EZB-Direktorin mahnt: Banken beschäftigen sich zu wenig mit Klimarisiken
Die EZB-Direktorin Isabel Schnabel hat Banken dazu aufgerufen, sich viel stärker als bisher mit den Gefahren aus dem Klimawandel für ihre Geschäfte zu befassen. "Der Klimawandel ist auch für das Finanzsystem ein beispielloses Risiko", sagte Schnabel dem "Focus" laut Vorabbericht vom Samstag. Noch würden sich die Banken nicht ausreichend mit Klimarisiken beschäftigen. "Erste Analysen zeigen, dass bisher kein einziges Institut die Anforderungen vollständig erfüllt", so Schabel.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat größere Bereiche der Wirtschaft in einem gesamtwirtschaftliche Klimastresstest auf ihre Anfälligkeit für Klimarisiken geprüft. Der Test umfasst nach früheren Angaben etwa vier Millionen Unternehmen weltweit und rund 2.000 Banken. Schnabel zufolge sind rund ein Drittel der Kredite, die die Banken der Euro-Zone derzeit an Unternehmen ausgereicht haben, Risiken wie Extremwetter-Ereignissen "in hohem oder steigendem Maße" ausgesetzt, wie sie dem Magazin sagte. Das zeige der makroökonomische Stresstest.
Klimaschutz stärker berücksichtigen
In ihrer Geldpolitik will die EZB nach einem Strategiecheck künftig den Klimaschutz stärker berücksichtigen. Bisher erwirbt sie beispielsweise im Rahmen ihrer Anleihen-Kaufprogramme Firmenbonds nach dem Prinzip der Marktneutralität. Das heißt, sie bildet mit den Käufen schlicht den Markt ab. Damit aber erwirbt sie Kritikern zufolge tendenziell viele Papiere klimaschädlicher Unternehmen.
Schnabel stellte in Aussicht, dass sich dies ändern könnte. "Zum Beispiel könnten wir in Zukunft verstärkt Anleihen von Unternehmen kaufen, die sich den Zielen des Pariser Klimaabkommens verpflichten und damit zeigen, dass sie bereit sind, ihr Geschäftsmodell anzupassen", sagte sie dem Magazin. Ein rein grünes Anleihenkaufprogramm hält sie aber zurzeit für unrealistisch.
Geringe Inflation befürchtet
Darüber hinaus erklärte Schnabl, dass die EZB mittelfristig vor allem die Gefahr einer zu geringen Inflation im Blick. "So überraschend das für manchen klingen mag: Wir sorgen uns eher darum, dass die Inflationsrate auf mittlere Sicht zu niedrig ausfällt statt zu hoch", sagte Schnabel in einem am Samstag veröffentlichten Interview des Magazins "Focus".
Für die Geldpolitik sei entscheidend, wie sich die Teuerung im Euro-Raum auf mittlere Sicht entwickle. Und die Notenbank werde da voraussichtlich unter ihrer Zielmarke von zwei Prozent liegen.
Neues Inflationsziel
Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vor kurzem ihr Inflationsziel neu gefasst und strebt inzwischen auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von glatt zwei Prozent an. Abweichungen nach oben und nach unten hin gelten als gleichermaßen unerwünscht. Zuvor hatte das Ziel noch auf unter, aber nahe zwei Prozent gelautet. Im Juli lag der Anstieg der Verbraucherpreise im Euro-Raum mit 2,2 Prozent bereits oberhalb der neuen Zielmarke der Notenbank. Dazu trug vor allem die Wiedereröffnung der Wirtschaft nach den Corona-bedingten Einschränkungen bei. Die Energiepreise zogen kräftig an.
"Wir rechnen zwar damit, dass die Inflation in diesem Jahr zunächst weiter steigen wird - gerade in Deutschland", sagte Schnabel. "Aber ab Beginn des nächsten Jahres gehen wir von einem deutlichen Rückgang der Inflation aus", fügte sie hinzu. Für 2022 sehen die bisherigen Projektionen der EZB lediglich eine Teuerung von 1,5 Prozent vor, für 2023 von 1,4 Prozent.