Wirtschaft

Fluch oder Segen: Corona-Sterblichkeit und das Pensionssystem

Ein seit Pandemiebeginn umstrittener Begriff ist jener der „Übersterblichkeit“. Wie viele Tote also zusätzlich in einem bestimmten Zeitraum zu beklagen sind – und zwar über den langjährigen Durchschnitt hinaus und tatsächlich bedingt durch Corona.

Eine klare Übersterblichkeit durch Corona behaupten die einen und berufen sich auf einschlägiges Datenmaterial. Neun Prozent Übersterblichkeit wies die jüngste Statistik für Mai bis November aus. Stimmt nicht, es gibt über das Jahr gesehen keine zusätzlichen Toten, sagen die anderen unbeirrt und verweisen auf schlampige Zählweisen oder Todesursachen, die seltener wurden, wie die Grippe oder Verkehrsunfälle.

Die Bilanz der deutschen Pensionsversicherung lässt diesbezüglich aufhorchen. Sie ist dazu angetan, den Streit zwischen den beiden Lagern neu zu entfachen.

Neben der guten Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes (bringt höhere Einnahmen) bewirke die höhere Corona-Sterblichkeit geringere Pensionsausgaben. So gelingt 2022 ein Überschuss von 2,1 Milliarden. Vor einem Jahr war noch ein Defizit von 6,5 Milliarden Euro erwartet worden. Das sagt die Präsidentin der Pensionsversicherung, Gundula Roßbach. „Ein Grund ist aktuell auch die Corona-Pandemie, die zu einem Anstieg der Sterblichkeit gerade bei älteren Menschen geführt hat“, so Roßbach. Dieser Umstand führte in Deutschland auch zu einem langsameren Anstieg der Lebenserwartung.

In Österreich kann der Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt PVA, Winfried Pinggera, die Daten aus Deutschland nicht wirklich nachvollziehen. Einerseits ist die PVA chronisch zuschussbedürftig, ein Überschuss nicht in Sicht. Heuer muss der Bund mit 6,12 Milliarden einspringen, für 2023 wird eine Ausfallhaftung des Bundes in Höhe von 8,19 Milliarden erwartet.

Kostentreiber

Geburtenstarke Jahrgänge kommen in Pension, außerdem leide man an den Nachwehen der abgeschafften abschlagsfreien Pension mit 62, sagt Pinggera zum KURIER.

Außerdem seien die Sterbefälle derzeit konstant. Zwar hätte es im Frühjahr und August Spitzen mit erhöhter Sterblichkeit gegeben – z. B. wegen der Hitzetoten. Doch übers Gesamtjahr habe sich das ausgeglichen.

So hätte die PVA 2021 exakt 74.953 Sterbefälle registriert. Heuer waren es 74.921 Sterbefälle.

Dennoch ist der Corona-Sprung sichtbar. 2019 registrierte die PVA 65.441 Sterbefälle, im ersten Corona-Jahr 2020 waren es dann 69.060 Fälle. Die Todesursachen untersucht die PVA freilich nicht. Beispielsweise können indirekte Corona-Folgen, wie nicht erfolgte Behandlungen, auch schuld sein an einer erhöhten Sterblichkeit.