Junge Kreative zieht es ins Ausland
Von Christine Klafl
In Kanada lernt man schon in der Schule, Businesspläne zu schreiben. In Österreich lernt man, Bewerbungen zu schreiben." Das sagt ein Jungunternehmer aus dem Internet-Bereich. Folgerichtig hat er seine Zelte in Kanada aufgeschlagen. "Ein Unternehmen gründen ist tägliches psychologisches Überleben. Da braucht man kein Umfeld, in dem einem Steine in den Weg gelegt werden." Der junge Software-Unternehmer, der das sagt, hatte keine Lust mehr auf Steine – er siedelte sich in San Francisco an.
Rasches Wachstum
Schwerpunkt der Suche waren Branchen mit hohem Wachstumspotenzial – was vor allem auf IT/Internet und Beratung zutrifft. 233 solcher "Entrepreneure", wie sie genannt werden, stöberte Studienautorin Elisabeth Witzani innerhalb von nur zwei Monaten auf. Die Jungen hatten schon mehr als 1000 Jobs geschaffen.
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Finanzierung Vor allem im IT/Internet-Bereich ist der Kapitalbedarf groß, weil es nach der Startphase rasch in die Breite gehen soll. An das nötige Geld kommen Junge aber praktisch nur im Ausland. Herbert Rohrmair-Lewis, Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft, sieht Crowdfunding und -investing als eine der Chancen, Junge im Inland zu halten.
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Umfeld Je nach Branche war für bis zu 80 Prozent der Befragten die Infrastruktur ausschlaggebend für den Schritt ins Ausland. Dazu zählen Fachkräfte genauso wie Fördereinrichtungen, Dienstleistungen, Netzwerke und der Zugang zu Institutionen und universitären Initiativen.
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Bürokratie Laut Umfrage unter Jungunternehmen gehen 8,35 Stunden pro Woche für Bürokratie drauf. "Und die Betroffenen sagen, dass es immer schlimmer wird", so Rohrmair-Lewis. Auch das treibe rasch wachsende Unternehmen ins Ausland. "Für Gründer ist der Staat kein Dienstleister, sondern ein Verhinderer", ärgert er sich. Er fordert einen Bürokratie-Ombudsmann, der mit einem Mäßigungsrecht ausgestattet und die ärgsten Leiden lindern kann. "Den kann ich dann anrufen, wenn es gar zu arg wird", so Rohrmair-Lewis. Über etliche dieser Bürokratie-Schikanen, unter denen vor allem Klein- und Mittelbetriebe leiden, berichtete der KURIER am Samstag.
- Kosten Um Firmen im Inland zu halten oder vielleicht sogar welche anzulocken, sollten Entrepreneure entlastet werden, fordert Rohrmair-Lewis. Sein Vorschlag: keine Lohnnebenkosten für den ersten Mitarbeiter im ersten Jahr. "Und das ist nur die brave Variante", meint er schmunzelnd. Die Lohnverrechnung müsse zudem drastisch vereinfacht werden.
Wenn ein Land wie Österreich Entrepreneure "durch Abwanderung verliert, dann wird Mittelmaß zum Maß aller Dinge und führt zu wirtschaftlichem Stillstand", sagt ein Beratungsunternehmer, den es nach Dubai verschlagen hat. Werner Wutscher dazu: "Wenn der Brain Drain stärker wird, bekommen wir ein ernsthaftes Standortthema."
Die aufgeregte Diskussion vom "Brain Drain" nervt langsam. Weil Österreich keine passenden Bedingungen schafft, wandern die Intelligentesten des Landes dorthin, wo es ihnen viel besser geht. Soweit die Theorie. Abgesehen davon, dass mit "Brain Drain" Hochbegabte grundsätzlich als wertvollere Staatsbürger eingestuft werden – was schlicht diskriminierend ist –, bleiben die meisten ohnehin da. Oder kommen nach Auslandsaufenthalten eh wieder zurück.
Durchschnittlich 20.000 bis 25.000 Österreicher (inklusive eingebürgerter Gastarbeiter) ziehen pro Jahr weg, 15.000 kehren pro Jahr zurück, sagt die Statistik Austria. Weniger als drei Prozent der heimischen Arbeitskräfte leben und arbeiten in einem anderen Land. Wenn die Junge Wirtschaft jetzt beklagt, dass jährlich 30 heimische Start-ups woanders ihr Geschäft starten, so sind dies gerade einmal 0,1 Prozent (!) aller Firmengründungen. Vergessen wird, dass auch eine erkleckliche Anzahl an Zuwanderern in Österreich den Weg in die Selbstständigkeit sucht. Von den 90.000 ausländischen Studenten an heimischen Unis – die meisten davon EU-Bürger – dürften wohl auch einige hängen bleiben. Österreich ist kein schlechter Platz zum Leben.
Fakt ist: Eine zunehmend internationalisierte Ausbildung fördert die Mobilität. Das ist gut so. Die Arbeitsmärkte internationalisieren sich aber nur zum Teil. Sprache, lokale Bindung an Elternhaus, Familie und Freunde sind für viele Menschen viel wichtiger als der transnationale Selbstverwirklichungstrip. Die kreative und globale Elite, die polyglott, ungebunden, allwissend und frei beweglich wie Kapital ist, ist eher Wunschtraum von internationalen Konzernen als Realität.
Ein wenig mehr Gelassenheit über das Kommen und Gehen von "klugen Köpfen" wäre daher angebracht.