Ausstieg aus russischem Öl und Gas ist mittelfristig machbar
Die Rufe nach dem Rückzug aus Öl und Gas wurden zuletzt immer lauter. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führt vor Augen, dass der Umbau des Energiesystems von fossil auf erneuerbar noch rascher passieren muss als aus Klimagründen ohnehin nötig ist. Denn Europa will schnell unabhängig von russischen Energiequellen werden. Führende Forscherinnen vom Verein Scientists for Future denken, dass der Ausstieg aus Öl und Gas mittelfristig gelingen kann.
Laut einer aktuellen Studie der Energieagentur könnte Österreich ab 2027 ohne russischen Gas auskommen. Für die Wiener Umweltökonomin Sigrid Stagl ist der Ausstieg bis dorthin möglich, aber nur mit einer "nationalen Kraftanstrengung". Derzeit fahre man nämlich noch mit "angezogener Bremse", da es noch viel Widerstand auf politischer Ebene gebe, so Stagl am Donnerstag in einem Mediengespräch. Mehrere Bundesländer würden sich etwa gegen zusätzliche Flächen für Windkraft stemmen.
Substitution von Öl in Österreich deutlich einfacher als in anderen Ländern
Die Substitution von Öl ist in Österreich deutlich einfacher als in anderen Ländern. Österreich bezog bisher nämlich nur rund 7 Prozent seines Ölbedarfs aus Russland. Dieser könnte rasch aus anderen Quellen ersetzt werden, so Stagl. Auch Einsparungen durch Tempolimits und Maßnahmen zur Verkehrsreduktion würden dazu beitragen. Laut Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) bezieht Österreich bereits seit März kein russisches Öl mehr. Deutlich komplexer ist die Situation für Gas, bei dem Österreich nach wie vor stark abhängig von Russland ist. Als Übergangslösung für den Ersatz von russischem Erdgas wird oft Flüssigerdgas (LNG) ins Spiel gebracht.
Doch laut Stagl sollte keinesfalls in neue Strukturen für fossile Energien - wie etwa LNG-Terminals - investiert werden, da diese nur neue Abhängigkeiten schaffen würden. Vielmehr solle man auf den Ausbau bestehender Anlagen für erneuerbare Energie setzen, mehr Flächen für Windkraft in allen Bundesländern schaffen, vermehrt auf Biogas und elektrische Wärmepumpen zurückgreifen, eine Ausbildungsoffensive für Fachkräfte im Bereich der Erneuerbaren starten und auf Bundesebene das neue Energieeffizienzgesetz vorantreiben. Die beste Maßnahme sei nämlich nach wie vor Energie zu sparen.
Europa könne auch ohne russische Energielieferungen
Ganz ähnlich sieht das die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Ihrer Meinung nach, kann Europa die Energieversorgung auch ohne russische Energielieferungen sicherstellen. Dafür brauche es jetzt drei Maßnahmen: Die Diversifikation von Öl- und Gasimporten, Energiesparen und den raschen Ausbau erneuerbarer Energien. Kurzfristig könnten andere Länder wie Norwegen, Niederlande oder Dänemark den Bedarf an Gas decken.
Dabei bedürfe es einer europäischen Koordination, damit nicht einige Länder im Alleingang Verträge schließen und andere in russischer Abhängigkeit bleiben. Mittel- und langfristig solle man aber ganz auf erneuerbare Energien setzen. Kemfert plädierte daher am Donnerstag für die Schaffung entsprechender Anreize, wie etwa einer Austauschprämie für Gas- und Ölheizungen.