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Wolfsmenschen: "Ich bleibe anders"

Regisseur Julian Roman Pölslers erste Fernsehdokumentation, die ORF 2 heute um 22.40 Uhr ausstrahlt, setzt sich – vordergründig – mit einem reißerischen Thema auseinander. Erzählt wird die Geschichte von Petrus Gonsalvus, eigentlich Pedro Gonzalez, der um 1550 im Alter von zwölf Jahren an den französischen Hof gebracht wurde, weil er an einer seltenen Krankheit litt, die ihn zu einer begehrten „Kuriosität“ machte: Hypertrichose. Gonsalvus war im Gesicht behaart. Und doch, zur Überraschung aller, kein Wilder, kein Wüstling, sondern ein intelligenter, sensibler Mann, der drei Sprachen lernte und mit der schönen Hofdame Catherine eine lange, glückliche Ehe führte. Der sieben Kinder entsprangen: Einige litten ebenfalls an der auch als Ambras-Syndrom bekannten Krankheit und wurden im Kindesalter als „Geschenke“ an andere europäische Höfe verschickt. Anhand von Spielszenen erzählt Pölsler „die wahre Geschichte von ,Die Schöne und das Biest‘“, wie es im Untertitel der Doku heißt.

Freakshow

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Interessanter als die (sorgfältig inszenierten) Ausflüge in die Vergangenheit sind aber die Gegenwartsbezüge. Parallel zu Gonsalvus porträtiert Pölsler den jungen Mexikaner Larry Gomez, der ebenfalls an Hypertrichose leidet – als einer von ungefähr 50 Menschen weltweit. Gomez wurde als Kind im Zirkus ausgestellt, arbeitete später in einer Freakshow in Los Angeles und spielt ab und zu in Hollywoodfilmen mit. Ein starker, selbstbewusster Mann, trotz seines auffälligen Aussehens. Auf die Frage, ob er sich die Haare im Gesicht nicht entfernen lassen könne, antwortet er: „Es ist besser, ich bleibe anders.“

En passant nimmt Pölsler Problemfelder wie Toleranz und Schönheitswahn mit, und erzählt damit viel mehr als nur eine alte Gruselgeschichte – auch wenn der Titel das vermuten lässt. „Die Botschaft – die Anerkennung des Anderen im Anderssein – ist wichtig und gehört transportiert,“ sagt Pölsler über seinen Film. Der Stoff sei faszinierend, „weil er zeigt, dass es ein Phänomen in unserem Leben gibt, das alle Gegensätze, alle Unmöglichkeiten möglich macht – und das ist die Liebe. Letztendlich sind alle guten Geschichten Liebesfilme.“

Gesprochen wird „Gonsalvus“ von Cornelius Obonya; der Film ist eine Koproduktion von ORF, ARTE und epo-film in Zusammenarbeit mit Smithsonian Networks USA und BMUKK, gefördert von Fernsehfonds Austria, Land Niederösterreich Kultur und Land Steiermark Kultur.

Ab 5. Juli in „Universum History“: die achtteilige BBC-Reihe „Die Geschichte der Menschheit“, die eine Zeitreise zu den dramatischen Höhepunkten und Wendepunkten der Zivilisation unternimmt. Teil eins etwa befasst sich mit den frühen Hochkulturen, Teil zwei mit „Tyrannen und Demokraten“ und Teil drei mit Religionen.