Medientage: Veranstalter Manstein holt gegen Aufdecker aus
Die Österreichischen Medientage, die am Dienstag zum 20. Mal eröffnet wurden, haben eine erste Kontroverse. Der Gastgeber und Gründer der Veranstaltung, der Verleger Hansjörgen Manstein, hob einmal mehr zu einer Schelte für die Aufdeckerjournalisten an. „Der Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher ist es zunehmend egal, was die Medien so treiben“, sagte Manstein. Medien würden mit Hilfe von Anwälten und „Papierlverteilern“ nur mehr „Aktenabschreibjournalismus“ betreiben und sich dafür auch noch selbst hypen. „Journalisten produzieren Geschichten für Journalisten. Damit gewinnt man höchstens Preise. Nur das interessiert draußen an den Kiosken niemanden. Watchdog und vierte Gewalt ist man so nicht.“
Im Vorjahr hatte Manstein in einem Leitartikel der von ihm verlegten Fachzeitschrift Horizont von "Amtsmissbrauchsjournaille" geschrieben, was ihm den Unmut mehrerer führender Journalisten bescherte. Auf sozialen Medien wurde das Thema intensiv diskutiert. "ZiB2"-Anchor Armin Wolf schrieb am Dienstag zur erneuten Aufdecker-Schelte Mansteins auf Twitter: "Es ist etwa so, wie wenn der Bürgermeister von Schnackenburg Frau Merkel erklärt, dass sie das Handwerk nicht kann."
Daneben konstatierte Manstein eine zunehmende Entfremdung zwischen Medien und Medienkonsumenten sowie Politik und Bürgern. Die Politik agiere „erschütternd inhaltsleer“, und die aktuelle Wahlauseinandersetzung sei nicht gerade von hoher demokratischer Kultur und hohem Niveau geprägt. „Wir erleben eine erstaunliche Degenerierung der politischen Kultur.“ Der Verleger plädierte deshalb für eine Erneuerung bei Medien und Politik.
Edmund Stoiber: Kommunikation in Übergangsphase
Die Zukunft der Politikvermittlung liegt für Stoiber aber dort, wo auch die Zukunft der Medien liegt: „In Mobile und in Social Media. Die Politik ist gut beraten, stärker auf Digitalisierung zu setzen. Das wird unsere Form der Demokratie massiv verändern, Demokratie wird dadurch unmittelbarer und direkter.“ Auch Online-Wahlen sind für den früheren CSU-Politiker denkbar. Und die Digitalisierung werde auch die Parteien verändern. „Um in der Digitalisierung durchzudringen, werden Politiker wieder markanter und kantiger sein müssen.“ Gleichförmigkeit werde im Netz nicht so wahrgenommen. „Wer nur noch kommuniziert und dabei nichts zu sagen hat, wird sich als Politiker sehr schnell verbrauchen.“
Einen "von Grund auf anders organisierten ORF" wünscht sich der ehemalige Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad. Der öffentlich-rechtliche Sender solle zwar nach wie vor im Eigentum der Republik bleiben, allerdings müssten die Organe ebenso wie die Finanzierung unabhängig gestaltet werden. Bei den Österreichischen Medientagen diskutierte Konrad am Dienstag mit Kabarettist Florian Scheuba über die "Vernetzung, Verstrickung und Verfilzung" von Medien und Politik, wobei er auch die Höhe der Inserate aus öffentlicher Hand kritisch betrachtete.
Handlungsbedarf bei Presseförderung
Beim Thema Gratismedien sprach der ehemalige Bankmanager deren Verteilmöglichkeiten auf öffentlichem Grund an. "Wieso ist das eigentlich gratis?", fragte Konrad und forderte "Chancengleichheit für alle". Davon abgesehen seien diese Medien maßgeblich von Einschaltungen durch öffentliche Stellen abhängig.
Mehr Selbstbewusstsein gefordert
Die Wirkung der Medien werde von den Politikern wiederum oftmals überschätzt, diesbezüglich ortete Konrad überzogene "Erwartungshaltungen". Anstatt die Politik nach den Medien auszurichten wünschte er sich "mehr selbstbewusste Politiker und Journalisten, die nach bestem Wissen und Gewissen ihrem Job nachgehen". Nicht jede Kampagne eines großes Mediums würde auch bei der Bevölkerung ankommen. Problematisch sei indes die "zu große Nähe" zwischen manchen Politikern und Journalisten. "Und grundsätzlich benötigt es mehr Respekt vor einander, bei Journalisten wie bei Politikern."
Eine Absage erteilte Konrad der Einflussnahme von Eigentümern und Politikern auf Medien, da es "die einzige Möglichkeit ist, glaubwürdig zu bleiben". Entsprechend kritisch beurteilte er auch den Rückzug von ÖVP-Inseraten in "News" nach einem kritischen Artikel. Und zum Thema ORF-Journalisten und Twitter gab sich Konrad ganz pragmatisch. Strengere Regeln und Beschränkungen lehnt er ab. "Die sollen sagen können, was sie wollen."
Der ehemalige RTL-Group- und ORF-Chef Gerhard Zeiler ist einer der Stargäste der am Dienstag startenden Österreichischen Medientage.
KURIER: Herr Zeiler, in der Nacht auf Montag hat mit der Netflix-Serie „House of Cards“ erstmals eine von einem Streaming-Dienst produzierte Serie einen Achtungserfolg erzielen und einige der begehrten Emmys gewinnen können. Ist das der Anfang vom Ende des traditionellen, linearen Fernsehens?
„House of Cards“ hatte Erfolg bei den Emmy-Awards, dazu gratuliere ich herzlich. Aus diesem Achtungserfolg das Ende des linearen Fernsehens abzuleiten, wäre aber sehr kühn. Insbesondere, wenn man auf die Vielzahl von populärer Produktionen schaut, die aus dem frei empfangbaren und ganz besonders aus dem Pay-TV kommen – nehmen Sie „The Newsroom“ von HBO, eine meiner Lieblingsserien. Netflix dagegen gibt seine Zuschauerzahlen nicht bekannt. Wer von einem Fernsehpreis auf verändertes Konsumverhalten der Menschen schließt, den muss man fragen, was er am Morgen zu sich genommen hat.
Trotzdem die Frage: Sie sind Chef von Turner Broadcasting International, das sehr fokussiert ist auf Pay TV. Welche Schlüsse sind für so einen Konzern in Hinblick auf die Konkurrenz des nonlineare Fernsehen zu ziehen?
Sie sehen also keine Bedrohnung?
Turner Broadcasting International ist auf höchst unterschiedlichen Märkten tätig. Wie unterscheiden sich die Strategien, um Wachstum zu schaffen?
In Asien steht für nahezu alle internationalen Unternehmen das große Wachstum noch bevor. Mit Ausnahme von Indien sind die Umsätze noch deutlich unter jenen Lateinamerikas. Es geht hier darum, neue regionale und überregionale Sender zu gründen, zum Teil in Partnerschaft mit anderen, lokalen Unternehmen. Für uns, die wir sehr stark im Kinder-Bereich sowie im Nachrichten-Geschäft sind, heißt das, dass wir im Serien-Bereich noch mehr Gas geben müssen.
In Europa haben wir eine ganze andere TV-Landschaft. Mit Ausnahme von Großbritannien und Frankreich sind es vor allem frei empfangbare Sender, die den Markt anführen. Das größte Wachstum im Pay-TV kann man in Westeuropa in Deutschland und in Osteuropa in Russland erwarten. In Deutschland sind wir mit unseren Pay-TV-Angeboten sehr gut aufgestellt. Wir haben dort sechs Pay-TV-Sender. Aber derzeit verfügen nicht einmal 20 Prozent der Haushalte überhaupt über Pay-TV. Sobald das Richtung 30 Prozent und mehr geht, könnte Deutschland unser stärkster Markt in Europa werden.
Apropos Deutschland: Hier gab es immer Spekulationen TBS könnte sich bei der ProSiebenSAT.1-Gruppe engagieren. Das ist nicht passiert. Ist das Geschäft mit frei empfangbaren Sendern nicht mehr interessant?
Der Fernsehmarkt fragmentiert zusehends. Es gibt auch immer mehr frei empfangbare Spartenkanäle. Wie geht ein Unternehmen, das auf Pay-TV fokussiert ist, damit um?
Was bedeutet diese Entwicklung für Vollprogrammsender von RTL bis ORF, um im deutschsprachigen Raum zu bleiben.
Ihren Worten entnehme ich, dass Sie das Kapitel ORF abgehakt haben?
Dann zurück in die große TV-Welt. Sie haben mit der RTL-Group einen dem Grunde nach europäischen Konzern geleitet, jetzt sind Sie bei einem US-Unternehmen. Was ist der augenfälligste kulturelle Unterschied?
War diese Internationalität auch der Grund für Ihren Wechsel? Nicht jedem war es zugänglich, dass Sie ein umsatzstärkeres Unternehmen, die RTL Group, verlassen haben.
Sie werden bei den Medientagen zum großen Thema „Medien, Politik und Demokratie – ein Widerspruch?“ Stellung nehmen. Ein sehr österreichisches Thema, da ja Verhaberung immer noch sehr viel zählt. Wie sieht das der gelernte Österreicher mit dem Blick von außen?
Vielen Dank für das Gespräch.
Für die diesjährigen Medientage übernimmt die APA die komplette Betreuung der Live-Übertragung. Alle Erkenntnisse und Diskussionen bleiben als On-Demand-Fassung verfügbar.
LINK: www.apa-it.at/medientage
Österreichs bedeutendster Treff von Managern aus der Print-, Online- und Fernsehwelt findet heuer zum 20. Mal statt: Die Österreichischen Medientage, initiiert vom Manstein-Verlag, gastieren von Dienstag bis Donnerstag in der Wiener Stadthalle und bringen Diskussionen über die Zukunft der Medienbranche bis zu Konflikten der digitalen Industrie mit den Rechten der Bürger.
Als Eröffnungsredner tritt heuer der frühere bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber auf, der über „Politik und Medien in der Digitalisierung“ referieren wird. Eingeladen sind weiters u. a. Turner-Manager Gerhard Zeiler und Rainer Esser, Geschäftsführer der Zeit sowie viele österreichische Medienschaffende. Der KURIER wird bei den Medientagen präsent sein: Aufsichtsratschef Christian Konrad, Geschäftsführer Thomas Kralinger, Herausgeber Helmut Brandstätter, Online-Chef George Nimeh und Marketingchefin Michaela Heumann werden am Podium diskutieren, ebenso wie Gerald Reischl (futurezone).
Programm der 20. Medientage: www.medien-tage.at