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Nach GIS-Urteil: ÖVP für Gebührenreform

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KURIER: Wie sieht denn ein zeitgemäßes Gebührenmodell aus Sicht des ÖVP-Mediensprechers aus?

Gernot Blümel: Die Frage nach einer Haushaltsabgabe für ORF-Gebühren ist eindeutig zu kurz gegriffen. Wir erleben eine Digitalisierung, wo Umbrüche stattfinden, die wir so noch nicht gekannt haben. Darüber hinaus muss auch die Frage mitdiskutiert werden, wie österreichische Inhalte weiterhin vorkommen und wie ein österreichischer Medienstandort stark genug aufgestellt sein kann.

Was wäre Ihre Antwort?

Dass man in Österreich generell darüber nachdenken muss, wie jenes Steuergeld, das bereits jetzt in den Medienbereich fließt, umgeschichtet und neu verteilt werden kann. Wir haben ungefähr eine Milliarde Euro jährlich, die für diesen Bereich ausgegeben wird. Da zähle ich die GIS-Gebühren genauso mit hinein wie die Abgaben, die die Länder mit einheben, genauso wie die Inserate der öffentlichen Stellen. Auch die Presseförderung gehört dazu, die aber lediglich 8,9 Millionen ausmacht – das ist kein zeitgemäßes System. Gleichzeitig ist die Digitalisierung in keiner Weise miterfasst. Die Frage ist: Wie kann man innerhalb dieses Kuchen so umgruppieren, dass der Steuerzahler nicht noch mehr belastet wird, es aber eine moderne Aufstellung ist?

Der von Ihnen angesprochene Kuchen von einer Milliarde soll lediglich neu aufgeteilt werden?

Es würde schon reichen, wenn man über eine Neuverteilung diskutiert. Wenn man sich ansieht, wie viel Geld die Stadt Wien für Inserate und Werbung ausgibt, muss man sich die Frage stellen, inwiefern das demokratiepolitisch überhaupt noch zulässig ist. Die Stadt Wien hat im ersten Quartal fast sechs Millionen direkt für Inserate ausgegeben. Das ist ungefähr zehn Mal so viel wie das Land Niederösterreich. Wenn man die zurechenbaren Stellen dazu nimmt, hat Wien über elf Millionen Euro im ersten Quartal ausgegeben – mehr als doppelt so viel wie alle anderen Bundesländer zusammen.

Sowohl rote wie schwarze Ministerien, Länder sowie öffentliche Stellen werben in Österreich in einem Ausmaß, das etwa in Deutschland unvorstellbar wäre. Sollte man über einen Stopp der politischen Imagewerbung nachdenken?

Wenn Sie sich anschauen, wie das Verhältnis in Österreich ist, dann wirbt die Stadt Wien zehn Mal so viel wie das zweitstärkste Bundesland. Dort sollte man ansetzen und sich nicht prinzipiell über Verbote und Gebote unterhalten.

Zurück zum ORF: Wenn man von einer Neuordnung der Medienförderung spricht, muss man sich dann nicht auch anschauen, wie öffentlich-rechtlich oder privat etwa der Sender ORFeins ist?

Absolut richtig. Deswegen habe ich auch letztes Jahr ein Medienpaket auf den Tisch gelegt, wo es darum geht, den öffentlich-rechtlichen Auftrag klarer zu definieren. Leider Gottes hat das beim Koalitionspartner wenig Anklang gefunden. Aber das gehört natürlich mitdiskutiert, wenn man darüber spricht, wie Medien finanziert werden und welchen Auftrag sie generell haben.

Für Sie wäre es auch denkbar, dass man Teile des ORF privatisiert?

Ich würde zuerst darüber diskutieren, was öffentlich-rechtlich ist. Daraus sollte man dann die richtigen Schlüsse ziehen und nicht voreilig eine Struktur definieren. Klar ist aber schon, dass ORFeins von der Medienbehörde immer wieder für zu viel fiktionales Programm kritisiert worden ist. Das ist ein Handlungsauftrag, auch für die Politik. Den nehmen wir ernst.

Die ÖVP hat nach der Wahl in der Steiermark im ORF-Stiftungsrat die relative Mehrheit. Nächstes Jahr steht die Generalswahl an. Sind Sie mit der aktuellen ORF-Führung rund um Alexander Wrabetz zufrieden?

Es gibt sowohl Licht als auch Schatten. Generell tut man keinem Unternehmen einen Gefallen, wenn ständig öffentlich über Personen diskutiert wird.

Ich bin’s, dein Laptop“, säuselt die vertraute GIS-Stimme in Dauerschaltung aus dem Fernseher und mahnt: Wer mit dem Computer fernschaut, muss ebenfalls Fernsehgebühren zahlen. Stimmt schon, aber: Wer ORF und Co. nur über Streamingangebote konsumiert, muss keine Abgaben leisten, bestätigte ein Verwaltungsgerichtshofs-Urteil am Montag. Wenn zusätzlich eine Empfangskarte für Radio oder TV installiert ist, wird auch der Laptop GIS-pflichtig. Der Empfang von Rundfunkprogrammen über Streaming sei aber „nicht als Rundfunkdarbietung zu qualifizieren“. Ein Wiener hatte Radio über Internet gehört und sich gegen die GIS zur Wehr gesetzt.

Im Netz setzte Jubel über den Sieg über das ungeliebte Gebühren-Info-Service ein. Real bedeutet das Urteil für den ORF derzeit jedoch nur geringe Einbußen, wie dem KURIER aus dem Unternehmen versichert wurde.

Legistisch ist die Sache dennoch eine Debatte wert, findet nicht nur ORF-Finanzdirektor Richard Grasl, der im Gespräch mit dem KURIER vor einer „Zweiklassengesellschaft“ warnte: Wer ORF-Radio nur am Tablet oder Smartphone konsumiere, müsse nach geltender Rechtslage keine GIS zahlen, wer ein Radiogerät betreibe, aber schon. „Der VwGH hat aufgezeigt, dass die jetzige Rechtsmeinung mit der technischen Realität nicht zusammenpasst.“ Ob der ORF damit die etwas eingeschlafene Debatte um die geräteunabhängige Haushaltsabgabe wiederbeleben wolle? „Wir würden uns nicht verschließen“, meint Grasl. Allerdings könne auch das bestehende Gesetz angepasst werden, um modernen Nutzungsgewohnheiten Rechnung zu tragen. Im Medienministerium verwies man dazu auf die im Juli eingesetzte „Medienreformkommission“.

Neues Modell

Ein neues Gebührenmodell ist mittlerweile weniger exotisch als noch vor wenigen Jahren. Nach Deutschland hat jüngst auch die Schweiz für eine Haushaltsabgabe gestimmt. Egal ob ein Empfangsgerät für TV oder Radio vorhanden ist, werden die Haushalte zur Kasse gebeten. Und hierzulande hätte der ORF einen gewichtigen Unterstützer: Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) plädierte jüngst ebenfalls für eine Haushaltsabgabe.

„Eine neu gestaltete Presseförderung könnte nach unseren Vorstellungen über eine Haushaltsabgabe finanziert werden, das wäre die Finanzierungsform, mit der sich die Unabhängigkeit der Medienlandschaft am besten gewährleisten lässt“, erklärte jüngst VÖZ-Präsident Thomas Kralinger.

Löwenanteil

Die Tendenz, an der GIS vorbei TV und Radio zu konsumieren,kann der ORF jedenfalls schwerlich ignorieren. Schließlich machen die Entgelte schon immer den Löwenanteil der Einnahmen aus – Tendenz steigend: Betrug das Verhältnis von Werbeeinnahmen zu Gebühren 2008 noch zirka eins zu zwei, verlagerte sich das Verhältnis 2013 auf fast eins zu drei: Auf jeden Werbe-Euro kamen in der Bilanz fast drei Gebühreneuros.

Im Vorjahr, dem ersten Budgetjahr ohne Gebührenrefundierung, betrug das Verhältnis immer noch 1:2,7. 263 Werbemillionen aus dem Jahr 2008 standen nur noch 221,7 Millionen im Vorjahr gegenüber. Kein Grund, auf nur einen GIS-Cent zu verzichten.