Giftkeule für chemische Industrie
Bei einem Viertel der Österreicher kommt laut einer Studie von Marketagent kein Handwerker ins Haus. Streicharbeiten (z. B. von Gartenzäunen und -hütten) werden gar von 83 Prozent selbst erledigt. Die Auswahl an geeigneten Produkten wird aber immer geringer. "In den letzten Jahren sind in Österreich 50 von früher 85 zugelassenen Mitteln vom Markt verschwunden", so Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie (FCIO). Hauptgründe: steigende Auflagen und Bürokratie.
Nun droht der Branche die nächste Giftkeule. Österreich muss wegen einer EU-Verordnung die Zulassungskriterien für Biozide (Erklärung unten) ändern. Das will das Umweltministerium zum Anlass nehmen, ab 1. Jänner 2015 den Preis für die Zulassung eines in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bereits erlaubten Produkts von 4330 auf 8100 Euro zu verdoppeln. Die Lackindustrie spricht sogar von Erhöhungen von bis zu 400 Prozent. "Damit wird die Zulassung doppelt so teuer wie etwa in Großbritannien", sagt Hofinger. Schon jetzt seien die Gebühren im EU-Vergleich im oberen Bereich. Hinzu soll eine jährliche Gebühr von 500 Euro kommen.
Preisschock
Wenn ein neues Mittel in der EU erstmals in Österreich auf Zulassung geprüft wird, fallen sogar 250.000 Euro an. Angesichts dieser Summe werden Erstanträge selten in Österreich gestellt. Insgesamt nimmt das Ministerium schon jetzt mehr als zwei Millionen Euro aus Gebühren ein, schätzt Hofinger.
Betroffen sind neben Holzschutz- auch Insektenschutz- und Desinfektionsmittel, zusammen 23 Produktarten. Hofinger glaubt, dass vor allem Klein- und Mittelbetriebe den Preisschock nicht verkraften könnten. "Bei den niedrigen Margen von rund fünf Prozent wirkt sich das schon sehr stark auf das Ergebnis aus." Die Folge: Betriebe werden ins Ausland abwandern und weitere Wirkstoffe nicht mehr erhältlich sein. Dies könnte, so Hofinger, etwa zu vermehrter Keimbildung in Krankenhäusern führen, weil auch ihnen weniger Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen.
Wieweit die Verteuerungen auf die Endkundenpreise abfärben, ist noch unklar. Thomas Krauss, Xyladecor-Markenchef bei AkzoNobel Österreich, hofft, die steigenden Kosten innerhalb des Konzerns ausgleichen zu können. Mit einem Preisschub bei Holzschutzmitteln rechnet er nicht. "Wir tun uns da als Konzern aber auch leichter als lokale Mitbewerber." Hofinger schlägt vor, dass das Umweltministerium effizienter arbeitet, statt Gebühren zu erhöhen. "Für das Ausfüllen eines standardisierten vierseitigen EU-Formulars ist der Betrag nicht gerechtfertigt."
Im Ministerium kontert man: "Im Vorjahr gab es bei den Zulassungen ein erhebliches Defizit. Die neuen Tarife dienen zur Kostendeckung", sagt eine Sprecherin. Zudem handle es sich um hochwertige Expertisen. Dass KMU abwandern könnten, glaubt sie nicht. Denn 85 Prozent der Antragssteller kämen ohnehin aus dem Ausland.
Wirkstoffe Unter Biozide fallen alle nicht in der Landwirtschaft eingesetzten Schädlingsbekämpfungsmittel (Gegensatz zu Pestiziden), bestehend aus Chemikalien und Mikroorganismen.
Branche Der Verband schätzt den Umsatz von Biozidprodukten in Österreich auf 80–100 Mio. Euro. Einige Hundert Betriebe beschäftigen rund 5000 Mitarbeiter. Jährlich gibt es 120 Anträge auf Zulassung.
Wer will schon bei Regen den Zaun streichen? Im Vorjahr hatte der späte Frühling den Lacke- und Holzschutzerzeugern das Geschäft vermiest. Im ersten Quartal gab es zum Teil zweistellige Umsatzrückgänge.
"Heuer ging das Geschäft schon früher los und verlief deutlich besser", sagt Xyladecor-Markenchef Thomas Krauss von AkzoNobel Österreich zum KURIER. Etwa zwei Drittel des Umsatzes kommen bei Xyladecor durch Produkte für den Außenbereich. Die AkzoNobel-Marke ist mit einem Marktanteil von 40 Prozent klarer Marktführer bei Holzschutzmitteln.
Umweltfreundlicheres
Die erschwerte Zulassung zwingt zum Umdenken: "Die Diskussion um die Inhaltsstoffe läuft ja schon seit Jahren. Wir arbeiten permanent an neuen Rezepturen", sagt Krauss. Der Trend gehe eindeutig zu umweltfreundlicheren Alternativen, wobei zwischen dem geforderten Schutzanspruch und dem Umweltschutz der richtige Mittelweg gefunden werden müsse. Denn niemand kaufe ein gesundes Holzschutzmittel, das nicht wirkt.
Der niederländische Chemieriese AkzoNobel stellt neben Holzschutz (Xyladecor) auch Farben (Sikkens, Dulux), Lacke und Spezialchemikalien für die Industrie her. Das Unternehmen beschäftigt 50.000 Mitarbeiter in mehr als 80 Ländern und setzte im Vorjahr 14,59 Mrd. Euro um. In Österreich sind es nach der Auflassung der Produktion in Elixhausen bei Salzburg im Jahr 2012 nur noch rund 100 Mitarbeiter.