prüfungsbericht zur Lage der Staatsfinanzen präsentiert: Demnach fehlen für das laufende Jahr etwa 10 Milliarden Euro, um die mit Brüssel vereinbarte Reduzierung des Budgetdefizits auf 4,5 Prozent des Bruttonationalprodukts (BNP) zu erreichen. Schuld daran seien die bürgerlichen Vorgänger unter Nicolas Sarkozy, die von allzu optimistischen Wachstumserwartungen ausgegangen waren. Mit nur 0,4 Prozent Wachstum 2012 dürfte Frankreich weder den Anstieg der Arbeitslosenrate auf über zehn Prozent noch dem der Staatsschuld auf 90 Prozent des BNP entrinnen.
"Erreichbar, aber schwierig"
Aber während der Rechnungshof die Bewältigung der diesjährigen Budgetziele nicht anzweifelt, ist er für 2013 schon vorsichtiger, weil da ein zusätzliches Sparaufkommen von 33 Milliarden Euro nötig wäre, um das Budgetdefizit, wie von der aktuellen Linksregierung auch bestätigt, auf drei Prozent zu drücken. "Erreichbar, aber schwierig", so Rechnungsprüfer Migaud in Hinblick auf ein erwartetes Wirtschaftswachstum von nur rund einem Prozent für 2013.
Hinter dieser Wachstumsschwäche steckt die mangelnde Wettbewerbskraft und Marktanpassung vor allem mittlerer Unternehmen. Die Folgen: Frankreichs Industrie ist seit Jahren im Sinkflug, die Handelsbilanz ist eingebrochen, die Steuereinnahmen sind rückläufig. Obendrein wird die Verschuldung durch Hilfsmaßnahmen für die Krisenstaaten der EU hochgetrieben. Diese dürften Frankreich 2012 über 50 Mrd. Euro kosten.
Die Empfehlung des Rechnungshofs: Vor allem Ausgabenreduzierung der öffentlichen Hand durch Verringerung der aufgeblähten Verwaltungsstrukturen und Beamten-Abbau. Und erst in zweiter Hinsicht breit gestreute Steuererhöhungen, wobei, so die Warnung, Frankreich bereits jetzt mit dem vierthöchsten Steuerniveau der EU seine Wettbewerbskraft stark belastet – ein Knackpunkt für die Linksregierung, die Sparmaßnahmen durch zusätzliche Besteuerung der Reichen und Konzerne ausgleichen möchte.
Italien/Spanien: Weitere Spar-Anstrengungen
Nach dem EU-Gipfel der Vorwoche regiert in Europa wieder der Sparstift. Neben Frankreich muss auch Italien den Gürtel noch enger schnallen. Laut Medienberichten wird Premier Mario Monti noch diese Woche Einschnitte in der Höhe von 4,2 Milliarden Euro in die Wege leiten. Das soll die ansonsten notwendige Erhöhung der Mehrwertsteuer ab Oktober noch abwenden. Laut dem Regierungschef sollen strukturelle Maßnahmen die Kostendämmung bewirken. Insgesamt wollen "Super Mario" und sein Team in den kommenden drei Jahren 30 Milliarden Euro einsparen.
Auch in Spanien müssen zusätzliche Maßnahmen getroffen werden, damit das Ziel für 2012, das Defizit von 8,9 Prozent des BIPs auf 5,8 Prozent zu drücken, noch erreicht wird. Premier Mariano Rajoy erwägt angeblich, mehrere Steuern zu erhöhen.
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