Wirtschaft

Zinspolitik der EZB: Zu spät und zu wenig?

Und sie bewegt sich doch. Christine Lagarde, oberste Währungshüterin der Eurozone, kündigte am Donnerstag nach Sitzung des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) an, am 21. Juli die Leitzinsen im Euroraum um 0,25 Prozentpunkte anzuheben. Das wird die erste Erhöhung seit elf Jahren. Seit mittlerweile 2014 liegen die Leitzinsen bei konstant null Prozent. Tiefe Zinsen sind gut für Kreditnehmer, aber schlecht für Sparer. Vor allem in Zeiten hoher Inflationsraten.

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Mitschuld daran ist auch der Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen der Eurozone durch die EZB. Das Programm läuft bereits seit 2015 und summiert sich auf rund fünf Billionen Euro. Es sollte konjunkturstimulierend wirken, was es auch tat. Allerdings wurde es laufend verlängert, zuletzt wegen der Pandemie.

Voraussetzung für den ersten Zinsschritt ist jedenfalls, dass die EZB mit Juli die Käufe beendet. Mit einer Ausnahme: Gelder aus auslaufenden Wertpapieren sollen „für längere Zeit“ weiter in Anleihen reinvestier werden.

Lagarde untätig

Während andere Staaten bereits den Weg aus den Nullzinsen fanden (USA oder Großbritannien), blieb Lagarde untätig. Schließlich muss sie die Interessen aller Euroländer vertreten, auch jene im Süden, die hoch verschuldet sind. Höhere Zinsen verzögern den Schuldenabbau. Doch eigentlich liegt das Ziel der EZB bei einer Inflationsrate von 2,0 Prozent.

Die EZB erwartet aber für heuer nun eine Teuerungsrate in der Eurozone von 6,8 Prozent. Noch im März waren 5,1 Prozent veranschlagt. Nächstes Jahr sollen es 3,5 (bisher 2,1) Prozent sein und erst 2024 dann 2,1 Prozent.

Weitere Erhöhungen

Auch wenn noch weitere Zinserhöhungen heuer folgen sollen (im September wahrscheinlich um 0,5 Prozentpunkte), kommt nach wie vor massive Kritik seitens der Wirtschaft und Ökonomen. „Zu wenig und zu spät“, sagt etwa Dirk Jandura, Präsident des deutschen Bundesverbandes „Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen“.

Clemens Fuest, Präsident des deutschen Ifo-Instituts, sieht die EZB-Entscheidungen als „einen richtigen Schritt, der aber zu spät kommt“. Denn die Preissteigerungen würden nicht nur Energie und Lebensmittel betreffen. „Sie gewinnen an Breite.“

Seitens des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) heißt es: „Das Ende der Wertpapierkäufe war überfällig und kommt mindestens drei Monate zu spät. Die Angst vor einer neuen Euro-Schuldenkrise lähmt die EZB immer noch und schadet ihrer Glaubwürdigkeit.“

Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer fordert mehr Entschlossenheit: „Die EZB sollte ihren Leitzins rasch auf zwischen zweieinhalb und drei Prozent heben. Im Zweifel muss sie sogar darüber hinaus gehen.“ Und der Chef der heimischen Direktbank Dadat, Ernst Huber, glaubt: „Ein viertel Prozentpunkt mehr macht das Sparbuch nicht attraktiver.“