EU-Politik kommt bei den Bürgern nicht an
Von Peter Rabl
Und wieder gab es beim jetzt schon 19. Krisengipfel der EU einen "Durchbruch". Und wieder einmal reagierten "die Märkte" positiv, ließen Zinsen leicht sinken und Kurse flott steigen. Und wieder EU-Politik, die bei den Bürgern nicht ankommt. Weil sie höchst komplex und kaum verständlich formuliert ist. Und weil für Millionen Arbeitslose wenig getan wird.
Bezeichnenderweise war am Freitagnachmittag die geplante Abstimmung des deutschen Bundestages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) einige Stunden unsicher. Abgeordnete sahen sich außerstande, die komplizierten Gipfelbeschlüsse und ihre Folgen für Deutschland seriös zu bewerten.
Wie soll dann erst selbst ein gut informierter Bürger noch verstehen, was da in Brüssel genau beschlossen wurde und welche Folgen das über den kurzen Rausch der Finanzspekulanten hinaus haben wird.
Klar ist, dass die zum Teil schwer angeschlagenen Banken in Süd- und Westeuropa künftig leichter an das Geld des Rettungsschirmes kommen und dass die angeschlagenen Schuldenstaaten Spanien und Italien für Finanzhilfen keine strengen Auflagen akzeptieren müssen. Da werden übrigens die Griechen jetzt aber mächtig am Sanierungsjoch der Troika rütteln.
Ebenso klar ist, dass mit solchen gelockerten Spielregeln die Ausfallsrisken für die Hauptzahler aller Rettungsmanöver steigen. Nicht nur für die Deutschen, auch wir sind mit 21 Milliarden für den ESM dabei, auch für unsere Nationalbank schlummern in den Büchern der Europäischen Zentralbank teure Unsicherheiten.
Dünnes Wachstumspaket
Erstmals, und das ist tatsächlich ein Durchbruch, hat dieser Gipfel auch ein Wachstumspaket zur Bekämpfung der Jugend-Arbeitslosigkeit geschnürt. Ein ziemlich dünnes zwar, aber doch ein Erfolg für sozialdemokratische EU-Politiker wie den neuen Big Player Hollande oder auch den Nebendarsteller Faymann.
120 Milliarden Euro sind nicht wirklich ein berauschender Betrag. Nur zum Vergleich: Das kürzlich vom heimischen Parlament beschlossene Investitionsprogramm für die ÖBB beträgt 30 Milliarden.
Fast die Hälfte kommt aus bestehenden Fördertöpfen der EU. Die schlummerten dort bisher ungenutzt, während allein im letzten Jahr in Euroland 1,5 Millionen mehr Bürger arbeitslos wurden. Vor lauter Ringen um die Gunst der Märkte sind da die Menschen offenbar aus dem Fokus der Brüsseler Politik gerutscht.
Das wird sich rasch und sehr deutlich ändern müssen. Nicht nur in Form verbesserter Information. Denn es ist für eine dauerhafte Stabilisierung von EU und Euro offensichtlich unvermeidlich, dass die Mitgliedsstaaten weitgehend auf nationale Kompetenzen zugunsten zentraler gemeinsamer Institutionen verzichten.
Das bedeutet ebenso unvermeidlich in vielen Staaten eine gravierende Verfassungsänderung, die nur über Volksabstimmungen erfolgen kann.
Dafür gibt es in kaum einem EU-Land eine Mehrheit.
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