Wirtschaft

Börse-Chef: Privatisieren statt neuer Steuern

KURIER: Laut einer aktuellen IMAS-Umfrage wollen 93 Prozent der Österreicher keine Aktien kaufen, zwei Drittel interessieren sich schlicht nicht für das Thema. Warum ist das so?

Michael Buhl: Das ist enttäuschend. Die Studie zeigt uns aber, dass wir noch mehr ackern und aufklären müssen. Die durchschnittliche Dividendenrendite beträgt drei Prozent, bei einem Sparbuch bleibt nach Abzug der Inflation nichts übrig. Natürlich kann man die beiden nicht einfach gegenüberstellen, weil es bei Aktien ein Kursrisiko gibt. Aber ich denke, österreichische Aktien sind bei den Kursen nach unten hin recht gut abgesichert.

Aber warum gibt es dieses generelle Desinteresse trotz des anhaltend niedrigen Zinsniveaus?

Es ist mit Unwissen und damit mit Unsicherheit verbunden. Es wird in Österreich zum Thema Finanzbildung in der gesamten schulischen oder universitären Ausbildung – außer auf der WU – zu wenig getan. Das Thema Veranlagung wird komplett ausgeklammert. Ein zweiter Punkt ist, dass das Thema Kapitalmarkt insgesamt negativ besetzt ist.

Inwiefern?

Nicht so sehr wegen der schlechten Performance. Der ATX hat über den langen Zeitraum von 2002 rund 110 Prozent an Wert zugelegt. Da sind wir stärker als der DAX mit 90 oder der Dow Jones mit 70 Prozent. Sondern das Thema ist von politischer Seite her negativ besetzt – der Kapitalmarkt wird mit Casino oder Spekulantenstadl gleichgesetzt. Als Finanzierungsplattform für Österreichs Wirtschaft kommt er hingegen in der politischen Diskussion nicht vor.

Ist das Absicht?

Die Politik hat es verstanden, das eigene Unvermögen in der Staatsschuldenkrise so darzustellen, dass die Banken und der Kapitalmarkt an allem schuld sind. Wir plädieren an die Politik, die negative Darstellung zu beenden und so die Stimmung zu drehen. Wenn die Politiker positiv über den Kapitalmarkt reden, wird man sich eher damit beschäftigen. Dann wird man draufkommen, dass Aktien eine Möglichkeit in einem breit gestreuten Portfolio sind.

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Apropos Politik: Sehen Sie abseits einer wahrscheinlichen Kapitalerhöhung bei der Telekom Chancen auf Privatisierungen über die Börse noch in dieser Legislaturperiode?

Wenn ich die Politiker am Koalitionspakt messe, dann steht – im Gegensatz zur Regierung davor – immerhin über das Thema Privatisierungen drin, dass man dem Thema positiv gegenübersteht. Man müsste also den einen Koalitionspartner ein bisschen am Krawattl packen und sagen "Halte dich bitte an das, was wir ausgemacht haben". Von neuen Steuern steht hingegen nichts drin. Alleine die bereits an der Börse notierten Unternehmen würden bei einer Privatisierung – bis auf 25 Prozent plus eine Aktie zur Standortsicherung – ein Volumen von etwas mehr als fünf Milliarden haben. Das wäre das Volumen für die Lohnsteuersenkung, also die Gegenfinanzierung ohne neue Steuern.

Wie sehr würde eine Vermögenssteuer dem Finanz-Standort Österreich schaden?

Ich glaube nicht daran, dass damit der Faktor Arbeit entlastet wird. Sondern am Ende des Tages wird sie für die Bekämpfung der Staatsschulden verwendet. Als gelernter Österreicher bin ich der Überzeugung, dass jeder Euro, den wir dieser Regierung zusätzlich geben, ein verschwendeter Euro ist, weil er sofort wieder ausgegeben wird. Gleichzeitig sind Vermögenssteuern auf die Substanz eigentlich überall in Europa ein Tabu. Würde Österreich in diese Richtung hineinstoßen, nehmen das international die Investoren wahr und sie machen sich ihren Reim darauf, welches Klima auf dem Kapitalmarkt hier herrscht. Dann fließen Investitionen halt woanders hin. Denn der nächste Schritt könnte auch sie treffen.

Könnte die Verschärfung der Ukraine-Krise den Druck auf den Aktienmärkten erhöhen?

Kurzfristig hat es Druck gegeben, aber mittlerweile hat man sich drauf eingestellt. Jetzt könnte es jene Unternehmen treffen, die von Sanktionen betroffen sind. Die Investoren gehen jedenfalls nicht von einem Krieg oder dem Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen aus.

Das erste Halbjahr lief für die Wiener Börse recht gut. Es gab erstmals seit 2011 mit FACC wieder einen richtigen Börsegang und die Umsätze sind um 30 Prozent gestiegen. Woran liegt das?

Wir haben 3,1 Milliarden Euro an neu platziertem Kapital, davon entfällt der Großteil auf die Kapitalerhöhung der RBI. Sie hat die Umsätze nach oben getrieben, während andere Märkte wie London mit plus 20 Prozent oder Skandinavien mit plus 15 Prozent dahinter liegen. Bei der Deutschen Börse haben die Umsätze stagniert. Das zeigt nicht nur, dass sich der Markt erholt hat, sondern dass es spezielles Interesse an österreichischen Aktien gibt.

Aber der ATX-Index konnte heuer nicht mit anderen Indizes mithalten ...

Das liegt an der Finanzlastigkeit des ATX. Ich habe überlegt, einen Index frei von Finanzwerten zu kreieren. Ob der Potenzial hat, ist die Frage.

Woher kommen die Investoren?

Vor der Krise waren Amerikaner und Briten die stärkste Gruppe mit 50 Prozent, aus Österreich kamen 14 Prozent. In der Krise zogen sich die angelsächsischen Investoren zurück. Jetzt kommen sie wieder. Sie sehen jetzt die Entwicklung in der Region differenzierter, zudem sind Wiener Aktien tendenziell günstig. Und wir sehen verstärkt Investoren aus Asien, speziell Japan und China, wenn auch noch in bescheidenem Ausmaß.

Geht es im zweiten Halbjahr in dieser Tonart weiter?

Im Juli war es so, aber für den Rest des Jahres bin ich eher vorsichtig, denn die wirtschaftlichen Aussichten trüben sich ein wenig ein. Der ATX hat sich seit Jahresbeginn mit plus/minus null entwickelt, die Analysten sehen uns bis Jahresende ein gutes Stück höher. Geplante Kapitalerhöhungen sollten ein weiterer Volumensbringer sein. Und bei Unternehmens-Anleihen liegen wir mit bisher 16 Emissionen mit einem Volumen von 2,6 Milliarden ziemlich genau im Fahrplan. Die Emittenten kommen mit 60 Prozent schon mehrheitlich aus dem Ausland.

Zur Person: Michael Buhl
Der 55-Jährige begann nach dem Handelswissenschaften- und Jus- Studium 1987 in der CA.1996 wechselte er als Wertpapierchef in die CAIB. Ab 1999 war Buhl für das Investmentbank-Geschäft in der Erste Bank zuständig. Seit 2005 ist er Börse-Vorstand.

"Ein August wie damals", zieht ein Analyst Parallelen zum August 2011, als eine wochenlange Talfahrt der Aktienkurse begann. Am Freitag schien sich das Bild zu wiederholen: Die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland, gepaart mit der weiteren Straffung der US-Geldpolitik und einem schwachen US-Arbeitsmarkt setzten den Aktienkursen kräftig zu. Die Arbeitslosenquote im Juli erhöhte sich leicht von 6,1 auf 6,2 Prozent.

Am stärksten litten Aktien von Unternehmen mit starkem Russland-Geschäft, aber auch Banken und Immobilien-Papiere generell. Der Absturz von KapschTrafficCom, die fast acht Prozent verloren, ist laut Analysten-Einschätzung von der Unternehmensentwicklung her gesehen nicht zu begründen. Allerdings sei die Kurs-Fantasie, die die Aussicht auf die Errichtung eines Mautsystems in Russland der Aktie brachte, derzeit weg. Moskau sollte am 11. August entscheiden, wem der Zuschlag für das Mautsystem erteilt werde. Diese Entscheidung dürfte aufgrund der Sanktionen verschoben werden, wird vermutet.