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Uli Brée: "Schauen Sie fern? Ich eigentlich nicht"

KURIER: Staffel zwei kommt im März. Sie sagten in einem Interview, dass Sie nicht mehr weitermachen, wenn die Figuren auserzählt sind. Sind sie das?

Uli Brée: Das Interview war im Sommer, inzwischen habe ich den Vertrag unterschrieben und ich fange jetzt gerade an, die dritte Staffel zu schreiben. Derzeit habe ich auch nicht das Gefühl, es sei auserzählt. Aber wenn mir irgendwann zu den Figuren nichts mehr einfällt oder ich das Gefühl habe, mich zu wiederholen, dann höre ich auf.

Auffällig war die Diskrepanz zwischen Kritik und Publikum. In Österreich und Deutschland waren die "Vorstadtweiber" von Verrissen begleitet. Das Publikum sprang trotzdem auf.

Ich schreibe nicht fürs Feuilleton, sondern fürs Publikum. Um ein Beispiel zu nennen: Ich habe "Live is Life" geschrieben, wo alte Leute eine Rockband gründen. Der Film ist entstanden, weil ich meine Mutter immer wieder im Altersheim besucht habe und es dort wahnsinnig trist fand. Jetzt kannst du einen Arthouse-Film darüber schreiben, wie schrecklich Altersheime sind, oder du schreibst ein Märchen, das Mut macht, und zwischen den Zeilen erzählst du die Wahrheit. Der Unterschied: Du hast mit einer guten Komödie zehn Millionen Fernsehzuschauer und mit schwer verdaulicher Kunst einen Bruchteil davon. Ich möchte die Menschen erreichen, nicht die Kritiker.

Wo bewegt sich Staffel zwei hin? Bei Staffel eins war das große Finale die Verhaftung.

Ich hatte bereits die ersten 5 Bücher für die zweite Staffel fertig, als die erste Staffel ausgestrahlt wurde. Aufgrund der Reaktionen haben wir gemerkt, was das Publikum liebt. Daraufhin habe ich noch einmal alle Bücher überarbeitet und den Figuren mehr Raum gegeben und die Handlung entschlackt. Trotzdem gibt es einen roten Faden, der in einem heftigen Finale mündet. Aber in erster Linie geht es um die seelischen Befindlichkeiten der Hauptfiguren und wie sie mit den eigenen Abgründen und denen der anderen umgehen.

An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?

Mit Rupert Henning habe ich den Roman "Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein" von André Heller fürs Kino dramatisiert. Es gibt weiters zwei ganz tolle Projekte, über die ich nicht reden darf. Was auch ansteht: "Männerschmerzen", ein Kabarettstück, das ich 1986 geschrieben habe. Übrig bleibt aber nur der Titel, werden soll daraus eine Serie. Das wird zwar nicht das Pendant zu den "Vorstadtweibern", aber sagen wir mal so: Es wird mehr um Männerbefindlichkeiten gehen als um Frauenbefindlichkeiten.

Wenn Sie die Serienlandschaft betrachten: Ein wahnsinniger Boom in Amerika bahnt sich den Weg nach Europa. Österreich und Deutschland versuchen mitzuhalten. Wo führt der Weg hin?

Am Anfang hat es geheißen, Serie sei das neue Kino. Ich spüre bei mir auch schon eine gewisse Übersättigung, weil da natürlich viel Quargel mitschwimmt und auch viele Serien nicht halten, was sie versprechen. Es ist wahnsinnig schwer, zu filtern. In der deutschen Serienlandschaft gibt es ein anderes Problem: Die wollen alle auch so toll und so mutig sein wie die Amis, aber am Ende kneifen sie dann. Da sind wir in Österreich schon ein Stück voraus.

Deutsche Serieneinkäufer blicken neidvoll nach Österreich.

Ich glaube, weil die Zusammenarbeit zwischen dem ORF und ihren Autoren besser funktioniert. Wenn ich mit den gleichen Büchern nach Deutschland gegangen wäre hätten die zwar gesagt: Ja, toll. Aber am Ende wären die Schwulenszenen rausgeflogen und der 16-jährige Lover von der Waltraud wäre mindestens schon 18 gewesen. Um nur zwei Beispiele zu nennen.

Die kantigere ORF-Herangehensweise wurde belohnt. Letzten Endes war die Serie auch in Deutschland ein Erfolg.

Auch das deutsche Publikum hat "House of Cards" und "Breaking Bad" gesehen. Das Publikum ist ja nicht feige, nur das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen. Aber wer weiß, vielleicht tut sich da ja jetzt langsam was.

Sie sind seit Ernst Hinterberger ("Kaisermühlen Blues", "Ein echter Wiener") eigentlich der erste Drehbuchautor, der einen ähnlichen Hit gelandet hat und auch dafür auch in der Öffentlichkeit gefeiert wird.

Ich war sogar in Woman mit einer Homestory. Ich glaube, jetzt habe ich es echt geschafft. Wenn jetzt auch noch "Willkommen Österreich", "Frühstück bei mir" und "Dancing Stars" anfragen, steht dem Druck von Autogrammkarten nichts mehr im Weg. Vielleicht bekomme ich ja sogar noch eine ROMY für die "Vorstadtweiber"-Bücher. Das wäre natürlich der absolute Traum und würde den Zenit meiner Karriere bedeuten. Danach kann es eigentlich nur noch bergab gehen.

Es gibt gewaltig viel Konkurrenz für das herkömmliche Fernsehen. Funktioniert es abseits von Shows und Livesport im Zeitalter des Streamings überhaupt noch?

Ich finde es völlig absurd, dass ich in Zeiten wie diesen um 20.15 Uhr vor der Glotze sitzen soll, weil mir das einer sagt. Ich schaue mir das an, wann ich will. Mich wundert eigentlich, dass es Fernsehen noch gibt. Schauen Sie fern? Ich eigentlich nicht.

Das letzte Fernsehevent im Serienbereich, das hervorragend funktioniert hat, waren interessanterweise ja Ihre "Vorstadtweiber".

Obwohl ich es geschrieben habe und zig Rohfassungen gesehen habe, habe auch ich am Montag um 20.15 Uhr mit meinen Kindern "Vorstadtweiber" geschaut: Weil das Kult war. Interessant, dass das noch geht.

Wer ist Ihr Lieblingscharakter in der Serie?

Lange Zeit die Waltraud, aber jetzt immer mehr der Politiker Joachim Schnitzler, den man trotz all seiner Abgründe einfach liebt. Philipp Hochmair ist mein ganz persönlicher Frank Underwood.