Portugals Bankenprobleme schüren Krisen-Ängste
Feiert die Schulden- und Finanzkrise in Europa ein unerwartetes Comeback? Eines ist jedenfalls gewiss: Die Nervosität der Anleger wird wieder merklich größer. Turbulenzen rund um ein einziges Finanzinstitut in Portugal – die Grupo Banco Espirito Santo – reichten aus, um am Donnerstag rund um den Globus die Aktienkurse purzeln zu lassen, die Anleihenrenditen für Euro-Krisenländer in die Höhe zu treiben und den Goldpreis hochspringen zu lassen. Nicht nur in Lissabon, auch in Wien und Frankfurt schlossen die Börsen im Minus. Besonders groß war die Anspannung an der Wall Street in New York. „Die Angst vor einem neuen Ausbruch der Schuldenkrise in Europa geht um“, sagte ein Börsianer. Die US-Indizes Dow Jones und S&P-500 lagen am Donnerstagabend klar im Minus.
Woher die Aufregung? Schon seit Tagen hatten in Lissabon Gerüchte die Runde gemacht, die Finanzgruppe Espirito Santo stecke in massiven Zahlungsproblemen. Am Donnerstag bewahrheiteten sich die Befürchtungen. Die Espirito Santo Financial Group (ESFG), Hauptaktionärin der Banco Espirito Santo (BES), ließ ihre Aktien und Anleihen vom Handel an der Börse aussetzen. Als Grund dafür wurden wesentliche Schwierigkeiten beim Mutterkonzern genannt. Diese Mutter, die Espirito Santo International, musste die Rückzahlung von Geldmarktpapieren verschieben. Vor der Handelsaussetzung war der ESFG-Kurs am Donnerstag um fast 17 Prozent eingebrochen. Die Aktien der BES, die zunächst nicht vom Handel ausgesetzt waren, stürzten um mehr als 17 Prozent ab. Am Nachmittag wurden dann auch die Aktien der Bank vom Handel ausgesetzt.
Um vier Prozent nach unten ging es bei der Portugal Telecom. Hintergrund dafür: Die Telekom-Gesellschaft ist in Geldmarktpapieren der Espirito Santo investiert. Und auch bei der Portugal Telecom ist die Banker-Familie Espirito Santo Großaktionär.
Absturz auf Raten
Die Angst, das Espirito-Santo-Finanzproblem könnte – durch die Verschränkungen in der Finanzindustrie – auch andere Banken anstecken, lastet schon seit Tagen auf der Lissaboner Börse. Die Anleger ziehen sich in Scharen zurück. Das setzte auch andere Bankwerte schwer unter Druck. Der Leitindex der Börse, der PSI 20, fiel am Donnerstag um weitere 4,2 Prozent. Damit hat das Börsenbarometer innerhalb weniger Tage deutlich mehr als zehn Prozent eingebüßt. Die Verunsicherung der Investoren machte sich auch auf dem Anleihenmarkt bemerkbar: Die Kurse portugiesischer Staatsanleihen fielen, die Renditen zogen dadurch deutlich an. Bei Papieren mit zehn Jahren Laufzeit machte die Rendite fast vier Prozent aus. Zu Wochenbeginn lag sie noch unterhalb von 3,6 Prozent.
Prompt machten Befürchtungen die Runde, Portugal könnte zu früh den Euro-Rettungsschirm verlassen haben. Denn die Europäische Zentralbank kauft in Notfällen nur Anleihen von Staaten, die sich unter dem Rettungsschirm befinden. Unter diesen Schirm war Portugal im Mai 2011 geschlüpft. Seit heurigem Mai finanziert sich das Land wieder ganz allein. Sogar auf die letzte Tranche an Hilfskrediten konnte man im Frühjahr verzichten. Muss Portugal einem wankenden Bankensystem zur Seite springen, könnte dem Land aber ganz schnell das Geld ausgehen, wird befürchtet. Zuletzt galt die Banco Espirito Santo immerhin als größte Privatbank des Landes (was die Börsenkapitalisierung betrifft). Bilanzsumme der Bank: 93,34 Milliarden Euro (Stand 2012). Espirito Santo heißt übersetzt übrigens Heiliger Geist.
Athen zahlt drauf
Besonderes Pech hatte Griechenland, das mit der Ausgabe von dreijährigen Staatsanleihen mitten in die Turbulenzen platzte. Nicht nur, dass der Erlös mit 1,5 Milliarden Euro deutlich unter den Erwartungen von zwei bis drei Milliarden Euro blieb: Um an frisches Geld zu kommen, mussten die Griechen eine Rendite von 3,5 Prozent bieten. Laut Händlern hatte die Regierung ursprünglich vor, keine Rendite über drei Prozent zu akzeptieren.
Wo ich in drei Jahren sein werde? Ehrlich gesagt, keine Ahnung.“ Von dem Werbeplakat der Bank strahlt – mit breiten Grinsen – Cristiano Ronaldo, zweifacher Weltfußballer. Das Sujet stammt aus dem Jahr 2009, Espirito Santo hatte sich soeben für weitere zwei Jahre die exklusiven Werberechte an dem Spitzenkicker gesichert. Schon 2003 hatte die Bank das mittlerweile begehrteste Gesicht Portugals unter Vertrag genommen. Damals war er noch ein 18-jähriges Riesentalent, das sich von Sporting CP (Sporting Lissabon) soeben auf den Weg zum Weltklasseklub Manchester United machte.
Erfolgreich, dynamisch, kreativ: Das schien perfekt zum Selbstverständnis der Bank zu passen. „Geht es Espirito Santo gut, dann geht es auch dem Land gut“, sagt man in Portugal. 643 Filialen sind es mittlerweile im Heimatland, 145 weitere kommen im Ausland noch dazu. Die Bank zählt 2,2 Millionen Kunden und 10.216 Mitarbeiter. Eine systemrelevante Größe, die ab November von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt wird und derzeit den Bilanzcheck und Stresstest durchläuft.
Der außergewöhnliche Name – Espirito Santo heißt „Heiliger Geist“ – leitet sich übrigens vom Namen der Gründerfamilie ab. 1869 hatte José María do Espírito Santo e Silva eine Wechselstube in Lissabon eröffnet. Gut 100 Jahre später wurde dann sein Nachfahre Manuel Ricardo Espírito Santo Silva durch politische Umstände gezwungen, die Bank im Ausland weiterzuführen: Im Zuge der „Nelkenrevolution“ von 1974 gegen das autoritäre Regime wurden alle portugiesischen Banken und Versicherungsunternehmen verstaatlicht. Die Finanzgruppe baute neue Geschäfte in Brasilien, der Schweiz, Frankreich und den USA auf. Erst 1991 wurde die Bank privatisiert und die Gründerfamilie konnte über eine Auktion die Kontrolle zurückgewinnen.
Momentan wird die verwickelte Eigentümerstruktur allerdings eher zur Belastung. Die ähnlichen Namen der involvierten Finanzgruppen tragen maßgeblich zur Verwirrung bei. Dabei ist die Holding ESFG, die in akuten Finanznöten steckt. Sie wird von der Gründerfamilie kontrolliert und hält durchgerechnet knapp 26 Prozent am Aktienkapital der Bank (BES) hält. „Beide Unternehmen heißen zwar Espirito Santo, sind aber zwei völlig verschiedene Dinge“, warnte Portugals Ministerpräsident Pedro Passos Coelho kürzlich vor Verwechslungen. „Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass es bei der Bank ein Problem gibt.“ Die Zentralbank versicherte am Donnerstag ebenfalls, dass die Bank solide sei: „Die Liquidität ist ausreichend, BES wurde zuletzt durch eine Kapitalerhöhung deutlich gestärkt.“
Die Aktionäre fragen sich dennoch, was es für die Bank heißt, wenn die Bankiersfamilie und der Großaktionär in Zahlungsnöten stecken. Die Holding wurde von der Ratingagentur Moody’s nämlich Anfang der Woche auf Ramschniveau abgestuft: Die Eigentumsverhältnisse und Finanzlage seien unklar. Medienberichten zufolge soll die Gesellschaft 7 Milliarden Euro Schulden haben, die sie nicht komplett bedienen könne.
Ein kolportierter Machtkampf in der Gründerfamilie macht die Sache nicht besser. Am 31. Juli soll in der Hauptversammlung ein Nachfolger für den langjährigen Konzernchef Ricardo Salgado gekürt werden, darüber tobt ein Richtungsstreit. Möge der Heilige Geist herabkommen und alle mit einer Zunge sprechen lassen.