Wirtschaft

Die Telekomplizen

So haben sich die Herren das Ende ihrer Karrieren ganz sicher nicht vorgestellt. Ab Montag,stehen sie noch einmal im Rampenlicht. Aber nicht wie früher als gefeierte Stars der heimischen Wirtschaftswelt, sondern als Angeklagte im Wiener Straflandesgericht.

Der Prozess um die Kursmanipulationsaffäre ist der Auftakt eines Verhandlungsreigens über die kriminelle Vergangenheit der Telekom Austria (TA) und hat für Österreich noch nie dagewesene Dimensionen.

Fast der gesamte (frühere) Vorstand eines Großkonzerns, Schwergewicht an der Wiener Börse, steht wegen des Verdachts der Untreue vor einem Schöffengericht. Es geht um mehr als zehn Millionen Euro – Geld der Aktionäre und der Steuerzahler. Die Republik ist noch mit rund 28 Prozent an der Telekom beteiligt. Ab Montag wird auch Gericht gehalten über eine schamlose Selbstbedienungs-Mentalität von Managern, die dieses Unternehmen abzockten wie einen Bankomat und Schmiergelder an die halbe Republik verteilten.

Auf der Anklagebank:

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Heinz Sundt, vorzeitig pensionierter Ex-Chef der Telekom. SowieStefano Colombo, Ex-Finanzvorstand,Rudolf Fischer, ehemaliger Festnetz-Chef,Josef Trimmel, ehemaliger Leiter des Geschäftskunden-Bereichs und der BankerJohann Wanovits. Ex-VorstandGernot Schieszlerhat den Kronzeugen-Status beantragt und ist daher als Zeuge geladen. Ebenso wie der LobbyistPeter Hochegger, der in einem gesonderten Verfahren abgehandelt wird. Für die Angeklagten kann es sehr ungemütlich werden, ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft. Und RichterMichael Tolstiukgilt als „scharfer Hund“.

Staatsanwalt Hannes Wandl wirft den Ex-Bossen vor, Wanovits, Eigentümer der Euro Invest, für Geld der Telekom beauftragt zu haben, den Kurs zu manipulieren. Damit der Vorstand und 95 leitende TA-Mitarbeiter in den Genuss eines Optionsprogramms über insgesamt 8,87 Million Euro kamen.

Was im Februar 2004 geschah

In der entscheidenden letzten Februar-Woche des Jahres 2004 ging der Kurs in der täglichen mehrminütigen Schluss-Auktion an der Wiener Börse immer nach unten. Sah nicht gut aus, denn für das großzügige Belohnungsprogramm musste über die Woche ein Durchschnittskurs von 11,70 Euro erreicht werden. Sundt und Fischer sollen, so die Anklage, Druck auf Colombo gemacht haben, den Kurs zu „stimulieren“. Praktisch, dass sich Trimmel und Wanovits, beide Burgenländer, schon lange kannten. Beim Heringsschmaus im Wirtshaus „Hansy“ am Praterstern trafen sich dann der Banker und Schieszler. Für 1,5 Millionen Euro Honorar wurde man handelseins.

Wanovits versteht sein Geschäft. Er jagte den Kurs in einem Herzschlagfinale am letzten Tag zwei Minuten vor Verfall der Frist mit einer Großorder über 1,2 Millionen Stück Aktien auf 11,730 Euro. Somit war der Durchschnittskurs erreicht und über die Manager ergoss sich ein Geldregen.

Am meisten kassierten die Chefs ab. Sundt, Fischer und Colombo freuten sich über je 392.719 Euro, Trimmel lukrierte 224.698 Euro und Schieszler machte mit mehr als 122.174 Euro Kasse.

Wie jedoch Wanovits bezahlen? In der Öffentlichkeit wurde damals heftig über Ungereimtheiten spekuliert und die Finanzmarktaufsicht ermittelte – aber erfolglos.

Doch wofür hielt sich die Telekom Hochegger? Der stellte über seine Zweitfirma Valora eine Scheinrechnung über 1,5 Millionen Euro für „Screening der ost- und südosteuropäischen Telekom-Märkte“ aus. Der Wirtschaftsprüfer Deloitte sollte später feststellen, dass die Präsentation von TA-Mitarbeitern stammte, der KURIER berichtete vergangenen Sonntag.

Scheinprojekt im Jahr 2008

2008 setzte man ein zweites Scheinprojekt über 880.000 Euro auf („Lobbying Beamtenagentur“). Wanovits wurde mit insgesamt rund 600.000 Euro in Cash entlohnt, die Hochegger von seinen Konten abhob. Einmal fand die Übergabe in einem Plastiksackerl in Schieszlers Auto statt, das zweite Mal ausgerechnet bei einem Referat des Kriminalpsychologen Thomas Müller vor TA-Führungskräften.

Ganz so einfach wird die Sache für den Staatsanwalt allerdings auch wieder nicht. Denn die Verteidiger werden damit argumentieren, dass der Kurs ganz gezielt nach unten manipuliert worden sei. Und das könnte auch durchaus stimmen. Colombo sicherte das Optionsprogramm für die horrende Prämie von 15,3 Millionen Euro bei der Investmentbank Merrill Lynch ab. Der Sinn: Bleibt der Kurs unter 11,70, muss Merrill Lynch die erforderlichen Aktien nicht liefern und könnte die gesamte Prämie einstecken.

In den Schlussauktionen hatte die Deutsche Bank groß gehandelt, sowohl als Käufer als auch als Verkäufer. Sollte ein- und derselbe Auftraggeber dahinterstehen, wäre dies ein verbotenes Scheingeschäft. Dass die Transaktionen obendrein teils über ein Konto abgewickelt wurden, das sich im „Schlafmodus“ befand, wurde als „Missverständnis“ erklärt. Wanovits machte eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft und die FMA ermittelte. Allerdings recht halbherzig, heraus kam nichts.

Die Telekom-Manager und Wanovits hätten also praktisch nur aus Notwehr gehandelt, eben weil der Kurs nach unten manipuliert worden sei. Trotzdem – zum Gegensteuern hätte kein Geld der Telekom verwendet werden dürfen.

Der Prozess ist maßgeblich dafür, ob Schieszler die Kronzeugen-Regelung erhält und damit straffrei davon kommt. Führen seine Aussagen zu Verurteilungen, stehen die Chancen gut. Staatsanwalt Wandl will anschließend den Vorhabensbericht über Hochegger und die Valora erstellen, dann entscheidet Christian Pilnacek, Strafsektionschef im Justizministerium, über den Kronzeugen-Status. Schieszler hat als Schadenswiedergutmachung 300.000 Euro auf einem Treuhandkonto hinterlegt.

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Fischer wiederum hat bereits sein Haus verkauft und 500.000 Euro als Wiedergutmachung deponiert. Er gibt auch zu, diese Summe als Honorar für Wanovits freigegeben zu haben. Der Ex-Vorstand hat bereits zwei weitere Anklagen am Hals, Höchststrafe ebenfalls 10 Jahre. Wegen angeblicher Zahlungen von 960.000 Euro für den Wahlkampf des BZÖ und wegen 600.000 Euro an den früheren FPÖ-WerberGernot Rumpold.

TA-Mann Trimmel könnte ebenso wie Fischer mit einer Strafmilderung davonkommen, er ist weitgehend geständig. Colombos Argumentation, er habe Schieszlers Vorschlag, wie man den Kurs hinbringen könne, gar nicht hören wollen und ihn weggeschickt, hält der Staatsanwalt für „lebensfremd“. Bei Sundt dagegen fragen sich Insider, warum er überhaupt angeklagt wurde. Der ehemalige Telekom-Boss wird von keinem seiner Ex-Kollegen belastet.