Wirtschaft

EU-Schlupfloch sorgte für Panama-Boom

Die Panama-Papers zeigen eine auffällige Statistikspitze: Die meisten Briefkastenfirmen (13.287) richtete die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca 2005 ein. Nicht ohne Grund, vermutet Achim Pross, der den globalen Kampf der Reiche-Staaten-Organisation OECD gegen Steuerhinterziehung leitet. Im Juli 2005 trat nämlich die EU-Zinsrichtlinie in Kraft, die eine Meldepflicht für Auslandskonten von EU-Bürgern vorsah – aber mit Riesenlücken. Via Panama ließ sich die Berichtspflicht aushebeln.

Aus heimischer Sicht kein Ruhmesblatt: Österreich hat die Zinsrichtlinie bis 2014 überhaupt blockiert. Die neue, bessere OECD-Waffe gegen Steuerflucht soll jetzt der automatische Austausch von Bankdaten werden: 96 Länder haben zugesagt, ab September 2017 oder 2018 jedes Konto eines Ausländers an dessen Heimatbehörden zu melden. Dann ohne neue Schlupflöcher? Der KURIER sprach dazu mit Pross, der die neuen OECD-Standards verantwortet.

KURIER: Die Anti-Geldwäsche-Behörde (Financial Action Task Force) gratulierte Panama noch im Februar 2016 zu Fortschritten. Sie sagen, Panama verweigere als eines der letzten Länder die Kooperation. Wie passt das zusammen?

Achim Pross: Dazu müssen Sie die Kollegen der FATF fragen, sie gehören institutionell nicht zur OECD. Panama hat bestimmte Fortschritte gemacht (siehe Story unten). Was aber den OECD-Standard für den automatischen Informationsaustausch von Bankdaten betrifft, so machen 96 Finanzzentren ab 2017 oder 2018 mit, nur vier nicht: das sind Bahrain, Vanuatu, Panama und Nauru. Davon ist Panama sicher wirtschaftlich am bedeutendsten. Die Gründe, warum sich Panama weigert, sehen wir jetzt.

Die OECD führt eine Liste, welche konkreten Schritte die Länder schon umgesetzt haben. Da fehlen noch sehr viele Häkchen, bei vielen Ländern. Ein Grund zur Sorge?

Der erste Schritt ist, dass eine Regierung sich öffentlich dazu bekennt, den Informationsaustausch umzusetzen. Darauf kann man sich in der Regel verlassen. Natürlich zieht sich die Umsetzung, die gesetzlichen Grundlagen müssen auch erst bis 2017 oder 2018 geschaffen sein. Mir ist nicht bekannt, dass nichts passieren würde.

Sie erwarten, dass alle Länder das wie geplant umsetzen?

Wir gehen davon aus, hören auch nichts Gegenteiliges. In Europa gibt es eine rechtsverbindliche Richtlinie, die wird umgesetzt. Außerdem haben wir ein Mandat, die richtige Umsetzung zu überprüfen und das wird auch geschehen.

Hängen Intransparenz, Geldwäsche und Steuerhinterziehung nicht eng zusammen?

Wir als Steuerleute arbeiten hier aus der Perspektive des Steuerrechts. Aber natürlich verknüpft sich Steuerhinterziehung mit Korruption oder Geldwäsche. Da hat es schon eine abschreckende Wirkung, wenn jemand weiß, dass ein Konto den Finanzbehörden seines Landes künftig gemeldet wird. Wir schauen dabei ja auch durch intransparente Gesellschaften durch. Es ist wichtig, dass wir das Problem lösen und nicht irgendwohin verlagern, wo jemand nicht mitspielt. Wenn 96 Länder mitziehen, gibt es keinen Grund, dass ein Land sich verschließt.

Können Sie garantieren, dass der Hintermann gemeldet werden kann und nicht durch Briefkasten- oder Treuhänderkonstruktionen verborgen bleibt?

So wie wir die 307 Seiten geschrieben haben, ist das sehr dicht aufgebaut. Ist es perfekt? Das wird man sehen. Von der Architektur ist alles drin: Banken, Trusts, Stiftungen, Fonds, Versicherungsgesellschaften, alle Formen von Einkünften, dazu der Kontostand. Wenn es passive Gesellschaftskonstruktionen gibt, müssen wir auf den Begünstigten durchschauen können.

Bisher gab es immer wieder Schlupflöcher. Künftig nicht?

Der OECD-Standard ist sicher wesentlich perfekter, als die Zinsrichtlinie in Europa je war. Die hatte einige Schwachpunkte. So waren zum Beispiel nur natürliche Personen umfasst. Ich spekuliere jetzt, aber es klingt plausibel, dass das den Peak der Panama-Gesellschaften um das Jahr 2005 erklärt. Wer so etwas gegründet hat, konnte die Berichtspflicht vermeiden. Oder es waren nur bestimmte Zinsen umfasst, manche Versicherungsprodukte nicht. Aufbauend auf diese Erfahrung haben die USA (das Steuergesetz) FATCA entwickelt, das viel strenger ausgefallen ist – auch weil zunächst nur ausländische Banken betroffen waren, da ist man aggressiver in der Ausgestaltung. FATCA war die Grundlage für den automatischen Austausch, der von den OECD/G20-Staaten entwickelt wurde.

Es gibt Forderungen, dass die Inhaber von Briefkastenfirmen in Registern aufgeführt werden. Braucht es das gar nicht?

Das kann durchaus sinnvoll sein. So etwas ist auch schon in der vierten EU-Geldwäsche-Richtlinie angelegt.

Die USA unterzeichnen den OECD-Standard nicht. Stimmt der Vorwurf, dass die US-Variante FATCA nur nach außen scharf ist, im Gegenzug aber wenige Bankdaten preisgibt?

In den bilateralen Abkommen mit den USA steht ganz klar, wer was liefert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liefern die USA weniger als der ausländische Staat, das ist einfach Fakt. Gleichzeitig hat sich die US-Regierung aber verpflichtet, völlige Wechselseitigkeit herzustellen. Passiert ist das noch nicht. Eine Vorlage schlummert im Kongress, wo im Moment generell wenig passiert. Die Regierung steht aber dahinter - da müssen wir abwarten.

OECD-Liste der Länder, die den Datenaustausch zusagen

September 2017 oder 2018: Wer tauscht ab wann Kontodaten aus?

Welche Schritte haben die Länder schon umgesetzt?

"Eine Art oberster internationaler Steueroasenbekämpfungsexperte": So wird Achim Pross vom Magazin Die Zeit bezeichnet. Der deutsche Jurist leitet die Abteilung für internationale Zusammenarbeit und Steuern bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) in Paris. Die OECD ist die internationale Speerspitze im Kampf gegen Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung - womit die Praktiken von Apple, Google, Amazon bzw. Irland, Niederlande, Luxemburg und Co. gemeint sind. Vor 2001 arbeitete Pross für eine große US-Anwaltskanzlei und lehrte an der Universität München.

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Es klingt im Nachhinein völlig absurd: Am 19. Februar 2016 gratuliert die Anti-Geldwäsche-Institution FATF (Financial Action Task Force) Panama für seine "signifikanten Fortschritte" im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung. Weil der Mittelamerika-Staat damit zuvor identifizierte Schwachstellen behoben habe, könne er aus dem FATF-Monitoring entlassen werden.

Nur 13 sind unkooperativ?

Auf der Liste der "unkooperativen Hochrisiko-Staaten" der FATF finden sich aktuell überhaupt nur 13 Staaten, nämlich Afghanistan, Bosnien-Herzegowina, Nordkorea, Guyana, Iran, Irak, Laos, Myanmar, Papua-Neuguinea, Syrien, Uganda, Vanuatu und Jemen. Wie ist das zu erklären?

"Die Panama-Papers zeigen, wie wichtig es ist, dass alle Länder die FATF-Standards komplett und effizient umsetzen, ganz besonders was die letztendlichen wirtschaftlichen Eigentümer (beneficial ownership) betrifft", antwortet FATF-Sprecherin Alexandra Wijmenga-Daniel auf KURIER-Anfrage. Gemeint sind damit die eigentlich Eigentümer von intransparenten Konstruktionen, etwa über Briefkastenfirmen oder verschachtelte Stiftungs- und Treuhandkonstruktionen.

2014 Rüge für Panama

Bei Panama seien 2014 "strategische Schwachstellen im Gesetzeswesen, Rechtsvollzug und im operativen Rahmen für den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung" festgestellt worden. Als Folge dieser FATF-Rüge sei Panama aktiv geworden: Die Regierung habe gerade erst im Jänner 2016 eine "Reihe von Maßnahmen" gesetzt, um die FATF-Standards unter anderem bei den wirtschaftlichen Eigentümern und beruflichen Standesvorschriften außerhalb der Finanzindustrie einzuhalten. Das sei im Februar 2016 bei der Plenarversammlung von der FATF gewürdigt worden.

"Panama muss sich jetzt auf die Umsetzung konzentrieren und mit der regionalen FATF-ähnlichen Behörde GAFILAT zusammenarbeiten, um sein Anti-Geldwäsche-Regime noch weiter zu verbessern", sagt Wijmenga-Daniel. Den Erfolg oder Misserfolg werde GAFILAT 2017 neu bewerten. Die FATF werde ihre Liste der Hochrisikoländer im Juni 2016 überarbeiten.

Und wie ist es zu erklären, dass die OECD Panama - anders als die FATF - als unkooperativ bewertet? "Die OECD fokussiert auf Steuern, die FATF hingegen auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung." Dabei gebe es Überlappungen, es sei aber nicht dasselbe, so Wijmenga-Daniel. Die OECD-Steuerregeln würden aber auf den FATF-Regeln für die wirtschaftlichen Eigentümer aufbauen. "Das heißt: Wenn Panama aktiv geworden ist, um die FATF-Standards zu erfüllen, dann ist dadurch ein Anfang gemacht, dass sie auch einen Teil der Steuer-Vorschriften einhalten. Trotzdem gibt es noch viele andere Steuer-Vorschriften, die sie womöglich nicht erfüllen."

1989 gegründet

Die FATF (Financial Action Task Force) ist zwar bei der OECD in Paris angesiedelt, aber eine andere Institution. Sie wurde 1989 von der Gruppe der sieben mächtigsten Volkswirtschaften (G7) gegründet. Sie hat aktuell 36 Mitgliedsstaaten und entwickelt weltweite Standards gegen Geldwäsche.