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Querelen zu neuer Ö1-Führung

Mehr als einen Monat nach dem Hearing für die neue Leitung des ORF-Kulturradios Ö1 lässt deren Bestellung weiter auf sich warten. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat zwar seine Ankündigung wahr gemacht und sowohl Redakteursvertretung als auch Bewerber zum Gespräch gebeten. Das Votum seines Hörfunk-Direktors Karl Amon zugunsten von Ö1-Feature-Chef Peter Klein – das im Gegensatz zum Wunsch der Redakteure nach Ulrike Wüstenhagen steht – wollte Wrabetz bislang aber trotzdem nicht bestätigen.

Was höchst ungewöhnlich ist. Denn selbst bei der umstrittenen Ernennung Edgar Weinzettls zum neuen Ressortleiter Radio-Innenpolitik Ende 2012 war Wrabetz recht schnell Amon gefolgt. Der Grund für die Zurückhaltung soll im Vorgehen Amons beim Hearing und danach liegen, das im Funkhaus immer noch für Diskussionen sorgt. Ein Indiz dafür sind Aktivitäten des paritätisch besetzten ORF-Schulungsbeirats und organisatorische Änderungen, die künftige Hearings betreffen.

Beeinflussung

Amons Linie bei Hearings ist, wie er stets betont, dass er den Bestgereihten mit dem betreffenden Job betraut. Ihm wird nun vorgehalten, er habe, obwohl nur als Beobachter geladen, das Ö1-Chef-Hearing mit Fragen und Feststellungen beeinflusst. Auch Verfehlungen gegen den Datenschutz, weil er am Tag nach dem Hearing – auf Drängen von Journalisten – seine Präferenz bekannt gegeben hatte, werden vom Gremium angeführt. Der Schulungsbeirat, eine Art Beobachtungsgremium für Hearings, soll jedenfalls den ORF-Generaldirektor aufgefordert haben, die Prüfung rechtlicher Sanktionen zu veranlassen. Weiters wurde nach dem Ö1-Hearing festgeschrieben, dass Beobachter künftig definitiv kein Fragerecht bei Hearings haben.

Amon verteidigt sich: "Mir ist das Schreiben des Schulungsbeirats nicht bekannt. Ich kann aber ausschließen, dass ich mich nicht an die Regeln für das Hearing gehalten hätte. Andernfalls wäre damals der Vorsitzende eingeschritten. Als Auftraggeber des Hearings – und nicht Beobachter – war ich sehr wohl berechtigt, Fragen zu stellen. Auch der Datenschutz wurde von mir selbstverständlich gewahrt."

Die Entscheidung verzögert sich unterdessen weiter.

Im Mai hatte das Büro des Generaldirektors Ende Juni angepeilt. ORF-Kommunikationschef Martin Biedermann sagte am Dienstag, man werde die Personalie "bald, aber nicht diese Woche" entscheiden. Sollte das Hearing beeinsprucht werden, werde man das allenfalls in die Gewichtung des Hearings einfließen lassen. Der Job werde schließlich nach mehreren Kriterien vergeben.

Amon erklärte am Montagabend – also am Monatsletzten – übrigens, er rechne mit einer Entscheidung "zeitnah zu Ende Juni".

Am Donnerstag ist der Radiodirektor als Gast des ORF-Stiftungsrates geladen. Er soll dort den wirtschaftlichen Kurs beim Radio erläutern und über den Stand der geplanten Einsparungen von mehr als sechs Millionen Auskunft geben.