Flexible Arbeitszeit: AK will Überstundenzuschläge erhalten
In der Diskussion um eine flexiblere Arbeitszeit trommelt die Arbeiterkammer weiter ihre Forderung, dass Überstundenzuschläge erhalten bleiben müssen. "Überstunden müssen Überstunden bleiben", sagte AK-Präsident Rudolf Kaske am Montag vor Journalisten. Es gebe ohnehin jetzt schon eine Vielzahl von Möglichkeiten, länger und flexibel zu arbeiten, so Markus Wieser, Präsident der Arbeiterkammer NÖ.
In Wahrheit gehe es nicht um die Flexibilität der Arbeitnehmer, meint Wieser: "Es wäre viel ehrlicher, wenn die Arbeitgeber sagen würden, dass es ausschließlich um die Reduktion oder Abschaffung von Zuschlägen geht." Man würde die Arbeitnehmer irreführen mit dem Versprechen, sie könnten ihre Zeit flexibel einteilen, denn in den meisten Jobs sei die Arbeitszeit vorgegeben: Vom Schichtarbeiter über den Busfahrer bis zum Spitalsarbeiter müssten alle pünktlich kommen und gehen. Wie von den Arbeitgebern gefordert 12 Stunden pro Tag oder 60 Stunden pro Woche zu arbeiten, gebe es jetzt schon, aber "es geht nicht ohne Zuschläge".
"Gerechtere Verteilung der Arbeitszeit"
Kaske wirbt für eine "gerechtere Verteilung der Arbeitszeit", wo man berücksichtige, dass Vollzeitbeschäftigte im Schnitt weniger, Teilzeitbeschäftigte mehr arbeiten wollen. Außerdem brauche es insgesamt eine Arbeitszeitverkürzung, "zum Beispiel eine leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche". Auch der Rechtsanspruch auf eine Woche Weiterbildung im Jahr - eventuell mit Ansparen und geblocktem Verbrauch dieser Zeit - bleibe eine Forderung. Kaske will auch für Teilzeitbeschäftigte einen 50-prozentigen Zuschlag ab der ersten Mehrarbeitsstunde sicherstellen.
Studie: Arbeitgeber profitieren von Gleitzeit
Die Arbeiterkammer legte am Montag eine Befragung von 2.000 Arbeitnehmern vor. Demnach sind Menschen, die Gleitzeit haben, also ihre täglichen Beginn- und Schlusszeiten selber aussuchen können, zu rund 70 Prozent zufrieden, nur 4 Prozent sind unzufrieden. Dabei kritisieren 60 Prozent, dass ihnen Plusstunden gestrichen oder Zuschläge vorenthalten würden. Auch die Arbeitgeber profitieren von der Gleitzeit, ergibt die Studie, denn die Befragten sagten, sie würden ihre Arbeitszeit vor allem nach der Arbeitsmenge gewichten, private Verpflichtungen seien weniger wichtig.
Dort hingegen, wo flexible Zeiten von der Firma vorgeschrieben werden, seien nur 30 Prozent sehr zufrieden, 24 Prozent hingegen ausdrücklich unzufrieden. Ein Problem sei insbesondere, dass mehr als die Hälfte (52 Prozent) erst weniger als 14 Tage im Voraus erfahren, wann sie arbeiten müssen.
Gesundheitsschädlich
"Wir wollen nicht die Grundpfeiler Tageshöchstarbeitszeit, Wochenarbeitszeit, Durchrechnungszeitraum verändern, sondern nur erweitern, damit man sie flexibler handhaben kann". Zwölf Stunden zu arbeiten sei ja nicht der tägliche Normalfall, sondern müsse in Ausnahmefällen bei Auftragsspitzen abgedeckt sein.
"Auf keinen Fall" werde die Wirtschaft dann in absehbarer Zeit maximale Arbeitszeiten von 14 Stunden fordern, um noch besser auf Auftragsspitzen eingehen zu können, sagte Haubner. "Mit zwölf Stunden werden wir sicher das Auslangen finden", das werde durch die längere Durchrechnung unterstützt.
Zwar gebe es heute schon Regelungen, die zwölf Stunden Arbeit zulassen, aber diese seien "nicht so einfach", sagt Haubner. Es gebe viele Hürden, zwölf Stunden Arbeit sei nur unter speziellen Voraussetzungen möglich. "Generell brauchen wir eine gesetzliche Regelung, um von den zehn auf zwölf Stunden zu kommen. Wir wollen da jetzt keine Überstundenzuschläge kürzen oder wegnehmen, sondern einfach das System ausweiten". Die elfte und die zwölfte Arbeitsstunde seien auf jeden Fall Überstunden und das würde auch so bleiben, versicherte er.
"Durch flexible Arbeitszeit lassen sich Beruf und Familie besser vereinbaren", ist sich Haubner sicher. Das sei auch der Wunsch der Menschen. Er verwies auf eine GfK-Umfrage, wonach 84 Prozent der Befragten gerne flexibler arbeiten wollen. Aus seiner Sicht würden sich daher Gewerkschaft und Arbeiterkammer gegen die Interessen ihrer eigenen Mitglieder stellen, wenn sie nicht versuchen, gemeinsam mit den Arbeitgebern eine Lösung für flexiblere Arbeitszeiten zu finden.
Haubner räumt ein, dass bei der Kinderbetreuung unter flexiblen Arbeitszeiten noch Nachbesserungsbedarf besteht. Die Wirtschaft fordere, dass Betreuungskosten künftig steuerlich absetzbar sein sollten, bis Kinder 14 sind, statt bis 10 wie derzeit. Außerdem müssten Kinderbetreuungseinrichtungen weiter ausgebaut werden und da passiere auch schon einiges. Aber berufstätige Menschen am Land seien ohnehin in der Familie und im sozialen Umfeld gut organisiert und in der Stadt gebe es eine Versorgungsdichte, sieht Haubner die Schwierigkeiten lösbar.
Um welche Summe es ab 2018 vonseiten des Bundes geht und wie die Kofinanzierungsschlüssel mit den Ländern aussehen werden, sagte sie heute noch nicht. Es werde verhandelt. "Eine Anschlussfinanzierung ist das Ziel."
In den Finanzausgleichsverhandlungen ist fixiert worden, dass die Gelder für die Kinderbetreuung aufgabenorientiert verteilt werden. Die Gespräche darüber sollen bis Ende August abgeschlossen sein. Laut Karmasin wird künftig spezifischer gefördert. Mehr Mittel sollen zum Beispiel für längere Öffnungszeiten, mehr Plätze oder auch Sprachförderung (Stichwort: Migration) fließen. In den letzten zwei Jahren sind 20.000 neue Kindergarten- und Krippenplätze entstanden.
An Sorgen um Betreuungsmöglichkeiten hatte sich zuletzt ein heftiger Streit am Regierungsplan flexiblerer Arbeitszeiten entzündet. Die Regierung hat den Sozialpartnern bis Ende Juni Zeit für eine Lösung - vor allem die Ausdehnung der zulässigen Tagesarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden - gegeben. Arbeiten bis zu zwölf Stunden werde fallweise, in Spitzenzeiten, erforderlich sein. Da gehe es nicht um fünf Tage in der Woche, so die Ministerin zur Kritik an familienfeindlichen Arbeitszeitreformen.
Sie hoffe, dass die inhaltliche Diskussion mindestens genauso eifrig verlaufe wie die öffentliche. Und dass der Wille da sei, bis Ende Juni eine Entscheidung zu treffen. "Eine Arbeitszeitflexibilisierung ist mehr als ausständig", auch zur Arbeitsplatzsicherung. Karmasin ist weiter überzeugt, dass dies eine große Chance für Unternehmen und Familien in Unternehmen sei, wenn die Rahmenbedingungen verbessert werden. Der Ausbau der Kinderbetreuung, was Öffnungszeiten, nicht zuletzt auch im Sommer, betreffe, sei im Laufen. "Es muss da und dort noch schneller laufen."
Ziel sei, bis 2025 zum familienfreundlichsten Land Europas zu werden. "Wir sind am drittletzten Platz gestartet und mittlerweile am zweiten Rang angekommen", sagte Karmasin. Mit einem Respektabstand zu Dänemark zwar, aber Österreich sei auf gutem Weg. Auch die Unternehmen hätten realisiert, dass Familienfreundlichkeit ein Wettbewerbsfaktor sei - das schlage sich schon einmal in 23 Prozent weniger Fehlzeiten nieder.
Post-Chef Georg Pölzl appellierte in der Podiumsdiskussion an die Sozialpartner, die starren Rahmen aufzubrechen. Sie würden der Gesellschaft nicht mehr gerecht. Mit starren Vorgaben bei Arbeitszeit, Gewerberecht oder Arbeitsinspektoraten müsse genauso aufgeräumt werden wie mit althergebrachten Rollenbildern. Mitarbeiter könnten nur dann ihre volle Leistung erbringen, wenn es ihnen gut gehe. In der Podiumsdebatte herrschte auch Einigkeit, dass es in den nächsten Jahren nicht nur um die Kleinkinderbetreuung gehe. Bei vielen Unternehmen mit Mitarbeiter-Durchschnittsalter 45 sei die Pflege der nächsten Generation das Thema.