Wirtschaft

Ende des lockeren EZB-Geldes: "Gute Nachricht für Sparer"

Die Rekordinflation im Euroraum zwingt Europas Währungshüter zum Gegensteuern. Im Juli wird die Europäische Zentralbank (EZB) aller Voraussicht nach erstmals seit elf Jahren die Zinsen wieder anheben, im September soll der zweite Zinsschritt folgen. 

Die Weichen in Richtung steigende Zinsen wird der Rat aller Voraussicht nach bei seiner auswärtigen Sitzung heute, Donnerstag, in Amsterdam stellen. "Die EZB-Vertreter haben in den letzten Wochen schon eindeutige Signale gesendet, dass die EZB auch an der Zinsschraube wird drehen müssen. Spät, aber doch, muss man sagen", so RBI-Chefanalyst Peter Brezinschek im Ö1-Morgenjournal. "Damit ist der Schritt weg von der Krisenpolitik der letzten Jahre getan.“

In den vergangenen Wochen hat der Druck auf die Zentralbank zugenommen, nach Jahren des ultralockeren Kurses umzusteuern und mit Zinsanhebungen die rekordhohe Teuerung einzudämmen. Mit ungefähr acht Prozent sind die Teuerungsraten derzeit meilenweit entfernt vom Zwei-Prozent-Mittelfristziel der EZB.

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Was im Raum steht

Erwartet wird, dass der EZB-Rat beschließen wird, ab Juli keine frischen Milliarden mehr in den Kauf von Staatsanleihen und Wertpapieren von Unternehmen zu pumpen. Anfang vergangener Woche betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde ungewohnt deutlich: Sie erwarte "sehr früh im dritten Quartal" ein Ende der Netto-Wertpapierkäufe. "Dies würde uns eine Anhebung der Zinssätze auf unserer Sitzung im Juli ermöglichen, im Einklang mit unseren Prognosen." Die Juli-Sitzung des EZB-Rats ist für den 21. Juli angesetzt.

Nach dem Ende der Netto-Anleihenkäufe könnte bei der nächsten Sitzung ein erster Zinsschritt folgen. Lagarde kündigte an, bis Ende September 2022 die Negativzinsen im Euroraum beendet haben zu wollen. Volkswirte rechnen damit, dass die EZB dann zunächst den negativen Einlagensatz in Richtung der Nullmarke bewegen wird. Derzeit müssen Banken 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken.

Der Leitzins im Euroraum, der seit mehr als sechs Jahren auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent verharrt, könnte später angehoben werden. Brezinschek erwartet für heuer, dass der Leitzins in Summe um einen Prozentpunkt angehoben wird. "Das ist die gute Nachricht für die Sparer." Doch hat die Zinswende auch Schattenseiten.

Was die Zinswende bedeutet: 

Verbraucher: Die hohe Inflation belastet die Menschen. Sie können sich für einen Euro zunehmend weniger leisten. Auf eine schnelle Entspannung bei den Preisen können Verbraucherinnen und Verbraucher allerdings auch im Falle einer Zinserhöhung zunächst nicht hoffen. Gegen steigende Energiepreise, die die Inflation vor allem anheizen, sind Europas Währungshüter weitgehend machtlos. Die Notenbank kann aber dazu beitragen, dass sich die Teuerungsrate nicht dauerhaft auf hohem Niveau festsetzt.

Sorgen bereiten den Notenbankern mögliche Zweitrundeneffekte wie eine Lohn-Preis-Spirale. Steigen die Löhne als Reaktion auf die hohe Inflation zu stark, könnte das die Preise weiter nach oben treiben, weil Unternehmen gestiegene Löhne als Rechtfertigung von weiteren Preiserhöhungen heranziehen. Löhne und Preise schaukeln sich dann gegenseitig hoch.

Sparer: Derzeit müssen Banken 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. In Europa geben viele Institute diese Belastung als sogenanntes Verwahrentgelt an Privatkunden weiter. Für Österreich wurde schon im Jahr 2009 vom Obersten Gerichtshof beschlossen, dass Banken für Spareinlagen keine Null- oder Negativzinsen verlangen dürfen. Für heimische Sparer dürfte sich also laut Ewald Nowotny, ehemaliger Gouverneur der Österreichischen Nationalbank und Mitglied des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB-Rat), nur wenig ändern, wie er im Ö1-Morgenjournal sagt.

Wo sich laut Nowotny schon etwas ändert, ist der Bereich der längerfristigen Anleihen. Zehnjährige Bundesanleihen etwa waren im Vorjahr noch negativ, die jüngste Bundesanleihe hat schon eine Rendite von 1,78 Prozent. In diesem Bereich wird er Erhöhungen geben und das wiederum habe dann Auswirkungen auf etwa Pensionsfonds, so Nowotny.

Kreditnehmer: Für sie wird es teurer, hauptsächlich für all jene, die eine Kreditform mit variablem Zinssatz gewählt haben. Steigen diese variablen Zinssätze, wird der Kredit generell teurer. Wobei dies laut Nowotny nicht in "dramatischen Größenordnungen" zu erwarten ist,

Generell erhöhen Zinserhöhungen die Kosten für Kredite und bremsen so die Nachfrage. Das hilft dabei, die Inflation im Griff zu behalten. Nach Erfahrung von Verbraucherschützern geben Banken und Sparkassen steigende Zinsen an Kreditnehmer vergleichsweise zügig weiter. 

Aktionäre: Jahrelang profitierten die Börsen von den Niedrigzinsen und der Geldschwemme großer Notenbanken. In der Zinsflaute herrschte Anlagenotstand, Investoren mussten das viele billige Geld schließlich irgendwo anlegen. Sie setzten daher verstärkt auf Aktien, die auch dank Dividenden attraktiver waren als manche andere Geldanlage. Das trieb die Aktienkurse nach oben. Bei einem Ende der ultralockeren Geldpolitik könnten andere Anlagen wieder an Attraktivität gewinnen.