Wirtschaft

Eurozone: Der Streit der „Dachdecker“

Es ist zwar gerade kein Feuer am Dach, aber einige Ziegel fehlen. Hausbau-Metaphern stehen für die Eurozone aktuell hoch im Kurs – auch bei Jens Weidmanns Vortrag in Wien: „Die beste Zeit, das Dach zu reparieren, ist, wenn die Sonne scheint“, mahnte der Präsident der Deutschen Bundesbank zu Reformen.

Zwar sei der Euro besser gerüstet als vor Griechenlands Beinahe-Pleite. „Aber dauerhaft krisenfest ist die Währungsunion nicht.“ Deshalb sei es gut, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron „neuen Schwung in die Debatte gebracht“ habe.

Amüsantes Detail am Rande: Fast zeitgleich hatte Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), bei einer Rede in Berlin exakt dasselbe JFK-Zitat vom reparaturbedürftigen Dach gewählt. Dabei hat Frankreichs Ex-Finanzministerin ganz andere Vorstellungen, wie die Reparatur passieren soll.

Der IWF schlägt in einem am Montag präsentierten Papier nämlich vor, einen „Regenwetter-Fonds“ einzurichten. In diesen sollen Euro-Staaten während konjunktureller Schönwetterperioden einzahlen. Wird es stürmisch, soll ein Krisenland damit Budgetlöcher stopfen dürfen oder Kredite erhalten. Damit kein dauerhafter Transfertopf daraus wird, müsste es alle EU-Budgetregeln einhalten und in der Folge höhere Beiträge leisten.

Amerikaner mobiler

„Braucht es einen solchen zusätzlichen Puffer?“, fragte sich allerdings Weidmann in Wien. Wenn die Finanzen eines Staates in Ordnung seien, könne er es sich ohnehin leisten, Krisen abzufedern. Für extreme Schieflagen gäbe es bereits den Euro-Rettungsschirm ESM. Und obendrein könne die Privatwirtschaft mithelfen, Schocks in einem Euro-Land abzufedern. Er halte die Schaffung einer europäischen Kapitalmarktunion deshalb für „ein enorm wichtiges Projekt“.

Was ist gemeint? Wenn die eigenen Banken in die Krise stürzen, sollen Unternehmen leichter an Kredite in anderen Ländern kommen. Oder noch besser, selbst mit Anleihen oder Börsegängen die europäischen Kapitalmärkte anzapfen. Das passiert bisher kaum. Und es ist mit ein Grund, warum US-Bundesstaaten Krisen viel besser verdauen.

Laut Experten der EU-Kommission federt ein US-Staat bis zu 80 Prozent eines Einbruchs der Wirtschaftsleistung mit grenzüberschreitenden Transfers ab – bei Ländern der Eurozone sind es nur etwas mehr als 20 Prozent. Allerdings nicht etwa, weil andere US-Staaten oder die Regierung in Washington tiefer in die Tasche greifen, sondern weil Menschen und Kapital mobiler sind. Das heißt: Jemand, der arbeitslos wird, übersiedelt flott in einen anderen Bundesstaat, wo er bessere Jobchancen sieht. Oder zapft neue Geldquellen an.

Zinsschritt Mitte 2019

Logisch wäre freilich, wenn Haushalte und Sparer für Kredite und Einlagen ebenfalls auf Banken anderer Euroländer ausweichen. Bei der gemeinsamen Einlagensicherung steht Weidmann aber auf der Bremse. Davor müssten Altlasten fauler Kredite in Ländern wie Italien abgebaut und die Ansteckungsgefahren von maroden Staaten auf Banken gebannt sein.

Bei der EZB-Geldpolitik wünscht sich der Deutsche „bald“ den Beginn der Normalisierung. Eine erste Zinserhöhung erwarten die Märkte für Mitte 2019 – das sei „nicht ganz unrealistisch“.

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Die "Schmach von Cordoba" und der Euro

Vor 40 Jahren schoss Hans Krankl die Deutschen aus der Fußball-WM. Durch „die nationale  Brille“ werde das  unterschiedlich gesehen, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann (49) am Montag in Wien augenzwinkernd – in Österreich als „Wunder“, in Deutschland als „Schmach von Cordoba“.  Im Fußball  sei das legitim, bei Entscheidungen über den Euro nicht.   

Dass Weidmann betont, im EZB-Rat  „Verantwortung für den Euro als Ganzes“ zu tragen, ist eine Art Bewerbungsschreiben. Der enge Merkel-Berater während der Eurokrise ist Topanwärter   für den Job des EZB-Chefs ab November 2019.   Südeuropäer eint aber die Sorge, der Hardliner könnte zu sehr deutsche Interessen vertreten. Mit der kürzlich erfolgten Bestellung des Spaniers Luis de Guindos als EZB-Vize scheint der Weg für ihn frei. Aber das galt 2011 auch für Weidmann-Vorgänger Axel Weber – und am Ende wurde der Italiener Mario Draghi EZB-Chef.

Weidmann erhielt am Montag im Kassensaal der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) das „Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich“ verliehen. In Abwesenheit von Finanzminister Hartwig Löger überreichte OeNB-Chef  Ewald Nowotny die Auszeichnung an seinen Kollegen im EZB-Rat. Es ist übrigens der vierthöchste Orden - und der gleiche, den FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Vorjahr für seine langjährige Nationalratstätigkeit überreicht bekommen hatte.

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