Wirtschaft

Causa AVW: Steuerzahler müssen blechen

Das Anlagebetrugs-Karussell AvW um Wolfgang Auer-Welsbach, das im Oktober 2008 zusammengebrochen ist, wird die Republik Österreich einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag kosten. In einem Musterverfahren vor dem Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen ist der Bund dazu verurteilt worden, den Anlegern Schadenersatz zu zahlen. Das gilt für Anleger, die nach dem 1. Jänner 2002 die AvW-Genussscheine gekauft haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Am Ende des Tages werden aber die Steuerzahler die volle Rechnung zahlen.

„Die Republik muss wegen der Pflichtverletzung der damaligen Aufsichtsorgane, sprich der Bundeswertpapieraufsicht BWA, die AVW-Opfer entschädigen, wenn dieses Urteil von den weiteren Gerichtsinstanzen bestätigt wird “, sagt Anlegeranwalt Erich Holzinger, der rund 2000 AvW-Geschädigte vertritt, zum KURIER. „Für die Durchsetzung der Schadenersatzansprüche ist das das bisher wichtigste Urteil für die Anleger.“ Der Richter konnte sich bei seiner Urteilsfindung auf ein umfangreiches Gutachten des renommierten Grazer Sachverständigen Fritz Kleiner stützen.

Der Prüferin erschien die Darstellung des Wolfgang Auer-Welsbach betreffend des Genussschein-Kurses als "wie wenn man vor einer Glaskugel sitzt"


Multiples Aufsichtsversagen

Aber der Reihe nach. Die Bundeswertpapieraufsicht BWA war nach einer Prüfung bei der Kärntner Beteiligungsfirma AvW im Jahr 2000/01 auf massive Ungereimtheiten gestoßen und sogar ein allfälliger Betrugsverdacht stand im Raum. Trotzdem haben die Prüfer der BWA nicht die Reißleine gezogen und den AvW-Zampano Auer-Welsbach nicht gestoppt. Unter anderem war damals völlig unklar, wie der Kurs der AVW-Genussscheine überhaupt gebildet wird.

Kursbildung mit Glaskugel

„Der Berechnungsmodus des Kurses wurde als unüblich, willkürlich und nicht nachvollziehbar bezeichnet“, heißt es in dem 258 Seiten starken Urteil des Wiener Richters Karl Lughofer. „Die BWA hat sich mit dem Prüfungsergebnis offenbar abgefunden und daraus nicht den naheliegenden Schluss gezogen, dass dieser Berechnungsmodus nicht nachvollziehbar geeignet ist, den Wert der Genussscheine festzustellen.“ Nachsatz: „Wie festgestellt, erschien der Prüferin die Darstellung des Wolfgang Auer-Welsbach betreffend des Genussschein-Kurses als wie wenn man vor einer Glaskugel sitzt."Zugleich war der BWA auch die Problematik bekannt, dass mit einer rechtlich nicht abgesicherten Kapitalgarantie geworben wurde.“

Detail am Rande: In den zwei Insolvenzverfahren über die AvW Gruppe AG und die AvW Invest AG wurden insgesamt rund 19.000 Forderungen in Höhe von insgesamt 1,11 Milliarden Euro angemeldet. Mehrfach-Anmeldungen sind da noch nicht abgezogen. Unterm Strich wird wahrscheinlich ein Schaden in Höhe von rund 300 bis 400 Millionen Euro zu begleichen sein.

BWA hätte weiter prüfen müssen

„Für die Bundeswertpapieraufsicht waren aus ihrer Prüfung seit Mai 2000 bis Mai 2001 Umstände gegeben, die als massiver Verdacht zu deuten waren, dass die Kursfestsetzung durch Wolfgang Auer-Welsbach grob unsachlich erfolgte, “, heißt es im Urteil weiter. Dazu gibt es unter anderem einen Bericht des BWA-Direktors an das Finanzministerium. „Sachlich traten keine geänderten Umstände ein. Der Kurs konnte nie erklärt werden“, heißt es weiter. Daneben ergaben die Ermittlungen weitere Indizien für einmalversives System. So landeten die Erlöse aus dem Genussschein-Verkauf damals auf dem Privatdepot des Wolfang Auer-Welsbach. Er rechtfertigte das damit, dass die Erlöse "Sondervermögen" sei und er als Treuhänder agiere. Das war aber aktienrechtlich nicht zulässig.

Schwere Vorwürfe

"Ob die BWA nun zur sofortigen Strafanzeige verpflichtet war oder ihre Grundlage hiezu durch weitere Erhebungen verbreitern durfte, kann letztlich dahinstehen", urteilt Richter Lughofer. "Die BWA hätte jedenfalls prüfen müssen, solange der Verdacht hinsichtlich der Verstöße gegen das Wertpapieraufsichtsgesetz WAG oder strafrechtlicher Verstöße nicht entkräftet war." Nachsatz: "Das hätte jedenfalls betreffend des Genußscheinkurses nicht gelingen können. Die Unterlassung weiterer Prüfungen bzw. sodann einer Strafanzeige war in Anbetracht der festgestellten Prüfungsergebnisse auch in Ansehung der 'Umstrukturierung' daher unvertretbar rechtswidrig."

Auf den Tag genau vor fünf Jahren wurden die Insolvenzfahren der AvW Invest und der AvW Gruppe AG eröffnet. Heute liegen nach Veräußerung der vermögenswerte insgesamt 73,5 Millionen Euro in den beiden Insolvenztöpfen, davon entfallen rund 46,08 Millionen Euro auf die AvW Gruppe und 27,24 Millionen Euro auf die AvW Invest. Das bestätigen die beiden AvW-Insolvenzverwalter, Gerhard Brandl und Ernst Malleg, dem KURIER.

Wer erhält was?

Vom 13. Juli bis zum 3. August 2015 werden die 19.000 von geschädigten AvW-Anlegern angemeldeten Forderungen geprüft. „Wie beabsichtigen etwa im Februar 2016 das vorhandene Massevermögen zu verteilen“, heißt es im sechsten Anlegerbrief der Insolvenzverwalter. Als Forderung anerkannt werden der tatsächliche Kaufpreis der Genussscheine, der gezahlte Verkaufsaufschlag (Agio) und vier Prozent Zinsen pro Jahr.

Ersatz der Rechtsanwaltskosten

Da die Forderungen als Schadenersatz eingestuft werden, haben zahlreiche Anleger auch ihre Rechtsanwaltskosten geltend gemacht. Sie sind diese Kosten ausreichend belegt, werden sie nach dem Anwaltstarif anerkannt, bestätigen die Insolvenzverwalter. Sollten die Anleger zum Beispiel von der Hausbank von AvW oder von der Republik entschädigt werden, müssen sie das den Insolvenzverwaltern melden. Diese Zahlungen werden dann von der zustehenden Quote abgezogen.

„Zugleich werden die Konkursverwalter in den anberaumten Prüfungstagsatzungen über den Stand der noch anhängigen Gerichtsverfahren berichten", heißt es weiter. Erstens geht es um einen Prozess, den die Geschädigten des ehemaligen steirischen AvW-Vermittlers Hans L. gegen die Insolvenzverwalter führen. Hans L. hatte bei den Anlegern Geld mittels Treuhandaufträgen bzw. Übernahmenbestätigungen eingesammelt, denen angeblich AvW-Genussscheine zugrunde gelegen seien. Diese Anleger fordern eine Gleichstellung mit den übrigen AVW-Opfern und eine Beteiligung an der Konkursquote, die ausgeschüttet wird. Die Konkursverwalter haben das bisher abgelehnt.

Teilerfolg gegen Finanz

Zweitens fordert das Finanzamt Klagenfurt Körperschaftssteuern für den Zeitraum 2002 bis 2008 nach; plus Zinsen macht das insgesamt 65,8 Millionen Euro. Die Konkursverwalter haben gegen die Bescheide Einspruch erhoben. Ein Argument war sinngemäß, dass man ein kriminelles Schneeballsystem wie AvW nicht wie eine reele Firma besteuern kann.

Anfang März 2015 hat das Bundesfinanzgericht die eingeforderte Körperschaftssteuer von 58,2 Millionen Euro auf 2,6 Millionen Euro plus 300.000 Euro Zinsen reduziert. Die Finanz hat aber ein Rechtsmittel gegen das Urteil beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Sollte das Höchstgericht das Urteil des Bundesfinanzgerichts bestätigen, wird für die Anleger unterm Strich eine etwas höhere Quote herausspringen.