Wirtschaft

In diesem Land sind Arbeitnehmer in der Freizeit für Chefs ab sofort nicht mehr erreichbar

Viele Australierinnen und Australier dürfen ab sofort am Ende des Arbeitstages im wahrsten Sinne des Wortes abschalten. Ein neues Gesetz räumt Millionen Beschäftigten das Recht ein, in ihrer Freizeit für ihre Vorgesetzten nicht erreichbar zu sein - und sich zu weigern, auf Kontaktversuche zu reagieren.

Australien verabschiedet Gesetz für Freizeit-Schutz

Das sogenannte "Fair Work Legislation Amendment" war im Februar vom Parlament verabschiedet worden.

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Beschäftigte in mittleren und großen Unternehmen können nun ihre Mobiltelefone nach Feierabend ausschalten und müssen auch nicht mehr auf eMails reagieren. Für Angestellte in Firmen mit weniger als 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern treten die neuen Regeln erst in einem Jahr in Kraft. 

Aber es gibt Ausnahmen - etwa wenn das Ignorieren der Kontaktversuche unangemessen ist, speziell im Falle eines arbeitsbedingten Notfalls, wie der Sender 9News berichtete.

"Menschen sollen nicht 24 Stunden arbeiten"

"Wir möchten sicherstellen, dass Menschen, die nicht 24 Stunden am Tag bezahlt werden, auch nicht 24 Stunden am Tag arbeiten müssen", sagte Premierminister Anthony Albanese in einem Interview mit dem australischen Rundfunksender ABC. "Es ist auch eine Frage der psychischen Gesundheit, denn es geht darum, dass die Menschen von ihrer Arbeit Abstand gewinnen und sich wieder ihrer Familie und ihrem Leben widmen können."

Studien hätten zuvor ergeben, dass in Australien die Work-Life-Balance schlechter sei als in vielen anderen Ländern, schrieben Medien. In etwa 25 Ländern gebe es bereits ähnliche Gesetze, sagte John Hopkins von der Fakultät für Wirtschaft, Recht und Unternehmertum der Swinburne University.

Sechs EU-Länder preschen vor

In der EU sind es sechs Länder, konkret Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Slowakei und Spanien die ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit bereits umgesetzt haben. Auf europäischer Ebene gibt es seit 2021 einen entsprechenden Entschließungsantrag im EU-Parlament, der die Kommission auffordert, eine EU-weite Regelung zu erarbeiten. Konkret wird darin gefordert, dass Arbeitgeber  von Arbeitnehmern nicht verlangen sollen, außerhalb ihrer Arbeitszeit direkt oder indirekt verfügbar oder erreichbar zu sein, und Mitarbeiter sollten davon absehen, ihre Kollegen außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten zu Arbeitszwecken zu kontaktieren;

In Deutschland muss eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer außerhalb klar definierter Arbeitszeiten nicht erreichbar sein. Es gibt aber Ausnahmen. Der Klassiker: die Rufbereitschaft. Hier müssen Beschäftigte erreichbar sein und sich bereithalten, um die Arbeit aufzunehmen, entweder von zu Hause aus oder vor Ort. Bei Führungskräften kann eine vertragliche Nebenpflicht zur Erreichbarkeit auch außerhalb der klassischen Arbeitszeit bestehen.

Und in Österreich?

In Österreich gibt es bis dato kein explizites Recht auf Nicht-Erreichbarkeit während Phasen der Abwesenheit wie nach Dienstschluss, Zeitausgleich, Krankenstand oder Urlaub.  Sehr wohl  gibt es  aber eine klare Abgrenzung  zwischen Arbeitszeit und Freizeit. 

„Anders als in Australien haben wir in Österreich durch die bestehende Rechtslage de facto  schon ein Recht auf Nicht-Erreichbarkeit“, sagt AK-Arbeitsrechtsexperte Philipp Brokes zum KURIER.  So sieht etwa das Urlaubsgesetz eindeutig vor, dass die freien Tage der Erholung dienen und ein Arbeitnehmer nicht für seinen Arbeitgeber erreichbar sein muss.

Der Dienstnehmer muss ein Diensthandy im Urlaub weder mitnehmen noch einschalten. Liest  er   in der Freizeit freiwillig seine eMails, zählt das nicht als Arbeitszeit. Wird jemand jedoch vom Arbeitgeber angerufen, weil er für einige Stunden Arbeit erledigen muss, gilt das  als Arbeitszeit. Es gibt aber Ausnahmen, etwa die  Rufbereitschaf. Diese   ist aber  nur zeitlich eingeschränkt (an maximal zehn Tagen pro Monat) zulässig.

Gesetz zur Bewusstseinsbildung

Ein explizites Recht auf Nicht-Erreichbarkeit könnte der Bewusstseinsbildung dienen, meint  Brokes. Der Ball liege aber eher bei der EU, die wie bei den Homeoffice-Regeln für einen einheitlichen Rahmen sorgen könnte. Die  Wirtschaftskammer hält ein eigenes Gesetz für unnötig. Die bestehenden Regelungen und die Rechtsprechung würden die Arbeitnehmer ausreichend schützen.