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"Niemand fühlt sich mehr sicher"

KURIER: In Staffel eins der Zombie-Serie "Fear The Walking Dead" fällt der Satz: "Wenn die Zivilisation endet, dann endet sie schnell." Was zieht die Seher am Weltuntergang so dermaßen an?

Gale Anne Hurd: In der heutigen Welt gibt es die nachhaltige Sorge um eine Art der globalen Apokalypse. Niemand fühlt sich mehr sicher. Durch diese Charaktere in einer fiktionalen Welt, die wir nie erleben werden, kann man sich identifizieren: Was tun die? Wäre das etwas, das ich tun würde? Gibt es irgendeinen Weg, die eigene Menschlichkeit zu bewahren, wenn so etwas passiert? Es ist nicht unterhaltend, reale Ereignisse zu betrachten, aber wenn man das überhöhte Szenario von Science-Fiction hat, fühlt man sich zumindest nicht schuldig, wenn man sich unterhalten fühlt.

Die Zombie-Apokalypse als ein Gleichnis auf mögliche Katastrophen der Gegenwart?

Es kann jede Art der Apokalypse sein: Naturkatastrophen, Erdbeben, Tsunamis, ein weltweiter Wirtschaftscrash. Durch Social Media erhält etwas, das Tausende Kilometer von uns entfernt ist, eine Art der Bedeutung, die es nicht hatte, als man die Nachrichten zwölf Stunden später in der Zeitung las. Der Nachrichtenkreislauf dauert heute 24 Stunden und man bekommt Informationen aus erster Hand, wenn es irgendwo irgendeine Art der "Apokalypse" gibt.

Die Menschen haben dadurch auch zunehmend ein Gefühl dafür, dass wir alle auf einem Planeten leben, oder? Wir können nachfühlen, wenn es andernorts Ungerechtigkeiten gibt.

Ja. Ich glaube das ist richtig. Ich glaube deswegen fühlt es sich so viel stärker an und ist den Menschen näher.

Sie haben legendäre Kino-Blockbuster wie "Terminator", "Armageddon" , "Aliens" produziert. Wie kamen Sie zum Zombie-Fernsehen?

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Ich war immer ein Fan von Comic-Heften – ich habe auch die "Hulk"- und "Punisher"-Filme gedreht. Als ich "The Walking Dead" das erste Mal las, dachte ich mir: Bevor man daraus einen Kinofilm dreht, sollte man eine Serie mit fixer Besetzung daraus drehen. Was mich am Fernsehen noch angezogen hat: Kinofilme sind eher ein Regisseursmedium, während Fernsehen ein Produzententhema ist. Und: In der selben Zeit, in der ich zweieinhalb Stunden Kinofilm produzieren könnte, kann ich 15, 16 Stunden Fernsehstory erzählen. Insofern ist TV viel produktiver.

Gleichzeitig ist es viel herausfordernder: Die Story muss weitergehen. Gleichzeitig sollen die Charaktere möglichst behutsam entwickelt werden. Ist das nicht eine ungeheure Belastung?

Es ist herausfordernder, aber auch viel erfüllender: Man kann viel tiefer in die Charaktere eintauchen, als man das in einem Zwei-Stunden-Film tun kann. Und die Fans laden uns ja quasi in ihre Wohnzimmer ein, wo wir Woche für Woche vorkommen. Während man bei Kinofilmen auch bei Fortsetzungen höchstens alle drei Jahre präsent ist.

Orten Sie viel Druck auf dem Kino? Wir erleben ja das viel zitierte "Goldene Zeitalter" des Fernsehens.

Ich glaube, dass die Leute immer gerne ausgehen werden, um sich einen Film auf der Leinwand anzuschauen. Es ist ein kollektives Erlebnis – die Menschen gehen ja auch auf Konzerte.

Comics waren Bubenmaterie, später Subkultur. Nun ist es Mainstream, im Kino wie im Fernsehen. Erstaunt Sie das?

Als junges Mädchen habe ich viele Comics gelesen. Ich habe es also nicht als Jungsmaterie gesehen. Ich denke, wir leben in einer komplizierten Welt und viele Superhelden sind simpel. Vor allem im Fernsehen haben wir geschafft, ihre Geschichte komplexer zu machen.

Was ist eigentlich profitabler für Produzenten? TV oder Kino?

Man verdient im Fernsehen viel weniger als im Kino. Man muss es also wirklich lieben (lacht).

Das Spin-Off "Fear The Walking Dead" war ein voller Erfolg, oder?

Es war auf jeden Fall das erfolgreichste Debüt in der Geschichte des US-Kabelfernsehens. "The Walking Dead" hingegen hat immer mehr Menschen angezogen, je länger die Serie lief.

Kritiker sehen eine Blase auf die Unterhaltungsbranche zukommen, weil es zu viele Serien gäbe.

Wer sagt, dass es zu viel Musik gibt? Keiner. Er heißt eher: "Wow, es gibt so viele tolle Bands." Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich zu unterhalten. Über Streaming haben aber die Leute die Chance, wirklich mehr zu sehen. Wenn man früher eine Episode, etwa von "Lost", versäumt hat, hatte man keine Möglichkeit, das nachzuholen. Man hörte vielleicht sogar auf, die Serie zu schauen, weil man wichtige Entwicklungen bei den Charakteren und im Plot versäumt hatte. Das ist heute anders.

Zur Person

Die Produzentin bescherte der Welt legendäre Blockbuster wie "Terminator", "Aliens – Die Rückkehr" oder "Armageddon". Seit 2010 produziert sie erfolgreiche Zombie-Serie "The Walking Dead" (hierzulande via Sky), auf die 2015 das Prequel "Fear The Walking Dead" folgte. Staffel zwei läuft heute an, im deutschsprachigen Raum sind sie auf dem Streamingdienst Amazon Prime zu sehen.