Wirtschaft

Dobusch hat Vertrag unterschrieben, aber nicht gelesen

Der Saal 708 im Handelsgericht Wien platzte am Montag aus allen Nähten. Denn: Im 418 Millionen Euro schweren Zivilprozess zwischen der Stadt Linz und der Bawag um die desaströse Zinswette „Swap 4175“ musste der Linzer Bürgermeister Franz Dobusch zur Einvernahme antreten. Der altgediente SPÖ-Politiker schilderte vor Richter Andreas Pablik in breitem oberösterreichischen Dialekt, wie er angeblich erst Ende März 2010 über die massive Schieflage des 2007 abgeschlossenen Spekulationsgeschäfts erfuhr und die Stadt Linz statt Zinsgewinnen Millionenzahlungen an die Bawag zu leisten hatte. „Ich habe mir gedacht, es wird nicht so schwer sein, aus dem Geschäft auszusteigen“, sagte Dobusch. „Die Bawag war unsere Hausbank und der frühere Bawag-Generaldirektor Ewald Nowotny war eine besondere Vertrauensperson.“ Nachsatz: „Er hatte sein Nationalratsmandat von uns.“ Er habe geglaubt, dass Linz das mit „Nowotny hinbringe und mit einem blauen Auge davonkomme“. Bawag-Vorstand Regina Prehofer soll ihm aber im Juli 2010 vorgerechnet haben, dass Linz ein Ausstieg 60 bis 90 Millionen Euro koste.

Rat unter Freunden

„Ich war fuchsteufelswild, dass man die Stadt hineingelassen hat“, klagte Dobusch dem Richter. Danach soll ihm Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny geraten haben, einen Anwalt zu nehmen, was der auch tat. Beim nächsten „Gespräch“ mit der Bank wurde dem Stadtchef dann vorgerechnet, dass ein Ausstieg 415 Millionen Euro plus fünf Prozent Zinsen bis ins Jahr 2050 koste. Er sei von oben herab als „Provinzler“ behandelt worden, sagt Dobusch. „Warum seid ihr überhaupt hier“, sei er nach einem zweistündigen Gespräch gefragt worden. Dobusch kontaktierte daraufhin erneut seinen Freund Nowotny. „Er sagte, lieber Franz, es tut mir leid, ich kann euch nicht helfen“, schildert Dobusch das Telefonat. „Das war das letzte Gespräch, das ich mit Nowotny geführt habe.“ Für den Bürgermeister ist die Zinswette „Swap 4175“, die seiner offenbar völlig überforderten Finanzverwaltung unter dem damaligen Finanzdirektor Walter P. von der Bawag angedient wurde, „unethisch, grauslich und nichtig“.

Indes bohrte Richter Pablik in Sachen Verantwortung bei Dobusch nach. So musste der Stadtchef zugeben, dass er den Rahmenvertrag für Finanzgeschäfte mit der Bawag nur unterschrieben, aber nicht gelesen habe. Er habe derart viele Unterschriften zu leisten, dass er nicht alles lesen könne, gab Dobusch an. 47.000 Unterschriften habe er seit seinem Dienstantritt 1988 geleistet. Dobusch sagte auch, er müsse auf seine Personen in der Verwaltung vertrauen können, sonst würde man ja die ganze Bürokratie gar nicht benötigen. Richter Pablik: „Ich habe nach Durchsicht des Aktes den Eindruck, dass jeder, der seine Unterschrift dazu schmeißt, glaubt, dass sich die anderen drei, vier Personen das eh angeschaut haben.“

In den Boomjahren vor der Krise 2008 erlagen nicht nur die großen Städte dem Lockruf der Banken, die mit neuen Finanzprodukten hohe Renditen versprachen. Mehr als 100 der 2350 österreichischen Gemeinden griffen begierig zu, der Großteil von ihnen in Niederösterreich.

Nach anfänglichen Gewinnen kam nach dem Crash der Börsen 2008 die Ernüchterung. Aus den erwarteten attraktiven Renditen waren Millionen-Verluste geworden. Die Schuld wurde rasch den Banken zugeschoben, die beim Verkauf der Produkte schlecht informiert haben sollen. Tatsächlich haben die Banken in vielen Fällen klein beigegeben und Vergleiche mit den Gemeinden geschlossen. Einen Großteil der Verluste, die 2008 noch auf 50 Millionen Euro geschätzt wurden, trugen die Kreditinstitute im Endeffekt selbst.

„Die meisten Fälle sind erledigt“, sagt Helmut Mödlhammer, Präsident des Gemeindebundes (Bild). Nur etwa 20 Gemeinden würden noch mit den Banken streiten. Geschmolzen ist auch die Verlustsumme. „Im Endeffekt ging es nicht um 50 Millionen, sondern um lediglich zwölf Millionen Euro Verluste“, betont Mödlhammer.

Es waren aber nicht nur komplizierte Finanzprodukte, mit denen sich Gemeinden die Finger verbrannt haben. Auch mit simplen Aktien verloren Gemeinden Geld. Österreichweit bekannt wurde das steirische Hartberg, das mit Meinl European Land 2,5 Millionen Euro in den Sand setzte. Die Immobilien-Aktie bescherte auch Bad Vöslau und der burgenländischen Gemeinde Oberschützen ein böses Erwachen.

Verbote

Der Gemeindebund hat rasch nach Bekanntwerden der ersten Verluste 2009 eine „Spekulationsbeschränkung“ erlassen. „Seit damals ist mir kein Fall von Spekulationsgeschäft einer Gemeinde mehr bekannt“, betont Mödlhammer. Die Kommunen dürfen seither Swaps nur noch zur Absicherung abschließen und müssen bei Aktien- oder Fondskäufen mehrere Gutachten vorlegen. Dass Gemeinden ein Finanzmanagement einführen sollten, hält Mödlhammer für unsinnig: „Die großen Verluste haben genau die Städte eingefahren, die ein Finanzmanagement hatten.“