Wirtschaft

Deutschland: Atomausstieg stockt

Peter Altmaier sah bei seiner Angelobung zum Umweltminister am Dienstag gar nicht so locker aus wie sonst. Das letzte Talent unter den Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel ahnte wohl die Schwere seiner Aufgabe: Innerhalb weniger Monate soll er den Neustart in einem der wichtigsten Projekte ihrer Regierungszeit schaffen. Denn die "Energiewende" hat, abgesehen vom überhasteten Abschalten vieler Atomkraftwerke (AKW), noch gar nicht richtig begonnen. Am Mittwoch findet dazu ein Gipfel in Berlin statt. Altmaiers geschasster Vorgänger Norbert Röttgen hatte die Probleme aus Wahltaktik kleingeredet, als er Merkel während des Tsunami-bedingten F­ukushima-Unglücks zum populären Totalausstieg aus der Atomkraft drängte.

Zwar wächst die Alternativenergie schneller als erwartet, doch am falschen Ort und mit zu hohen Kosten. Die ergiebigsten Windenergieanlagen stehen im Norden, der Großteil ihres Stroms wird aber im boomenden Süden gebraucht, wo die Grundlast der Atomkraftwerke nun fehlt. 4500 Kilometer neue Stromtrassen müssen jetzt rasch her. Gegen die machen aber überall Bürger vor Ort mobil, oft unter Führung lokaler Grüner. Aber auch Landesregierungen, wie die des CDU-geführten Thüringen, blockieren: Sie wollen Geld für ihre Zustimmung sehen.

Auch funktioniert der Teil-Ersatz der AKW durch neue Gaskraftwerke nicht, die bei schwachem Wind aushelfen müssen. Zwei Dutzend wären dringend nötig, werden aber von den Energieversorgern nur zögernd gebaut, weil sie sich für die geringe Teillast nicht rechnen. Ohne sie sind aber Stromausfälle, vor allem in Süddeutschland, mit allen Folgen für die computerisierte Wirtschaft und die Verbraucher programmiert. Nur durch den sehr milden Winter der vergangenen Saison wurde verhindert, dass Strom nicht großflächig ausfiel.

Hohe Preise

Auch die Verbraucher spüren den Atomausstieg schmerzlich: Die Strompreise explodieren. Schon 2013 wird ein Durchschnittshaushalt 175 statt bisher 125 Euro allein an Ökoförder-Kosten zahlen. Der Strompreis je Kilowattstunde wird einer neuen Prognose zufolge von 25,9 Cent im Jahr 2011 auf 29,0 Cent im Jahr 2020 steigen. Schuld daran sind diverse neue Steuern, unter anderem für den Netzausbau und die Übernahme der Kosten der von den Steigerungen befreiten Industrie.

Vor allem aber schlagen die Kosten der 2004 von Rot-Grün eingeführten hohen Förderung der Solar-Branche durch. Denn alle zahlen nun dafür, dass Hausbesitzer hochsubventionierte Solar-Paneele montieren und garantierte, hohe Einspeisevergütungen für ihren Strom bekommen. Der mit Steuergeld derart hochgepäppelten Solar-Industrie in Ostdeutschland hat aber auch das nicht genutzt: Die Deutschen kaufen lieber die billigere China-Ware.

Dazu kommt, dass jede Gesetzes-Änderung von der Opposition im Bundesrat aus Wahltaktik blockiert wird, oft mithilfe CDU-geführter Länder. All dies wird Altmaier rasch lösen müssen, Merkels heutiger "Energiegipfel" ist nur ein Anfang.