Deutsche Wirtschaftsweise verteidigt Coronakurs der Regierung
Die deutsche Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hat vor einer Vorverurteilung der Regierung für die jüngsten Beschlüsse im Kampf gegen die Coronakrise gewarnt. "Wir halten das noch eine ganze Weile aus", sagte sie der "Rheinischen Post" (Freitag) mit Blick auf die Belastungen der Wirtschaft durch die Auswirkungen des Lockdowns.
Betroffen seien vor allem der geschlossene Einzelhandel und Unternehmen aus dem Freizeitbereich. "Im gesamten Wirtschaftsgefüge machen diese Bereiche aber nur einen kleinen Teil der Wertschöpfung aus." Wenn Coronahilfen nun sinnvoll eingesetzt würden, sei sie "sehr zuversichtlich, dass wir in einigen Jahren aus der Krise herausgewachsen sind, ohne dass es tiefe soziale Einschnitte für die Menschen oder Steuererhöhungen geben wird."
Schnitzer lobte zudem, dass Bund und Länder erstmals einen mehrwöchigen Stufenplan aufgestellt hätten. "Das haben sich viele lange gewünscht, weil man dann besser planen kann." Die sogenannten Wirtschaftsweisen sind ein Beratergremium für die deutsche Regierung. Der offizielle Name des aus Top-Ökonomen bestehenden Gremiums lautet "Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung".
Viele Branchenverbände vor allem des Handels hatten empört auf die Beschlüsse von Bund und Ländern vom späten Mittwochabend reagiert, die Kritik betroffener Branchen reißt nicht ab. "Zahlreiche Spielwarenhändler gehen vor die Hunde", warnte der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS). "Das Drama dabei ist, dass unsere Zwangsschließung nicht einmal Leben rettet", heißt es. Einkaufen in Geschäften sei noch nie gefährlich gewesen. "Wenn der Lockdown - wie geplant - bis nach Ostern verlängert wird, weitet sich das Sterben in den Innenstädten aus."
Das Robert Koch-Institut (RKI) bewertet das Infektionsrisiko im Einzelhandel sowie dessen Beitrag zum Infektionsgeschehen als "niedrig" - so steht es in einem Mitte Februar 2021 veröffentlichten Strategiepapiers des RKI ("ControlCovid"). Eine generelle Öffnung des Einzelhandels über die Geschäfte des täglichen Bedarfs hinaus empfiehlt das Papier deswegen aber nicht.
Auch der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) beklagt die Beschlüsse als "völlig inakzeptabel". Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte Verbandspräsident Jens Michow, Bund und Länder hätten es erneut versäumt, seiner Branche eine Perspektive zu geben, unter welchen Bedingungen Veranstaltungen wieder stattfinden könnten. "Die Nerven der Branche liegen blank."
Zwar haben die Fitnessstudios seit Mittwochabend eine Öffnungsperspektive. "Doch ist diese mit Auflagen verbunden, die für die Unternehmen nur schwer umsetzbar oder beeinflussbar sind", teilte der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) mit. So sei der geforderte Inzidenzwert bei derzeit stagnierenden Zahlen und einer Teilöffnung nur schwer zu erreichen. Und: "Lösungen durch Schnelltests klingen zunächst vielversprechend, jedoch sind viele Details zur Umsetzung noch nicht bekannt, obwohl auch diese Entscheidungen zu lange auf sich warten lassen."