Borealis: Verdacht auf Menschenhandel in Belgien
Auf einer Baustelle der OMV-Chemietochter Borealis in Belgien sind zahlreiche Arbeiter mutmaßlich Opfer von Menschenhandel geworden. Insgesamt seien bislang bisher 174 Menschen in dem Zusammenhang identifiziert worden, teilte die zuständige Staatsanwaltschaft in Antwerpen.
Die Arbeiter hätten laut der belgischen Nachrichtenagentur Belga sechs Tage die Woche zu einem Lohn von bis zu 650 Euro im Monat arbeiten müssen - meist ohne Arbeitserlaubnis.
Borealis macht IREM-Ponticelli, ein Subunternehmen, das mit Arbeiten beauftragt war, für die Missstände verantwortlich.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen mutmaßlicher Verstöße gegen belgische Arbeitsgesetze. Mehrere Arbeiter hätten den vorläufigen Status von Opfern des Menschenhandels erhalten, hieß es. Sie kommen demnach unter anderem aus der Türkei, Bangladesch und den Philippinen und könnten nun eine Bescheinigung erhalten, um weiter in Belgien arbeiten zu können.
Baustopp verlängert
Die Arbeiten auf der Baustelle in Kallo wurden gestoppt, um "genügend Zeit für Untersuchungen" zu haben, teilte Borealis mit. Die Angelegenheit werde "mit höchster Priorität" behandelt, man arbeite eng mit den belgischen Behörden zusammen.
"Borealis verurteilt jede Art von Menschenrechtsverletzung. Deshalb haben wir uns entschieden, den Bau unseres Megaprojekts in Kallo vorübergehend zu stoppen, bis alle zusätzlichen Compliance-Maßnahmen in Kraft sind", hieß es am Donnerstag seitens des Unternehmens.
Größter Fall von Menschenhandel in Belgien
Klaus Vanhoutte, Direktor der belgischen NGO Payoke, die sich mit Menschenhandel beschäftigt, sprach gegenüber VRT vom "historisch gesehen größten Fall von Menschenhandel in Belgien" und von einem der größten derartigen Fälle in ganz Europa. Die Arbeiter seien in ihren Heimatländern mit dem Versprechen angeworben worden, im Ausland als Rohschlosser oder Schweißer gut bezahlt zu werden.
Borealis verwies in einer Stellungnahme gegenüber der APA auf "strenge Richtlinien" und "verschiedene Schutzklauseln", die den Verträgen des Konzerns mit Geschäftspartnern und Auftragnehmern zugrunde liegen, um ein "ethischen und gesetzeskonformes Verhalten" sicherzustellen. Borealis habe nicht ahnen können, dass sich das verantwortliche Unternehmen IREM-Ponticelli nicht an die grundlegenden Sozialgesetze halten würde, hieß es weiter.
Erste Infos im Mai
Berichten von VRT NWS und The Brussels Times zufolge, war Borealis bereits im Mai über Missstände auf der Baustelle informiert worden. Demnach seien dem ehemaligen belgischen Arbeitsinspektor und Ex-Richter Ebe Verhaegen Unregelmäßigkeiten in den Dokumenten eines Arbeiters aus der Ukraine und 50 weiteren Kollegen aufgefallen. Er habe daraufhin Beschwerde bei der zuständigen Behörde eingereicht und Borealis informiert.
Das Ausmaß des Sozialbetrugs und die Möglichkeit des Menschenhandels habe sich aus dieser "informellen Mitteilung" im Mai nicht ableiten lassen, schrieb Borealis in ihrer Stellungnahme an die APA. Am 27. Juli habe Borealis einen dreitägigen Baustopp für die betroffene Baustelle verhängt und den Vertrag mit IREM-Ponticelli ausgesetzt, bis die Untersuchungen der Sozialinspektion abgeschlossen seien. Der Baustopp sei am 1. August verlängert worden.
Die österreichische NGO Südwind sieht unterdessen Handlungsbedarf auch in Österreich: "Die Republik Österreich als Miteigentümerin darf sich in diesem Fall nicht in Stillschweigen üben", sagte Geschäftsführer Konrad Rehling laut einer Aussendung am Mittwoch. Finanzministerium und ÖBAG seien verpflichtet, "für eine umfassende Aufklärung zu sorgen und strenge Regelwerke für menschenrechtskonforme Arbeitsbedingungen aufzubauen".