Wirtschaft

Dürre: Zittern um die Ernte

Im Jänner ein Drittel weniger Sonnenstunden als normal, im April zu wenig, dafür im Mai zu viel Regen, der trockenste Juli seit 155 Jahren und jetzt die Hitze: Landwirte kämpfen mit Wetterkapriolen und vertrockneten Feldern. „Die derzeitigen Schätzungen gehen in die Hunderte Millionen Euro Gesamtschaden und es wird leider noch mehr werden“, sagt Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich. Im Ministerrat soll kommende Woche ein Hilfspaket geschnürt werden. Auf der Agenda stehen eine Futtermittelankaufaktion, die Stundung von Krediten sowie Zuschüsse.

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Jene Bauern, die Wintergerste, Weichweizen, Roggen oder Raps anbauen, haben den Großteil der Ernte bereits eingefahren. Menge und Qualität haben nicht gelitten, die Preiskurve zeigt aber aufgrund der weltweiten Rekordernten talwärts. Die Speicher sind voll. Binnen zwölf Monaten sind die Preise für Weizen und Mais um etwa 30 Prozent gefallen.

20 Prozent weniger Mais

Während das Schönwetter den österreichischen Getreidebauern optimale Erntebedingungen beschert hat, vertrocknen die Herbstkulturen, also Mais, Soja und Sonnenblumen. „Alles was jetzt noch auf dem Feld ist, leidet bei Temperaturen um 40 Grad Celsius und hat das Wachstum eingestellt“, sagt AMA-Aufsichtsratschef Franz Stefan Hautzinger.

Von den österreichweit knapp 887.000 Hektar Getreideanbaufläche entfallen rund 314.000 auf Mais. Während im Vorjahr 2,3 Millionen Tonnen Mais geerntet wurden, liegen die Prognosen heuer bei 1,9 Millionen Tonnen. Bei Körnermais drohen in Kärnten und der Steiermark sogar Totalausfälle.

Auch um die Kürbis- und Sonnenblumenfelder ist es heuer schlecht bestellt. Die Steiermark meldet zudem einen „massiven Rückschlag“ bei Holunder.

Geht es nach Hautzinger, müssten viel mehr Felder bewässert werden. In Gegenden mit genügend Trinkwasser, ist das schon weit verbreitet. Ein Millimeter künstlicher Niederschlag schlägt sich mit rund drei Euro Kosten zu Buche, rechnet Hautzinger vor. In Summe werden geschätzte acht Prozent der Agrarfläche bewässert. In der burgenländischen Weinbauregion Seewinkel steht rund die Hälfte der Rebfläche unter Tröpfchenbewässerung, auf den Gemüsefeldern im Marchfeld ist Bewässerung quasi Standard, in Kartoffelanbaugebieten wie Hollabrunn dagegen gar nicht denkbar.

Kartoffel-Chips

Kelly-Chef Wolfgang Hötschl verschafft sich gerade einen Überblick über seine Vertragsbauern. Ein Drittel der Kartoffelzulieferer des Chips-Produzenten bewässern ihre Felder. „Da können wir entspannt sein“, so Hötschl. Wie die Ernte auf den anderen Feldern ausfallen wird, wird das Wetter in den nächsten zwei Wochen entscheiden. „Fakt ist, dass die Kartoffeln seit Wochen nicht mehr wachsen“, klagt Hötschl. Solange die Stauden grün bleiben, können sie aber nachwachsen, so die Hoffnung. Zuletzt hätte es 2003 so eine Dürre auf den Feldern gegeben, erinnert sich Hötschl. Ob die Ernte auch zu steigenden Preisen bei Knabbergebäck führen wird, kann Hötschl noch nicht sagen. Traditionell feilschen Produzenten und Händler im Herbst um Preisanpassungen in den Supermarktregalen.

Normalerweise gibt eine Weidekuh zwischen 20 und 25 Liter Milch pro Tag, derzeit sind es nur 10 bis 15 Liter. Die Hitze aber viel mehr noch die Trockenheit, die sich auf das Futterangebot negativ auswirkt, lässt heimische Milchkühe ihre Produktion zurückfahren. "Die Kärntnermilch verzeichnet derzeit eine um 5 Prozent geringere Milchmenge als in sonstigen Sommern", erklärt Rudi Vierbauch, Obmann von Bio Austria und Vorstandsmitglied der Kärntnermilch mit Sitz in Spittal/Drau im APA-Interview. "Kleine Betriebe verzeichnen teilweise Totalausfälle. Bei Größeren gibt es Produktionseinbußen von 25 bis 40 Prozent." Betriebe mit Weidehaltung - meist Biobetriebe - seien besonders betroffen.

"Die Landwirte sind je nach ihrem Betriebsmodell unterschiedlich schwer betroffen", so Vierbauch. "Jene Betriebe, die besonders viel Milch liefern, halten die Kühe in den allermeisten Fällen im Stall. Meist greifen die Bauern dort aktuell - wo auf der Wiese so gut wie nichts wächst - auf die Winterfuttervorräte zurück. Das heißt zwar, dass sich die Trockenperiode bei ihnen derzeit noch nicht stark auf die Produktion auswirkt - aber dann, wenn man sieht, es wird zu wenig Futter für den Winter. Das Problem verschiebt sich zeitlich", erklärt der Obmann von Bio Austria.

Milch wird teurer

Als Folge wird der Milchpreis steigen. Die Milchbauern der Kärntnermilch erhalten laut ORF seit Juli von der Molkerei mit 43 Cent pro Liter um 3,5 Cent mehr als zuletzt. In rund zwei Wochen soll dann der Milchpreis auch im Verkaufsregal steigen - um fünf bis zehn Cent pro Liter, sagte der Chef der Kärntnermilch, Helmut Petschar, zum ORF.

Produktionseinbußen von 25 bis 40 Prozent

Aber: "Speziell bei den Biobetrieben und Betrieben, die auf der Weide halten", gebe es "locker Produktionseinbußen von 25 bis 40 Prozent". Die Weidekühe würden "zwischen 25 und 45 Prozent der Milch, die sie geben, über das Weidegras produzieren". Wenn es zu wenig Weidegras gibt, wie derzeit recht verbreitet in Österreich, werde entweder zugefüttert, was zu einem Problem wie bei den Stallhaltern führe, oder die Kühe würden früher "trockengestellt". Normalerweise sind dafür, bevor die Kuh kalbt, 2 Monate vorgesehen. "Diese Phase wird aktuell um bis zu 6 Wochen erweitert, weil die Milchproduktion mit dem schlechten Futterangebot ohnehin stark runtergeht", erklärt der Experte. Normalerweise gebe eine Weidekuh zwischen 20 und 25 Liter Milch pro Tag, derzeit nur mehr 10 bis 15 Liter.

Insgesamt seien die Schwierigkeiten aber "nicht über einen Kamm scherbar", weil die Betriebe so unterschiedlich seien, wie die Landwirtschaft an sich. "Einer auf der Sonnseite hat vielleicht 100 Prozent Ausfall, einer gar nicht weit weg im Tal vielleicht nur 30 Prozent. Von bis ist aber alles da", so Vierbauch.

Für die Molkereien sei die Situation schwierig, "weil gerade in der Sommerzeit tendenziell eher weniger Milch geliefert wird und es jetzt noch einmal eine Mindermenge gibt - dann hat die Molkerei auch mit größer werdenden Problemen zu kämpfen.